Print-Ausgabe 19. September 2025
„Sama“, die KI-Assistentin von Qatar Airways, schlägt Kund:innen Reiseziele je nach Gefühlslage vor
Während es in der Luftfahrt vor allem um Wartung, Verbrauch, Preise und Kundenservice geht, dreht sich bei Bahnen viel um Betriebsoptimierung, Sicherheit und Pünktlichkeit
Anfang August, als die Dokumentations- und Informationspflichten des „AI Act“ der EU in Kraft getreten sind (er gelangt seit einem Jahr schrittweise zur Anwendung, der letzte Teil folgt Mitte 2026), erschien in der NZZ (Neue Zürcher Zeitung) ein Beitrag, demzufolge „der Hype um künstliche Intelligenz langsam abebbt“. Es zeichne sich eine Trendwende „von nebulöser Superintelligenz hin zu nützlichen Produkten“ ab. Anlass war die Markteinführung von „GPT-5“, der neuesten Chatbot-Version des Softwareunternehmens „OpenAI“. Für T.A.I. bot dies die Gelegenheit, den aktuellen Stand der Dinge von KI-Modulen in allen Bereichen des Tourismus zu erheben.
Zunächst zum Beitrag der NZZ: Demnach ist die neueste GPT-Version „zwar etwas besser als alle bisherigen Chatbots, doch von menschlicher Intelligenz weit entfernt“. Weit über 100 Kommentare sind zu diesem Artikel erschienen, der Großteil pflichtete ihm bei. Wie sehen also Airlines, Flughäfen und Bahnen die KI? Welche Module setzen sie aktuell ein? Welche Möglichkeiten werden für 2026 erwartet? Und welchen Kritikpunkten ist KI bei diesen Verkehrsträgern ausgesetzt?
Airlines: Hier ist der Einsatz von KI weit fortgeschritten. Bis 2025 investierten Airlines weltweit rund 2,3 Mrd. Dollar in KI Technologien. Sie sollen jährliche Einsparungen von bis zu 15 Mrd. Dollar bringen. Dies wurde – ohne allerdings konkrete Angaben über die Höhe zu machen – realisiert, insbesondere in den Bereichen Wartung, Treibstoffverbrauch, Preisoptimierung und im Kundenservice.
Die US-Carrier preschen voran, allen voran Delta, die Anfang des Jahres den KI-gestützten digitalen Reisebegleiter „Delta Concierge“ vorstellte. Delta setzt auch auf KI-basierte Preisgestaltung, die aktuell auf ca. 3 % der Inlandsflüge angewendet wird, mit Ausbau auf 20 % bis Anfang 2026.
Unter Europas Carriern gilt die Lufthansa Group als Vorreiterin beim Einsatz von KI, die u. a. für optimierte Preisgestaltung, Wartungsprognosen und für die Auswertung großer Kundendatenmengen angewendet wird. Auch das Flugmanagement ist betroffen: Die Lufthansa Group hat etwa in Zusammenarbeit mit Google bereits die Genauigkeit von Windvorhersagen um 40 % gesteigert, um Treibstoff zu sparen und Verspätungen zu reduzieren. Die KI-Nutzung bei Austrian Airlines betrifft vor allem die Automatisierung von Abläufen, Serviceoptimierung im direkten Kundenkontakt sowie die interne Digitalisierung und Innovationsförderung am Standort Wien.
In Asien und der Golf-Region gelten Singapore Airlines, Emirates und Qatar Airways als Vorreiterinnen. Letztere nutzt z. B. eine emotional intelligente KI-Assistentin namens „Sama“, die Reiseziele je nach Gefühlslage vorschlägt.
Generell werden Prozesse wie Check-in, Boarding und Gepäckabgabe zunehmend durch KI-gesteuerte, biometrische Systeme beschleunigt. Damit verschwindet der klassische „Prozess in der Warteschlange“ zugunsten von personalisierten, kontaktlosen Abläufen. 2026 sollen KI-Anwendungen noch stärker für Prognosen und Simulationen eingesetzt werden, etwa für das Passenger Flow Management, die Flugplanoptimierung oder zur Vorhersage von Verspätungen.
