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Winterwandern in heizbaren Socken?

Print-Ausgabe 8. Februar 2019

Die durch die Schneelage ausgelöste Euphorie gab der Diskussion um die Zukunft des Wintertourismus neuen Schub: Sind die Folgen des Klimawandels wirklich so bedrohlich? In Schneemassen verschüttet, fällt es schwer zu befürchten, dass vielleicht schon im nächsten Jahr Seilbahnen über aperen Pisten still stehen. Ob tatsächlich ein neuer Rekordwinter verzeichnet werden kann, wie es Österreich Werbung und Sportartikelhandel in einer „Halbzeitbilanz“ ankündigten, wird sich zeigen: Ausfälle durch Schneemangel, Sicherheits- und Verkehrsprobleme müssen erst aufgeholt werden.

Es hat lange gedauert, bis der Wintertourismus seinen derzeitigen Stellenwert erreicht hat. Von 1975 an vergingen drei Jahrzehnte, bis der Winter 2005 die Nächtigungszahlen der Sommersaison fast eingeholt und 2010 mit 60 Millionen einen Gleichstand erreicht hatte. Bis 2018 wurde bei den Winternächtigungen ein weiteres Plus von 20 Prozent auf fast 72 Mio. Nächtigungen eingefahren. Dafür wurde kräftig investiert, von der Hotellerie, vor allem aber von der Seilbahnwirtschaft: Ohne die hunderten Millionen für den Ausbau der Leistungsfähigkeit der Aufstiegshilfen und Beschneiungsanlagen wäre der weitere Zuwachs wohl in schneearmen Wintern stecken geblieben.

Im gleichen Zeitraum wuchs der Sommertourismus zwar um fast 30 Prozent auf 77 Mio. Nächtigungen, die im Winter generierten Umsätze liegen aber seit 2005 nach einem Gleichstand bei 10 Mrd. Euro trotz deutlich weniger Nächtigungen permanent um 5 bis 10 Prozent über jenen des Sommers, im Vorjahr mit 14,1 zu 13,3 Mrd. Euro. Über die Wertschöpfung sagen diese Zahlen zwar wenig aus, klar ist jedenfalls, dass Ausfälle im Wintertourismus bedeutend schwerer wiegen als im Sommer.

Niemand kann überzeugend voraussagen, wie sich der Klimawandel auswirken wird. Wir haben voraussichtlich mit unvorhersehbaren Systemschwankungen und Wetterkapriolen zu rechnen, wie wir sie gerade erleben. Zu glauben, dass sich mit einem Verbot von Plastiktrinkhalmen, Wattestäbchen oder Plastiksackerln irgendetwas wirksam bremsen lässt oder freie Fahrt für ein paar Stromautos in Umweltschutzzonen und auf Busspuren die Treibhausgase spürbar reduziert, verlangt die Illusionsbereitschaft einer Nachhaltigkeitsministerin. Dass es der genialen (ernst gemeint!) Technologie noch möglichst lange gelingt, Schneebänder in die karge Landschaft zu legen, deren Benützung zumutbar und erschwinglich ist, kann man auch nur hoffen.

Auch wenn die angelaufene Wintersaison tatsächlich einen neuen Rekord beschert: Das sollte nicht dazu verleiten, die Bemühungen um ein auch unter widrigen Umständen zukunftstaugliches Tourismusangebot zu vernachlässigen, und zwar für den Winter ebenso, wie für den Sommer.

Tatsächlich eröffnen die durch den erfolgreichen Saisonstart sichtbar gewordenen Tendenzen ein paar Lichtblicke: Es sieht so aus, als ob sich die Fixierung des Winterurlaubes auf den alpinen Skilauf langsam lockert und alternative Tätigkeiten aus ihren Nischen herauswachsen. Insbesondere Touren gehen und Winterwandern wird immer populärer, wie auch der Sportartikelhandel feststellt, in dem der Umsatz einschlägiger Produkte ex­plodiert (z. B. heizbare Socken).

Das Problem liegt auf dem Tisch, nicht erst seit heute. Skisport ist international ein Nischenprodukt, zwei Drittel der Wintergäste stellen nur drei Nationen, nämlich Deutschland, Österreich und die Niederlande. Ob es wohl gelingt, aus dem Urlauber-Hoffnungsland China viel mehr als die derzeit 1,6 Prozent auf österreichische Pisten zu locken?
Dass bei der Suche nach neuen Lösungen die Tourismuswissenschaft auslässt, ist frustrierend. Mehr Gehirnschmalz ist nötig, Winterwandern in geheizten Socken wird nicht reichen.

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