ANA
Standpunkt

Wie im Kindergarten

Print-Ausgabe 14. Oktober 2022

Wir haben sie schon im Kindergarten und in der Schule nicht gemocht. Diejenigen, die mit dem Finger auf jemanden zeigten und erklärten, was der oder die Unartiges gemacht hätte.

Im Bereich der Nachhaltigkeit, vor allem bezüglich des CO2-Ausstosses, ist es ähnlich. Die Luftfahrt ist der größte Klimakiller, weil sie jährlich 3 % der vom Menschen verursachten Kohlenstoffdioxid-Menge in die Luft bläst. Die Kreuzfahrt ist böse, weil so klimaschädlich wie fünf Millionen Autos. Und überhaupt: Der gesamte Tourismus! Ein Klimakiller par excellence!

Äh… Lassen wir doch die Kirche im Dorf und zeigen nicht mit Fingern auf die Branche A oder B. Das ist Kindergartenstil. Sorry. Wobei auch die Zahlen, mit denen argumentiert wird, zu hinterfragen sind. Etwa die Kreuzfahrt: 323 Schiffe sind es aktuell, vom kleinen Expeditionsschiff bis zur schwimmenden Destination. Im Vergleich dazu kam die weltweite Flotte, vom Fischerboot bis zum Cargo-Schiff, laut Statistik von Equasis (European Quality Shipping Information System) im Jahr 2020 auf knapp 120.000 und da sind die weltweit rund 10.600 Militärschiffe noch nicht mitgerechnet. Nur die Passagierschiffe genommen sind es an die 7.600, alles nahezu ausschließlich Fähren. Zwar sollten alle Schiffe seit zweieinhalb Jahren nur noch mit dem deutlich saubereren Marinegasöl (MGO) unterwegs sein, so sie nicht mit LNG (Liquified Natural Gas) angetrieben werden, die Praxis sieht leider anders aus. Anders als jene der mit Scrubbern, SCR-Katalysatoren und sonstigen Abgasfilteranlagen ausstaffierten Ocean Cruiser. Die können sich nämlich gar nicht leisten, die Umwelt stärker zu belasten als das immer strenger werdende Gesetz vorschreibt – der mediale Aufschrei würde einem Todesstoß gleichkommen.

Auch die Zivilluftfahrt wird gerne als Klimasünder gebrandmarkt. Flugscham und so. Stimmt auch. Zu einem gewissen Grad. Die weltweite Gesamtflotte aller Airlines umfasst derzeit 28.576 Flugzeuge, von denen 22.810 aktiv und 5.766 gegroundet sind. Auch da sind die fast 23.500 Militärmaschinen nicht enthalten, ebenso wenig wie in den CO2-Zahlen, die aufs Konto der Luftfahrt gehen. Und auch der rund 440.000 Flugzeuge große globale General Aviation-Bereich wird darin nicht erfasst.

Nur so nebenbei: Jeder Mensch stößt – von der Nahrungserzeugung bis zu ihrer Ausscheidung durch den Körper – laut Studie der Universidad de Almería jährlich das Äquivalent von etwa 2 Tonnen CO2 aus. Das entspricht mehr als 20 % der gesamten jährlichen vom Menschen verursachten Emissionen. Damit nicht genug: Alleine das Wachstum der Weltbevölkerung von 6 Mrd. im Millenniumsjahr auf derzeit 9,9 Mrd. schlägt mit jährlich zusätzlichen 3,8 Mrd. Tonnen CO2 zu Buche, mehr als das Vierfache der Luftfahrt.

Hören wir also auf, mit dem Finger auf andere zu zeigen und zu erklären, wie böse die sind, weil sie so viel CO2 hinauspusten. Reißen wir uns selbst am Riemen und fangen an, jeder und jede für sich, an Verbesserungen zu arbeiten, legt allen ans Herz der

Lupo

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