Standpunkt

Die Krux mit Zahlen

Print-Ausgabe 13. Juni 2025

Zahlen sind seit jeher hinterfragenswert. Vor allem seit der Pandemie. So wurden etwa jene des BIP (Bruttoinlandsprodukt) durch staatliche Eingriffe, extreme Schwankungen, unterschiedliche Betroffenheit der Branchen und strukturelle Veränderungen verzerrt. BIP-Zahlen geben daher nur eingeschränkt Auskunft über die tatsächliche wirtschaftliche Lage und Entwicklung. Ähnlich verhält es sich mit Jahresabschlüssen von Unternehmen. Und noch eines steht fest: Künftige Entwicklungen lassen sich nur schwer abschätzen, weil es sich bei den Zahlenwerken meist um Werte der Vergangenheit handelt.

Im Tourismus ist es nicht anders. Im Kleinen wie im Großen. Gängigste Messzahl, die sich weltweit durchgesetzt hat, sind die Ankünfte und die Übernachtungen. Österreich präsentiert sie überaus zeitnah. Weiter entfernte Destinationen tun sich da viel schwerer.

Und doch sind einige interessante Schlussfolgerungen aus den Zahlenmaterialien zu ziehen. Etwa aus Österreichs Wintersaison 2024/25. Die war, wie interessierte Zeitgenossen wissen, zweigeteilt: Bis Jänner herrschte eine Hochstimmung, die sich ab Februar in ihr Gegenteil verwandelte. Nicht nur von den Ankünften und Nächtigungen her, sondern auch von den Umsätzen der Betriebe in der Ferienhotellerie. Der Schneemangel in den Nordalpen zeigte eben seine Wirkung, allen voran in niedrigeren Regionen.

Doch mit welchem Winter soll man die Ergebnisse der Saison 2024/25 vergleichen? Mit jener des Vorjahres? Doch Halt! Das war ein Schaltjahr und es fehlte heuer somit im Februar ein ganzer Tag, der gut ein Prozent in der Abrechnung ausmachte. Also doch lieber der Vergleich mit den Winter-Nächtigungen von vor der Pandemie, also 2018/19, als das bundesweit beste Ergebnis der Geschichte geschrieben wurde? Auch dieses Bild ist verzerrt, denn Wien fuhr damals seine bis dahin stärksten Zahlen im damaligen Winter ein. Tirol und Salzburg als die beiden im Tourismus führenden Bundesländer hatten sie in der Saison davor, also 2017/18.

Und noch eines: Innerhalb der Bundesländer – Wien als Städtedestination ausgenommen – verzeichnen die einzelnen Regionen komplett unterschiedliche Entwicklungen. Tirol liefert diesbezüglich ein exzellentes Beispiel, wo heuer per Ende April dieses Jahres 23 Tourismusverbände mit einem Nächtigungsplus bilanzieren konnten, 11 aber nicht. Die Größe spielte dabei keine Rolle. Gegenüber der Saison 2017/18 war das Bild ein komplett anderes: Damals verzeichneten nur sieben der 34 Tourismusverbände ein Plus, die restlichen verbuchten ein Minus.

Wie dem auch sei. Es stehen keine anderen Werte zur Verfügung, als Zahlen. Und die sind meist vergangenheitsbezogen. Ausnahmen, wie die „Compound Annual Growth Rate“ – also die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate einer Kennzahl über einen bestimmten Zeitraum –, bilden die Ausnahme. Doch auch die CAGR ist nur geschätzt.

Solange keine Umsatz- oder Wertschöpfungszahlen vorliegen (auch diesbezüglich bildet Wien eine Ausnahme, das monatlich den Nächtigungsumsatz der Beherbergungsbetriebe ohne Frühstück und Umsatzsteuer bekannt gibt; mit Abstrichen Tirol, das mit einigen Monaten Verzögerung Preise und Umsätze der abgelaufenen Saisonen publiziert), bleibt nicht viel anderes übrig, als sich mit Ankunfts- und Nächtigungswerten herumzuschlagen. In diesem Sinne gibt die Hoffnung auf Vorliegen auch von Umsatz- oder Wertschöpfungszahlen im Österreich-Tourismus nicht auf der

Lupo

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