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Standpunkt

Torheit am Beispiel Kärnten

Print-Ausgabe 15. Juli 2022

Urlaubszeit ist Lesezeit. Und mit einem guten Buch in der Hand ganz besonders. Diesmal war’s die „Torheit der Regierenden“ der US-amerikanischen Reporterin und Historikerin Barbara Tuchman. Bereits Anfang der 1980er-Jahre erschienen, hat es an Aktualität nichts eingebüßt. Im Gegenteil, wie unsere Gegenwartsgeschichte am laufenden Band beweist.

Da braucht man gar nicht zu den großen Diktaturen blicken (Unterdrückung und Selbstüberhebung gehören laut Tuchman zu den beiden größten Fehlern, die von der Politik begangen werden können, und enden stets im Untergang), sondern es reicht die Selbstbeschäftigung mit dem kleinen Österreich. Torheit, wohin das Auge reicht. Bundespolitisch ebenso wie in der Landes- und Regionalpolitik. Traurig.

Das jüngste Beispiel lieferte kurz vor Ende eines grandiosen Urlaubsaufenthaltes in Sizilien Österreichs südlichstes Bundesland mit dem Abservieren von Christian Kresse als Landestourismusdirektor. Sein großer Fehler: Kresse hat sich „nie unter eine politische Fuchtel stellen lassen“, wie Sigi Moerisch, Obmann Stv. des Fachverbandes Hotellerie in der WK Kärnten und erfolgreicher Hotelier (Genießerhotel Das Moerisch), an anderer Stelle dieser T.A.I. zitiert wird. Der gesamte Tourismus Kärntens, die Wirtschafts- und die Arbeiterkammer, die ÖHV, Urlaub am Bauernhof, ja sogar die beiden großen Regierungsparteien Kärntens sprachen sich für eine Verlängerung des seit zwölf Jahren amtierenden Landestourismusdirektors aus. Nur eine Couleur spielte dagegen. Torheit der Mitregierenden könnte man sagen. Und es spricht Bände, dass weder Tourismuslandesrat Sebastian Schuschnig (er ging vorsorglich auf Tauchstation) noch der Geschäftsführer der KBV (Kärntner Beteiligungsverwaltung) Martin Payer – beide ÖVP – für eine Aussprache mit den Kärntner Tourismusverbänden bereit waren. Für den designierten künftigen Chef der Kärnten Werbung, den ehemaligen ÖW-Manager und derzeitigen Trigon Consulting-Berater Klaus Ehrenbrandtner, macht all dies sie Sache nicht leichter.

Diesem aktuellen Beispiel für die Torheit der Regierenden könnten unzählige weitere hinzugefügt werden. Nicht zufällig umfasst Barbara Tuchmans Buch 544 Seiten – und sie beschäftigt sich lediglich mit Weltpolitik. Wobei bereits in der Einleitung ihres Werkes eine höchst unerquickliche Feststellung getroffen wird: Die Menschheit habe sich in den zurückliegenden drei Jahrtausenden unheimlich weiterentwickelt, in Wirtschaft, Kunst, Kultur und Wissenschaft. Nur in der Politik agiert sie wie vor 3.000 Jahren.

Bleibt am Ende ein kleiner Trost: Die Toren kommen und gehen. Doch immerhin hat sich in den zurückliegenden Jahrhunderten (in unseren Breiten sind’s erst Jahrzehnte) so etwas wie Demokratie durchgesetzt. Ein zartes, stets bedrohtes Pflänzchen. Aber es hat Dinge hervorgebracht wie Gleichberechtigung, Toleranz und Meinungsfreiheit. Hegen und pflegen wir sie, trotz Torheit der Regierenden, erlaubt sich die Feststellung der

Lupo

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