ANA
Standpunkt

Die Faserschmeichler

Print-Ausgabe 14. Februar 2020

Alle sehnen sich nach Harmonie. Auseinandersetzungen? Mögen wir nicht. Die münden in Streit. Und Streit ist böse. Vor allem, seit letzte noch vorhandene Vernunftbarrieren durch die Sozialen Medien eliminiert wurden. Jetzt heißt’s aufpassen. Bloß nicht anecken. Ungezügelte Shitstorms und Hass-Orgien wären die Folgen. Nur: Auch die schönste Harmonie kann erdrückend sein. Denn wo keine Reibeflächen, da kein Fortschritt. Nur tödliche Langeweile und Stagnation.

Von Harmonie geprägt erscheint – zumindest nach außen – seit geraumer Zeit auf Bundesebene das Verhältnis zwischen den touristischen Interessensvertretungen untereinander und auch gegenüber der Politik. Dort, wo einst markige Worte halfen, Missstände wenn schon nicht zu beseitigen, dann wenigstens aufzuzeigen, herrscht jetzt einschläfernder Kuschelkurs.

ÖW-Budget? Stille. Massiver Rückgang der Lehrlingszahlen? Den gibt’s überall. Facharbeitermangel? Detto. Registrierungspflicht für Airbnb & Co.? Kommt eh irgendwann. Steuerentlastung und Anpassung der Abschreibedauer? Auch. Wir schmeicheln und streicheln und schmiegen uns an. Nur nicht die Harmonie stören.

Jetzt kommt der Coronavirus. Also seine Auswirkungen auf das Österreich-Incoming. Weil da ist er ja schon und das massiv.  Massiv wirken wird er auch auf die Ankünfte- und Nächtigungszahlen aus Asien. Nicht nur in Wien, auch in anderen Bundesländern, wie an anderer Stelle dieser T.A.I. dargestellt wird. In Niederösterreich ebenso wie in Oberösterreich. Und auch in Tirol.

Bei SARS 2003 summierte sich der Nächtigungsausfall aus Asien auf 180.000. Damals war die Hebelwirkung noch gering. Heute schlägt sie stärker durch. Und nimmt man SARS als Maßstab, geht es jetzt zumindest um 600.000 Nächte, verteilt auf das nächste halbe Jahr. Da sollten überall die Alarmsirenen schrillen und Maßnahmen überlegt werden, wie der Ausfall am besten zu kompensieren ist. Nur so am Rande: Laut Reiseverkehrs-Statistik der Nationalbank haben sich alleine die Einnahmen von chinesischen Gästen seit SARS vertausendfacht und im Vorjahr (inkl. Einkäufe) erstmals die 240 Millionen Euro-Marke überschritten.

Und was geschieht? Stille. Wir kuscheln ja. Harmonie pur. Nur keine Störgeräusche. Alle sind so lieb. Bloß: Gewinnen wird man dadurch nichts. Vielleicht sollte doch wieder der Diskurs gesucht werden. Unterschiedliche Ansichten. Denn wir benötigen dringend Maßnahmen. Zu Erhöhung des ÖW-Budgets – wie immer die Organisation künftig aufgestellt sein wird –, Steigerung der Lehrlingszahlen, Beseitigung des Facharbeitermangels, Einführung der bundesweiten Registrierungspflicht für Airbnb & Co, deutlicher Steuerentlastung und rascher Anpassung der Abschreibedauer.

Es geht hier nicht um Streit und markige Worte. Es geht um Lösungen. Nur: Mit kuscheligem Faserschmeichlerkurs wird man sie nicht finden, erlaubt sich ganz und gar unharmonisch festzustellen der

Lupo

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