Print-Ausgabe 8. März 2019
Fordert die Umsetzung des „3plus2“-Modells: OÖ Landesrat für Umwelt und Integration Rudi Anschober
Mehr als 10 Prozent (!) aller Koch-Lehrlinge Österreichs sind AsylwerberInnen, die von Abschiebung bedroht sind – die Petition „Ausbildung statt Abschiebung“ will dies ändern
An der unbefriedigenden Situation rund um AsylwerberInnen, die hierzulande mit Erfolg eine Lehrausbildung absolvieren, hat sich bislang nichts geändert. T.A.I. berichtete in der vorigen Ausgabe über das Thema am konkreten Beispiel von drei Spitzen-Hotelbetrieben und sieben betroffenen Lehrlingen. Politische Unterstützung für deren Anliegen kommt vor allem von Oberösterreichs Umwelt- und Integrations-Landesrat Rudi Anschober (GRÜNE). Bereits im Herbst 2017 hatte er in einer gemeinsamen Konferenz mit den Integrations-LandesrätInnen aller Bundesländer per einstimmig gefasstem Beschluss den Innenminister aufgefordert, die Integrationsleistung bei Asylwerbenden in den Verfahren zu berücksichtigen. T.A.I. bat ihn aus aktuellem Anlass um ein Interview.
T.A.I.: Konnten Sie seit dem Vorjahr bezüglich der von der Abschiebung bedrohten Lehrlinge etwas bewegen?
Anschober: „Wir haben zweierlei erreicht: Erstens ist das Thema sichtbar geworden. Und zweitens gibt es eine breite Allianz quer durch die Bevölkerung, die die Betroffenen mittlerweile unterstützt, auch im Rahmen der Asylverfahren. Darunter großartige Chefs, die vielfach sogar zum Asylverfahren als Zeuge mitfahren. Dadurch konnten in Einzelfällen positive Bescheide erreicht werden.“
T.A.I.: Das klingt ja erfreulich …
Anschober: „Ist es aber nicht, denn in der Sache selbst bunkert sich die Bundesregierung im Widerspruch zur breiten Mehrheit der Bevölkerung ein und verweigert das Gespräch. Mehr noch: Im September 2018 hat sie, entgegen ihrer Versprechungen, die Abschiebungen von AsylwerberInnen in der Lehre nicht gestoppt und gleichzeitig den Zugang zur Lehre in Mangelberufen endgültig geschlossen. Nach Ansicht vieler RechtsexpertInnen ist dieses Versperren des Zugangs zur Lehre europarechtswidrig – zumindest bei einem Teil der Betroffenen. Es braucht jetzt eine Lösung der Menschlichkeit und der wirtschaftlichen Vernunft, die den Zugang zur Lehre wieder ermöglicht und Abschiebung während der Lehre beendet. Bei politischer Bereitschaft könnte sie in kürzester Zeit verwirklicht werden.“
T.A.I.: Wie realistisch ist so eine Lösung?
Anschober: „Leider wird bis zum heutigen Tag seit einem Jahr mein vielmaliges Ersuchen um ein Lösungsgespräch verweigert. Das Kuriose ist: Einzelne Bundesländer wie etwa Oberösterreich investieren Millionen, um potenzielle Fachkräfte international anzuwerben – alleine in Oberösterreich werden laut offizieller Prognose im Jahr 2030 fast 130.000 Fachkräfte fehlen, ein dramatisches Standortproblem mit verheerenden Folgen – und gleichzeitig wirft man erfolgreiche Lehrlinge aus dem Land.“
T.A.I.: Gibt es aktuelle Statistiken über Asylwerbende in der Lehre?
Anschober: „Ja. Im Jänner befanden sich bundesweit 1.043 AslywerberInnen als Lehrlinge mit Beschäftigungsbewilligungen in Ausbildung, davon die Hälfte im Tourismus. 320 befinden sich in einer Koch/Köchin-Lehre (Anm.d.Red: Das sind mehr als 10 Prozent aller bundesweit in Ausbildung stehenden Koch-Lehrlinge!), 122 werden als Restaurantfachmann/-frau ausgebildet, 64 als Gastronomiefachmann/-frau und 11 zu Hotel- und GastgewerbeassistentInnen. Die meisten touristischen AsylwerberInnen in der Lehre gibt es in Salzburg, vor Oberösterreich, Tirol und der Steiermark.“
T.A.I.: Was konkret werden Sie unternehmen, um vielleicht doch noch ein Umdenken in der Bundesregierung zu bewirken?
Anschober: „Anfang Februar habe ich einen Offenen Brief unter dem Titel ‚Ausbildung statt Abschiebung‘ an Bundeskanzler und Innenminister gestartet, der mittlerweile von 30.000 Menschen unterstützt wird. Weiters unterstützen knapp 70.000 unsere Online-Petition, 119 Gemeinden mit zusammen 2,8 Millionen EinwohnerInnen haben Unterstützungsbeschlüsse gefasst, 1.237 Unternehmen tragen die Initiative mit und über 100 Prominente unterstützen die Forderungen von ‚Ausbildung statt Abschiebung‘, darunter auch der ehemalige Landeshauptmann von Niederösterreich Erwin Pröll.“
T.A.I.: Was ist das konkrete Ziel, das Sie mit der Petition erreichen wollen?
Anschober: „Ziel der Petition ‚Ausbildung statt Abschiebung‘ ist es, das deutsche Modell ‚3plus2‘ umzusetzen (Anm.d.Red.: Auch die ÖHV favorisiert dieses Modell). Dieses sieht vor, dass Lehrlinge während ihrer meist dreijährigen Ausbildung und den ersten beiden vollen Arbeitsjahren nicht abgeschoben werden. Das Asylverfahren läuft dabei weiter, das Modell bewirkt eine Duldung der Betroffenen und damit Sicherheit für die Ausbildung und die ersten beiden Arbeitsjahre.“
Erstellt am: 08. März 2019
Foto: © Rudi Anschober
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