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Seit 15 Monaten hat Österreich ein Staatssekretariat für Tourismus und mit Susanne Kraus-Winkler die wohl profundeste Kennerin der Materie als dessen Chefin: Sie war Gründungsgesellschafterin der LOISIUM Wine & Spa Hotels, Aktionärin der Harry’s Home Hotels, Präsidentin des Europäischen Dachverbands der Hotellerie und Gastronomie HOTREC in Brüssel sowie Obfrau des Fachverbands Hotellerie in der WKO.
Exakt ein Jahr nach ihrer Angelobung im damals neu formierten Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (zuvor war das Staatssekretariat noch im Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort angesiedelt), am 18. Juli, traf T.A.I. Susanne Kraus-Winkler zum Gespräch.
T.A.I.: Sie sind seit 15 Monaten im Amt. Wie sieht aus Ihrer Warte die bisherige Zwischenbilanz aus?
Susanne Kraus-Winkler: „Es gab extrem viele Weichenstellungen und sich laufend verändernde Umstände. Beispiele dafür sind die Teuerungen, die Gefahr der Energie-Knappheit, das Hochfahren der Tourismusangebote mit vielen Herausforderungen von Branchenbereichen, weil sich viele Voraussetzungen gegenüber vor der Pandemie geändert hatten, allen voran die Thematik der Mitarbeiter:innen, bis hin zu Zukunftsthemen, wie die Klimaänderungen etc. All das war zu bewältigen, da wir vieles noch nicht abgearbeitet hatten, obwohl es längst erledigt sein hätte müssen. Dazu kommt noch das Thema mit der COFAG, da ist längst noch nicht alles abgewickelt.“
T.A.I.: Sie erwähnten u.a. die drohende Energie-Knappheit. Wie sieht es damit aktuell aus?
Susanne Kraus-Winkler: „Bei diesem Thema versichern die Bundesregierung und der Bundeskanzler, dass durch den Füllstand der Gasspeicher die Dramatik vom Vorjahr nicht mehr gegeben ist. Das Auf und Ab der Energiepreise ist aber noch immer da, weil Ersatzlösungen nicht so schnell geschaffen werden können. Das Thema Energie stellt also eine Herausforderung für den sicheren Weg in die Zukunft dar, aber es besteht keine unmittelbare Gefahr mehr.
T.A.I.: Das Staatssekretariat verfügt über kein eigenes Budget. Welche Mittel stehen Ihnen zur Verfügung und wie steht es um Ihre Zusammenarbeit mit Bundesminister Martin Kocher?
Susanne Kraus-Winkler: „Es gibt im Ministerium ein dem Tourismus zugeordnetes Budget von rund 64 Mio. Euro. Darin enthalten sind die zwei Großpositionen 24,5 Mio. Euro für die gewerbliche Tourismusförderung und 30 Mio. Euro für die Österreich Werbung. Der Rest entfällt auf Fixposten, Studien etc. Wir arbeiten gut mit Minister Kocher zusammen, er kommt ja aus einer Tourismus-Familie, – sein Vater war langjähriger Direktor des TVB Altenmarkt-Zauchensee –, er hat also großes Verständnis für den Tourismus. Das ist auch wichtig, weil ich sehe, dass im Bereich der Tourismuspolitik wichtige aktuelle Weichenstellungen und auch Weichenstellungen für die Zukunft zu treffen sind.“
T.A.I.: Welche sind das konkret?
Susanne Kraus-Winkler: „Es sind extreme Veränderungen in Gang. Was etwa bedeutet ‚Seamless Travel‘ (Anm.d.Red.: bei Seamless Travel können sich Reisende mit ihrem Smartphone ausweisen, ein herkömmlicher Reisepass wird nicht mehr benötigt) konkret für Europa? Arabische Länder beginnen bereits damit elektronische Visa auszustellen. Fakt ist: Je einfacher man wo hinreisen kann, desto mehr Reiseströme gehen dorthin.“
T.A.I.: Wie sieht es Ihrer Einschätzung nach im bevorstehenden Herbst und Winter aus?
Susanne Kraus-Winkler: „Deutschland ist der wichtigste Herkunftsmarkt für Österreich. Ich höre da und dort, dass es einigen Betrieben sehr gut geht, aber auch, dass die Nachfrage in einigen Destinationen im Westen Österreichs sehr zäh ist. Dort gibt es 10 % bis 15 % weniger Aufkommen. Die sich verlangsamende Nachfrage beginnt also, allgemein bewusst zu werden. Wir müssen da sehr wachsam sein.“
T.A.I.: Welche Themen arbeiten Sie derzeit im Staatssekretariat vorrangig ab?
Susanne Kraus-Winkler: „Neben der gewerblichen Tourismusförderung, wo wir demnächst Bilanz ziehen über den eingeschlagenen Weg zur Nachhaltigkeit, haben wir drei große Themen: Digitalisierung, Arbeitsmarkt und Nachhaltigkeit. Wichtig ist es, in all diesen Bereichen die Weichen für die Zukunft zu stellen, trotz und neben dem Lösen der touristischen Alltagsprobleme.“
T.A.I.: Stichwort Digitalisierung: Wie steht es mit dem Vorhaben rund um das digitale Gästeblatt?
