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Digitalisierung in der Touristik

Jünger, digitaler, dynamischer! Reisewelt großer Pandemie-Gewinner

Print-Ausgabe 26. Mai 2023

„Sobald die Reise gebucht ist, wird alles nur noch digital abgewickelt“, so Ervin Sebestyen (l.) und Felix König

Die Tochter der Raiffeisenlandesbank OÖ hat mit Blaguss-Deal, Digitalisierung und Mitarbeiter:innen-Offensive in der Branche neue Maßstäbe gesetzt

Digitalisierung ist ein schwammiger Begriff: Wo beginnt sie und wo hört sie auf? Was ist überhaupt alles darunter zu verstehen? Am besten die Annäherung erfolgt anhand von Beispielen der Praxis. Diesbezüglich lieferte und liefert die Reisewelt – eine Tochter der Raiffeisenlandesbank ÖO – einen bemerkenswerten Zugang. Rückblende: Mitte März 2020, Beginn des ersten Lockdowns. Die beiden Reisewelt-Geschäftsführer Felix König und Ervin Sebestyen stellen fest, dass nicht alle Mitarbeiter:innen für die nun bevorstehende Homeoffice-Zeit mit Laptops ausgestattet sind. Dies war nicht zuletzt auch deshalb wichtig, um die Rückabwicklungen der gebuchten Reisen von zu Hause aus zu bewerkstelligen.

Innerhalb kürzester Zeit war das Thema gelöst. König und Sebestyen packten die Laptops in die Kofferräume ihrer Autos, einer übernahm Österreichs Westen, der andere den Osten, wobei die Agents aus Wien ihre Computer an der Autobahn-Raststelle St. Pölten erhielten. Nur sechs Wochen später, Anfang Mai 2020, saßen Felix König und Ervin Sebestyen bei einem Online-Meeting, um mit dem Raiffeisen-­Vorstand die künftige Reisewelt-Strategie zu fixieren. Die Grundidee: volle Expansion. Felix König: „Wir hatten bereits vor der Pandemie die Fühler aus­gestreckt.“

Die größten Deals: Übernahme der Blaguss Touristik (von der zuvor bereits die beiden ehemaligen Vorderegger-­Filialen in Salzburg übernommen worden waren) bzw. Einstieg der beiden Cousins Paul und Thomas Blaguss mit je 12,55 % in die Reisewelt sowie Abspaltung der bis dahin als Tochter agierenden BTU (Business Travel Unlimited inkl. Reiserei) als nunmehrige Schwester (die BTU übernahm dann die gesamte Business­travel-­Sparte der Verkehrsbüro Group inkl. AX Travel Management). Die Ergeb­nisse können sich sehen lassen. Felix König: „Damit haben wir uns zusammen, also BTU und Reisewelt, auf Vor-Corona-­Umsätze in Höhe von 430 Mio. Euro und 420 Mitarbeiter:innen katapultiert.“

Marktführer in Oberösterreich und im Burgenland

Die Reisewelt ist laut Ervin Sebestyen nunmehr Österreichs drittgrößte Reisebürokette (nach Ruefa und TUI) mit aktuell 30 Filia­len (29 geöffnet, eine wegen Personalsuche derzeit geschlossen). Die Schwerpunkte liegen in Oberösterreich (17 Standorte) und im Burgenland (vier Filialen), wo die Reisewelt jeweils als Marktführer agiert. Dazu kommen vier Reisebüros in Wien sowie je zwei in Niederösterreich und in Salzburg.

„Wir sind bereit, weiter zu arrondieren“, so Felix König, der gleichzeitig zu bedenken gibt, dass„die Bereitschaft dazu derzeit bei den Unternehmen eher gering ist. Ich glaube aber, dass die Zeit dafür wieder kommt.“ Ziel der Reisewelt für 2023 ist es, mit rund 180 Mitarbeiter:innen (vor der Pandemie ca. 165) einen Umsatz von 100 Mio. Euro zu erwirtschaften, der damit leicht über jenem der Vor-Corona-­Zeit liegt.

Intensive Schulungen für Mitarbeiter:innen

Ende 2022 lag die Anzahl der Mitarbeiter:innen noch um 9 % unter dem Vor-Krisen-Niveau. Rund 50 Kolleg:innen wurden bis dahin neu eingestellt. Heuer kamen 20 weitere dazu, mit Schwerpunkt auf Beratung, Linienflug sowie Produktion, alles begleitet von intensiven Schulungen und Sozialmaßnahmen, um das digitale Mindset sowie das digitale Stressmanagement der bestehenden und neuen Mitarbeiter:innen zu ändern. Der Altersschnitt (vor Corona bei rund 52 Jahren) liegt mittlerweile bei 40,5 Jahren. Felix König: „Wir sind deutlich jünger geworden. Wir brauchen das, wegen dem Generationenwandel und allem, was damit zusammenhängt.“ Ervin Sebestyen: „Wir sind sehr happy damit. Jeder leidet unter Personalmangel, aber niemand hat so viele eingestellt wie wir.“

Zufall waren dieser Mitarbeiter:innen-Zuwachs und der sinkende Altersschnitt keiner, denn beide sind – und damit sind wir beim eingangs angeschnittenen Thema angelangt – das Ergebnis der Digitalisierung. König: „Wir haben modernste Arbeitsplätze. Jeder hat einen Laptop. Unterschriften erfolgen nur noch mit dem Tablet. Die Pandemie war da der große Antaucher, wobei wir bereits seit 2018, als Ervin (Sebestyen) kam, die Digitalisierung beschleunigen. Die größte Ausbildungs-Initiative in der Geschichte der Reisewelt erfolgte während der Kurzarbeitszeit.“ Alle Mitarbeiter:innen – und zwar egal welchen Alters – hatten dabei die Verpflichtung, den Europäischen Computer Führerschein (ECDL) zu machen.

„Lisa“, die digitale Reiseberaterin

Wichtig bei all dem ist, wie die Mitarbeiter:innen ausgestattet sind, um ihre Kund:innen gut zu betreuen: „Sie richten sich nach deren Wünschen aus“, so Felix König, unabhängig davon, ob es sich um einen Online- oder einen stationären Gast handelt. Sobald die Reise gebucht ist, wird alles nur noch digital abgewickelt.

Seit rund einem halben Jahr arbeitet die Reisewelt darüber auch mit dem auf KI (künstliche Intelligenz) basierenden Urlaubsberatungssystem adigi.ai zusammen. Der bei adigi „Superkollege“ genannte digitale Reiseberater heißt bei der Reisewelt „Lisa“ und bearbeitet umgehend sämtliche Online-­Anfragen. Die Agents sind begeistert: „Wir haben das System bewusst am Counter getestet, bevor wir es auf die Website gestellt haben“, so Felix König.

Und wie sieht die weitere Marschrichtung aus? Felix König und Ervin Sebestyen lächeln: „Wir hören nicht auf damit, wir haben noch einiges vor. Man muss bei den Themen ordentlich dranbleiben.“

Interessant ist ergänzend dazu folgender weiterführender Bericht:
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26. Mai 2023 | Reisebüros & Veranstalter

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