Standpunkt

Time-Slots

Print-Ausgabe 15. November 2024

Als Michaela Reitterer – sie ist ehemalige Präsidentin der ÖHV (Österreichische Hoteliervereinigung) und betreibt mit ihrem Boutiquehotel Stadthalle Wien das erste Null-Energie-Hotel Europas – vor kurzem auf einer Veranstaltung auf „unbalanced Tourismus“ zu sprechen kam, meinte sie, dass „auch Hallstatt und Salzburg etwas dagegen tun könnten“. Die Frage folgte auf dem Fuß: Was denn? Die Antwort war ebenso kurz wie prägnant: Durch die Vergabe von Time-Slots.

Michaela Reitterer befindet sich damit auf derselben Linie wie der Spartenobmann Tourismus Robert Seeber. Zwar sei Österreich – mit 3,4 Gästen pro Einheimischen amtierender Tourismusweltmeister – abgesehen von einigen Hotspots vom sogenannten „Overtourism“ nicht betroffen, doch gelte es die Situation, wenn Auswirkungen des Tourismus zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten die Kapazitätsschwellen überschreiten, zu entzerren. „Möglich wären Time-Slots“, meinte er Ende August zur Gratiszeitung „Heute“.

Schloß Schönbrunn macht es vor, auch das KHM (Kunsthistorisches Museum) in Wien, wie T.A.I. vor kurzem selbst erleichtert feststellen konnte. Auch in den USA, wohin die Prokuristin des Verlags vor kurzem reiste, gibt es derartige Beispiele und zwar solche, die das Für und Wider deutlich aufzeigen: Nationalparks, die Time-Slots vergeben, werden als Wohltat empfunden, solche, die es nicht tun, als das Gegenteil.

Ein negatives Beispiel, wie man es nicht tut, liefert die Lagunen­stadt Venedig: Dort mussten Tagestourist:innen in diesem Jahr an 29 Tagen im Zeitraum zwischen April und Juli erstmals für einen Besuch 5 Euro zahlen. Ab nächstem Jahr sind es 10 Euro, die Aktion wird dann auf 54 Tage ausgeweitet. Doch die Sache hat zwei Haken: Einerseits gilt sie nur tagsüber zwischen 8:30 und 16:00 Uhr (das brachte Venedig mit 485.000 zahlenden Besucher:innen Einnahmen von mehr als 2,4 Mio. Euro), anderseits werden keine Time-Slots vergeben. Die Folge: Tagesgäste trafen auf eine komplett überfüllte Stadt.

Um Time-Slots gibt es kein Herumkommen. Dafür sorgt schon der weltweit trotz allem ansteigende Wohlstand. Der Mensch ist nämlich ein Reisetier. Sobald er kann, fährt er zunächst in die nähere Umgebung, dann immer weiter und zur Krönung von all dem nach Europa. Und zwar zu den Hotspots. Wien, Stephansplatz und Schönbrunn stehen dabei weit oben auf der Wunschliste. Salzburg und Hallstatt auch.

Noch ist die Tourismusakzeptanz in Österreich mit 75 von 100 Punkten überaus hoch. Diesen Wert gilt es zu halten, wenn nicht sogar auszubauen. Sonst werden auch hierzulande Wasserspritzpistolen gegen Tourist:innen gezückt wie in Barcelona oder Anti-Tourismus-Demos à la Mallorca durchgeführt.

Wie gesagt: Ohne Time-Slots wird es nicht mehr gehen. Auch und vor allem DMOs (Destinationsmanagement-Organisationen) sind hier gefordert. Je früher derartige Maßnahmen ergriffen werden, desto besser, ist sich eins mit Robert Seeber und Michaela Reitterer der

Lupo

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