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Total regional – oder doch nicht?

Print-Ausgabe 25. Jänner 2019

Das abwechslungsreiche Programm des ÖHV-Kongresses in Villach war von zwei Begriffen geprägt: Regional und nachhaltig. Wenn vom gastronomischen Angebot die Rede ist, scheint ohne Regionalität gar nichts mehr zu gehen, und Nachhaltigkeit ist zum Schlagwort für alles verkommen, von dem man möchte, dass es auch morgen noch da ist. Seinen Ursprung hat es in der Forstwirtschaft, die als „nachhaltig“ angesehen wird, wenn nicht mehr Holz verbraucht wird, als nachwächst. Dieses Prinzip lässt sich vielfältig anwenden, auch auf den Tourismus, etwa wenn er durch Overtourism oder Umweltzerstörung bedroht wird.

Eine Podiumsdiskussion zum Thema „Nachhaltigkeit durch regionale Lebensmittel?“ leiteten Sepp Schellhorn, Hotelier und Wirtschaftssprecher der NEOs, und Hannes Royer, Bergbauer und Gründer der Plattform „Land schafft Leben“, mit einer übereinstimmenden Feststellung ein: Niemand hat Einwendungen gegen das Regionalitätsprizip und eine konstruktive Zusammenarbeit von Tourismus und Landwirtschaft ist daher positiv. Ein paar Hindernisse gibt es aber: Schellhorn beklagte, dass Agrarpolitik und Überregulierung aus den Bauern Abhängige gemacht hätten, mit der Folge, dass zu 90 Prozent aus Rumänien importierter Speck als „Tiroler“ angeboten werden kann und ein Wald von Gütesiegeln den Import von Schweinefleisch aus Thailand nicht verhindert.

Royer empfahl, vor der Politik das eigene Kaufverhalten zu überprüfen: Was kann man erwarten, wenn vom Schwein nur 29 Prozent in Österreich absetzbar sind? Wenn die unverkäuflichen 71 Prozent nicht Abfallberge bilden sollen, müssen „Edelteile“ eben importiert werden. Der Begriff „regional“ werde viel zu eng gesehen, die Grenze liegt oft schon bei 30 km, wenn die Ware nicht im übernächsten Nachbarort verfügbar ist, wird Importware vom Großmarkt gekauft.

Schellhorn sieht den „regionalen Einkaufsradius“ auch für viel zu eng an: Sein Hotel in Goldegg ist fast voll auf regionale Ware umgestellt, allerdings mit einem Radius von 120 km. Zusätzlich baut er auf 1,3 ha Gemüse an, weil es in der Region nicht zu bekommen ist. Und das Preisproblem sieht er auch nicht so locker: Was im relativ kleinen Maßstab eines Hotels noch machbar ist, funktioniert bei seinen zwei Skihütten mit 1.500 Sitzplätzen nicht mehr: Die enorme Eiermenge für eine Aktion „Häferlkaffee mit Kaiserschmarrn“ ist auf dem regionalen Markt nicht zu bekommen. Wenn Royer darüber klagt, dass vom Trend zur Regionalität in der Gastronomie oft wenig zu merken ist, dann führt Schellhorn dies darauf zurück, dass der regionale Markt einfach nicht genug hergibt. Eine Berechnung hat gezeigt, dass vor allem Tourismuszentren aus dem regionalen Bereich alleine nicht versorgt werden können. Schellhorns Schlussfolgerung: „Wir sollten uns nicht selbst in die Tasche lügen.“

An diese Mahnung wird man sich besser erinnern, wenn demnächst wieder die im Regierungsprogramm vorgesehene verpflichtende Herkunftkennzeichnug auch für verarbeitete Lebensmittel (Fleisch-, Milch- und Eiprodukte) zur Diskussion steht. Außer für Produkte der Lebensmittelindustrie soll dies auch für die Gemeinschaftsverpflegung (Kantinen, Spitäler etc.) gelten, nicht für die Gastronomie – zunächst. Nachhaltigkeitsministerin Köstinger und die Landwirtschaft verweisen auf Italien und Frankreich als erfolgreiche Beispiele. Das Gastgewerbe sieht nicht ein, warum es zur Teilnahme an einer aufwendigen Marketingaktion der Bauern zwangsverpflichtet werden muss. Wenn der Werbewert der regionalen Produkte wirklich so durchschlagend ist, müssten sich alle darum reißen, freiwillig dabei zu sein. Die Diskussion hat immerhin gezeigt, dass man auch anderer Meinung sein kann. Apropos: Bei der Kaiserschmarrn-Aktion hat kein einziger gefragt, woher die Eier sind.

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