Susanne Kraus-Winkler: „Da arbeiten wir an einer schrittweisen Umsetzung. Als erstes geht es um das Bundesbeherbergungsregister, in dem auch alle privaten Vermieter erfasst werden. Bis September wird dazu das Konzept festgelegt. Das Problem: Die Privatvermieter unterliegen komplett der Länderkompetenz. Anfang Oktober soll es deshalb ein Commitment geben, in welcher Form die Länder dieses Konzept mittragen, etwa in der Form, dass alle Bundesländer gleichlautende Konzepte umsetzen. Danach gilt es, zwischen Ländern und Bund den Schnittstellenstandard festzulegen. Fakt ist, dass das Bundesbeherbergungsregister Voraussetzung ist, auf dem man das digitale Meldewesen draufsetzen kann. Mein Wunsch: Im Jahr 2024 soll das Bundesbeherbergungsregister realisiert werden, spätestens dann 2025 das digitale Gästeblatt.“
T.A.I.: Sie erwähnten eingangs die Teuerung. Derzeit verzeichnet Österreich eine der höchsten Inflationsraten der EU und wie aus der Umsatzstatistik hervorgeht, lagen die realen Umsätze im ersten Jahresdrittel unter den Werten von 2019. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Susanne Kraus-Winkler: „Wir haben eine der herausforderndsten Zeiten für unternehmerisches Handeln. Die operativen Ergebnisse werden von der Teuerung weggefressen. Es war aber immer so, dass auf sieben bis zehn gute Jahre drei bis fünf schwierigere folgen. Als Unternehmer muss man deshalb Resilienz zeigen, muss permanent Feinabstimmungen machen, noch intensiveres Controlling betreiben, die Markt- und Preisentwicklung mitverfolgen, alles bezüglich der Kosten hinterfragen und an jeder Schraube der Produktgestaltung drehen. Man kann den Betrieb dadurch aber auch gleichzeitig sehr erfolgreich und fit für die Zukunft machen. Dabei geht es auch um Fragen, welche Investitionen sind notwendig und welche kann bzw. muss man derzeit zeitlich verschieben.“
T.A.I.: Also weniger investieren?
Susanne Kraus-Winkler: „Da besteht folgende Problematik: Gestiegene Zinsen bedeuten mehr Aufwand für die Betriebe. Die Bewertungen der Banken erfolgen nach dem Ertragswert und da die Diskontierung- und Kapitalisierungszinssätze gestiegen sind, fallen darüber hinaus auch noch die Unternehmenswerte. Das macht es schwierig bezüglich Hinterlegung mit Garantien. Für Unternehmer:innen ist es also wichtig zu überlegen, wie sie finanziert sind. Wir hatten jetzt Jahre mit steigender Nachfrage und niedrigen Zinsen. Da wird sich jetzt viel verändern. Kluges unternehmerisches Agieren ist also gefragt, man muss in solchen Zeiten das Beste aus der Situation machen.“
T.A.I.: Wie schätzen Sie das restliche Jahr 2023 ein?
Susanne Kraus-Winkler: „Im Ferientourismus muss man die Buchungen für Herbst und Winter genau beobachten. Im Seminartourismus auch. Wir sehen, dass die Firmen derzeit eher vorsichtig mit ihrer Planung für den Herbst geworden sind. Fest steht, dass jene, die einen hohen Stammgästeanteil haben, voraussichtlich einen guten Herbst erleben werden. Die Frage ist, wie sich die Zweit- und Dritturlaube heuer entwickeln werden. Für den Winter denken wir, dass dieser wieder sehr gut wird. Die große Frage ist hier: Wie begegnen wir dem Winter-Bashing vom Vorjahr, wie reagieren wird bei weniger Schnee in niedrigeren Regionen?“
T.A.I.: Gibt es dazu bereits Strategien?
Susanne Kraus-Winkler: „Ja, wir arbeiten intensiv mit der Österreich Werbung und den LTOs (Landestourismus Organisationen) daran, wie man die Kommunikation verbessert. Früher ging es nur ums Marketing nach dem Motto ‚Kommen Sie zu uns, es ist schön‘. Jetzt geht es darum, zu zeigen, was wir alles nachhaltig und touristisch Richtiges tun. Fest steht, dass wir in Österreich in bestimmten Gebieten weit voraus sind, wir haben europa- und weltweit eines der nachhaltigsten Ski-Angebote. Wir brauchen, um das zu kommunizieren und voranzutreiben, ganz stark die LTOs und die Tourismusverbände sowie Kooperationen mit Verbänden wie dem BÖTM. Sie sind die wichtigsten Schnittstellen für alle Nachhaltigkeitsbemühungen und auch wenn es um Lösungen rund um das wichtige und sehr herausfordernde Thema Mobilität geht.“
Erstellt am: 20. Juli 2023
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