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Künstliche Intelligenz im Reisebüro

KI lässt keinen kalt! Touristik zwischen Skepsis und Zustimmung

Print-Ausgabe 26. Mai 2023

In ihren Vorträgen sprachen Nicolas Götz (l.) und Markus Eiglsperger über ihre Erfahrungen mit dem Einsatz von KI im Tourismus

Realistische Einschätzungen zu der Thematik lieferten ÖRV und ÖVT mit Vorträgen auf ihren Frühjahreskongressen – in der Praxis werden KI-Systeme bereits genutzt

Künstliche Intelligenz (KI) beschäftigt derzeit viele. So war es kein Zufall, dass sowohl der ÖRV (Österreichischer ReiseVerband) als auch der ÖVT (Österreichischer Verein für Touristik) das Thema auf die Tagesordnung ihrer Frühjahres­kongresse stellten. Während beim ÖRV im Graz Congress der Professor für Informatik der Hochschule HTWG Konstanz Markus Eiglsperger über „Tourismus neu denken in Zeiten der KI: Chancen und Herausforderungen“ referierte, wartete der ÖVT wenige Tage zuvor in Ottenstein mit Nicolas Götz auf, dem Gründer des Online-Reisebüros nix-wie-weg.de und des daraus entstandenen KI-basierenden Softwareanbieters adigi.ai. Götz lieferte dabei auch konkrete Beispiele, wie KI in der Praxis funktioniert.

Wie sich herausstellte, arbeiten bereits einige Agenturen in Österreich mit adigi, darunter das ReiseCenter Mader-Kuoni oder die Reisewelt (siehe dazu auch den Beitrag „Reisewelt großer Pandemie-Gewinner“). Die Buchungsplattform willweg.at wiederum hat mit adigi eine eigene KI-Lösung entwickelt.

Zunächst die Frage, die viele in der Touristik beschäftigt: Wird durch KI die Leistung eines Reisebüros überflüssig? T.A.I. hat die Antwort dazu von einem erstellen lassen, der es wissen sollte: von ChatGPT, also jenem im November 2022 gestarteten KI basierenden Chatbot, der laut Prof. Eiglsperger „einen Dammbruch, eine Revolution“ ausgelöst hat. Die ChatGPT-Antwort auf die T.A.I.-Frage lautete wie folgt: „Generative KI kann zwar dazu beitragen, einige Aspekte des Reisebüros zu automatisieren und zu optimieren, ersetzt aber das menschliche Element im Reisebüro nicht vollständig.“ Denn, so heißt es weiter, „viele Aspekte des Reisens erfordern persönliche Interaktionen und Beratung und können auch künftig nicht von einer generativen KI vollständig abgedeckt werden“. Sehr wohl kann aber „generative KI die Effizienz und den Komfort der Reiseplanung verbessern“.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass ChatGPT noch kein kommerzielles Modell und auch keine Schnittstellen bietet, um die relevanten Informationen von Kund:innen sinnvoll anbieten zu können. Dies ist einer der wesentlichen Unterschiede zu adigi & Co. So verfügt etwa adigi über eine Live-Anbindung an Amadeus. Was generell dem Einsatz von KI in der Praxis noch entgegen steht, ist laut Markus Eiglsperger „die fehlende Akzeptanz der Mitarbeiter:innen“. Laut ihm befürchten 32,4 % von ihnen, durch ChatGPT & Co. ihre Jobs zu verlieren.

Auch bei ReiseCenter Mader-Kuoni stieß der Einsatz des „Superkollegen“ von adigi anfangs auf Skepsis. Die Wende kam, wie Harald Pree beim ÖVT Kongress in Ottenstein beschrieb, als sich eine Kundin am Wochenende mit konkreten Reiseplänen an die Filiale Marchtrenk wandte. Nach 20 Minuten (so lange dauert die eingebaute Verzögerung, in Wirklichkeit könnte die Antwort innerhalb von Sekunden erfolgen) erhielt sie die Information vom „Superkollegen“, in der Annahme, dass diese von einem konkreten Mitarbeiter stammte. Ein paar E-Mails wurden noch hin und her geschrieben (stets vom „Superkollegen“) und als der betreffende Mitarbeiter am Montag ins Büro kam, hatte er einen fertigen Vorgang (alle E-Mails) und brauchte die Buchung nur noch abzuschließen. Die Kundin war begeistert, weil das ReiseCenter Mader-­Kuoni ihrer Wahrnehmung nach sogar am Wochenende tätig war.

Bei der Reisewelt gibt es keinerlei Akzeptanz-Probleme. Der Grund: Dort wurde das KI-System (der „Superkollege“ läuft in der Reisewelt unter dem Namen „Lisa“) bereits vor der Installation auf der Website am Counter getestet und stieß dabei auf Zustimmung.Laut adigi-Chef Nicolas Götz ist das System sowohl bei Reisebüros als auch bei OTAs (Online Travel Agents) und Reiseveranstaltern im Einsatz, funktioniert bestens und unterstützt Mitarbeiter:innen 24/7. Die Kosten (Flatrate) beginnen bei 60 Euro pro Monat.

Einige KI-Schritte weitergegangen ist Günther Gross mit willweg.at: „Wir haben die neue KI gemeinsam mit adigi und mit viel Herzblut entwickelt.“ Konkret geht es um „Express-­Angebote“ (Flugpauschalreisen oder Nur-Hotels), die vom System innerhalb von 15 Minuten per E-Mail an interessierte Kund:innen verschickt werden, und das rund um die Uhr, an Wochenenden sowie an Feiertagen (www.willweg.at/­15minuten).

Ihre Vorteile kann die generative KI auch bei Flugplanänderungen etc. ausspielen. KI-Systeme erledigen in Sekunden Themen, für die Counter-Agents ansonsten viel Zeit aufwenden müssen und die von dem abhalten, wofür sie da sind: für die persönliche Betreuung ihrer Kund:innen. „Die persönliche Interaktion mit einem Reiseberater und das Gefühl, dass sie bei Fragen und Problemen eine Person haben, mit der sie sprechen können“ – so ChatGPT bei der oben erwähnten T.A.I.-Anfrage – sind eben durch nichts zu ersetzen. Dasselbe betrifft laut ChatGPT auch die Flexibilität eines Agents: „Reisebüros können auf unerwartete Situationen reagieren, die bei der Reiseplanung auftreten können. Im Gegensatz zur generativen KI kann ein Reise­berater schnell Änderungen an einer Reiseroute vornehmen oder alternative Vorschläge machen, wenn ein Problem auftritt.“

Das derzeitige Fazit von alledem: Reisebüros mit persönlicher und kompetenter Beratung werden durch KI nicht ersetzt. Sie hilft aber dabei, zeitaufwendige Tätigkeiten zu automatisieren und dadurch Mitarbeiter:innen zu entlasten. In Zeiten von Personalknappheit etc. sind also die Möglichkeiten, die sich durch professionelle KI-Systeme ergeben, nicht zu unterschätzen. Wie die Entwicklung weitergeht, wird sich weisen. ÖRV und ÖVT haben mit den Vorträgen jedenfalls ein Thema aufgegriffen, das die Branche mit Sicherheit verändern wird.

Professor Markus Eiglsperger referierte beim ÖRV Kongress zum Thema „Tourismus neu denken in Zeiten der KI: Chancen und Herausforderungen“

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