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Nur mit Tricks zum Umweltschutz

Print-Ausgabe 8. März 2019

„Nachhaltigkeit“ – hier konzentriert auf den Bereich Umweltschutz zu verstehen – sollte im Tourismus eigentlich kein Thema mehr sein: Bei jeder Marktforschung wird ihr von den Gästen ein hoher Stellenwert eingeräumt. Bei einer aktuellen Gästebefragung der Wiener Modul Universität stand Umweltfreundlichkeit nach Preis, Standort und Sauberkeit in der Spitzengruppe der Auswahlkriterien für die Unterkunft, fast 60 Prozent erklärten ihre Bereitschaft, in entsprechenden Häusern auch mehr zu bezahlen. Ähnliche Erhebungen – nicht zuletzt von Buchungsplattformen – weisen Werte bis in den 90 Prozent-Bereich aus. Wo die Grenze zwischen Marketing per Umfragen und Realität liegt, weiß niemand wirklich. Nur in einem Punkt herrscht Übereinstimmung: In der gelebten Praxis bleiben von diesen Traumwerten nur Bruchteile übrig, vor allem wenn’s ums Geld geht.

Sara Dolnicar, Professorin für Tourismus mit slowenisch-österreichischen Wurzeln an der Universität von Queensland (Australien), gab beim ÖHV-Kongress in Villach einen Einblick, wie diese Praxis wirklich aussieht. Nach zahlreichen Studien in verschiedenen Ländern kam sie zu einer deprimierenden Erfahrung: Von den Gästen eine aktive Mitwirkung bei Umweltschutzmaßnahmen in substantiellem Ausmaß zu erwarten, ist eine Illusion. Appelle an das „Umweltgewissen“ bleiben weitgehend wirkungslos, etwa die bekannten Aufkleber zum Umgang mit benutzten Handtüchern. Die Idee, mit Steckdosen in Kombination mit Sparschweinen an Stromsparmöglichkeiten und CO2-Emissionen zu erinnern, führte dazu, dass sich Gäste beschimpft fühlten.

Mit kleinen Tricks gelingt es hingegen gelegentlich, Gäste zu umweltfreundlicherem Verhalten zu motivieren, sie mit einem kleinen „Stups“ (engl: Nudging) in die erwünschte Richtung zu lenken, ohne dass ihnen das bewusst wie. So brachte das Angebot, einen Verzicht auf die tägliche Zimmerreinigung mit einem Getränkegutschein zu belohnen, eine Senkung der Reinigungskosten um 42 Prozent – ohne Verlust an Gästezufriedenheit. Bei Buffetmahlzeiten wurden an Stelle der aufwendigen Stoffservietten gute Papierservietten aufgelegt, verbunden mit dem Hinweis, dass selbstverständlich auch weiterhin Stoffservietten kostenlos zur Verfügung stehen – sie liegen abholbereit am Buffet. Ersparnis: 95 Prozent der einschlägigen Kosten. Mit einem einfachen Trick wurde erreicht, dass der Abfall an übrig gelassenen Essensresten der Buffetgäste um 20 Prozent weniger wurde: Es wurden um drei Zentimeter kleinere Teller verwendet.

Dolnicars Versuch einer Erklärung für das wenig kooperative Verhalten der Gäste bei Aktivitäten zum Umweltschutz: Urlauber fühlen sich in einer „Ausnahmesituation“, in der sie Anspruch auf die von der Tourismuswirtschaft propagierte „Sehnsuchtserfüllung“ und auf eine Pause vom Alltag haben, die auch für das übliche „Wohlverhalten“ gilt.

Dass die Resonanz auf Umweltschutzbemühungen bei den Gästen so schwach ist, hat offensichtlich auch den Ehrgeiz der Hotellerie gedämpft. Nachhaltigkeitskonzepte gehören zwar zur Betriebsroutine, im Marketing spielen sie aber eine erkennbar geringere Rolle. Dazu ein Hinweis: Bei der Neugestaltung von Badezimmern verlangt es offenbar der aktuelle Lifestyle, keinerlei brauchbare Ablagen für benutzte, aber noch einmal verwendbare Handtücher vorzusehen. Damit wird die einfachste, aber wirkungsvolle Maßnahme zum Umweltschutz unmöglich gemacht: Der Verzicht auf den täglichen Handtuchwechsel.

Die Beispiele aus der Praxis zeigen, dass vom Gedanken des Umweltschutzes getriebene Maß­nahmen durch erzielbare Kostenvorteile durchaus Sinn machen – auch wenn der Beitrag zur Rettung unseres Planeten eher bescheiden bleibt.

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