Die Hauptforderungen der Branche zielen auf mehr Transparenz, die Klärung der Haftungsfragen, die Schaffung von Sicherheitsstandards und ethischen Leitlinien sowie Verbraucherschutz ab. Die Aufgaben der Pilot:innen, Flugbegleiter:innen und Techniker:innen sind aber nicht durch KI ersetzbar. „Sie werden auch in den nächsten Jahrzehnten noch gebraucht“, so Lufthansa CEO Carsten Spohr in einem Interview.
Flughäfen: KI ist 2025 an Flughäfen im Alltag angekommen, oft für Passagiere sichtbar (digitale Berater, Self-Service) und immer mehr auch unsichtbar im Hintergrund (z. B. Prozessoptimierung, Sicherheit, Cyberschutz). Airports, wie jener von Wien, setzen weiterhin auf digitale und KI-unterstützte Self-Service-Anwendungen. Aktuelle Anwendungsbeispiele bietet der Flughafen München, der das System „ApronAI“ einsetzt. Diese KI-Plattform überwacht mit Videoanalytik und maschinellem Lernen in Echtzeit die Abfertigungsvorgänge an den Gates (z. B. Kofferbeladung, Betankung, Service), erkennt Verzögerungen und leitet Maßnahmen ein, um Pünktlichkeit, Durchsatz und Ressourceneinsatz zu verbessern.
Ab 2026 erwarten Flughäfen eine noch intensivere Nutzung von KI, um Prozesse effizienter, sicherer und komfortabler zu gestalten. Am Flughafen Frankfurt etwa wird die kamerabasierte Computer-Vision-Lösung „seer“ installiert, die komplett automatisiert jeden Schritt der Flugzeugabfertigung analysiert und dokumentiert. „Seer“ soll bis Ende 2026 zum Standard werden und damit internationale Maßstäbe setzen.
Mit Inkrafttreten des „AI Act“ ab 2026 werden dann die Rahmenbedingungen für KI-Einsätze an Flughäfen klarer geregelt. So wird die für 2026 geplante Einführung von KI-basierten 3D-Scannern bis 2028 an deutschen Flughäfen Standard: Derartige Systeme sollen verdächtige Objekte im Gepäck erkennen und bei Körperscans sollen Passagiere durchgehen können, ohne Accessoires wie Gürtel oder Uhren ablegen zu müssen.
Der CEO der Flughafen Wien AG Julian Jäger ist jedenfalls überzeugt, „dass wir in den nächsten Jahren große Revolutionen sehen werden“. Es werde „nicht mehr ewig dauern“, bis Busse an Flughäfen keine Fahrer:innen mehr brauchen und Gepäckwagen selbstständig zum Flugzeug fahren.
Bahn: Bei den Bahnen wird KI nicht mehr als abstraktes Zukunftsthema behandelt, sondern in vielen Bereichen konkret getestet und schrittweise eingeführt. Der Fokus liegt dabei auf der Optimierung des Betriebs, der Erhöhung der Sicherheit und der Steigerung der Pünktlichkeit.
Am Flughafen Berlin Brandenburg testet die Deutsche Bahn die KI-basierte, mehrsprachige Assistenz „Kiana“. Sie berät Fahrgäste am Bahnsteig bei Auswahl und Buchung von Bahntickets. „Kiana“ funktioniert per Touchdisplay, Mikrofon und Lautsprecher, ist allerdings vorerst nur von Montag bis Freitag in Betrieb.
Die ÖBB haben heuer im Frühjahr den KI-basierten Agent „WITKO“ eingeführt, mit dem Hauptziel, IT-Wissen zentral bereitzustellen und die tägliche Arbeit durch schnellen Zugriff auf Informationen und automatisierte Antworten auf typische Fragen zu erleichtern. „WITKO“ dient dazu, die Mitarbeitenden zu entlasten, die Effizienz im Wissensmanagement zu erhöhen und den Ausbau des Know-hows innerhalb der Organisation voranzutreiben.
Generell betrachtet die Bahnbranche KI als Chance, aber auch als Technologie, deren Einsatz sorgsam abgewogen und menschlich, ethisch sowie regulativ begleitet werden muss.
Erstellt am: 19. September 2025
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