ANA
Nachhaltige Luftfahrt

Weiter Weg bis zu „Net Zero“! 2030 gilt als ein wichtiger Zwischenschritt

Print-Ausgabe 14. März 2024

Julian Jäger (l.), Günther Ofner (2.v.l.) und Willie Walsh wünschen sich ein möglichst schnelles Erreichen des „Net Zero“-Ziels

Die Marschrichtung scheint zu stimmen – die EU geht mit ihrer „ReFuelEU Aviation Initiative“ voran – unter den Flughäfen nimmt Wien eine Top-Position ein

Der globalen Luftfahrtbranche werden rund 2,5 bis 2,8 % des von Menschen verursachten CO2-Ausstoßes zugerechnet. Ihn zu senken, dazu haben sich vor drei Jahren die 320 Mitglieder der IATA (International Air Transport Association) – sie vereinen rund 83 % des weltweiten Flugvolumens auf sich – laut Generaldirektor Willie Walsh verpflichtet. Ziel ist es, unter dem Motto „Fly Net Zero by 2050“ bis zu diesem Jahr die Emissionen auf null zu reduzieren. Zwei große Hürden gilt es dabei zu meistern. Die eine liegt im enormen Wachstum der Luftfahrt, das zwischen 2023 und 2040 im Durchschnitt weltweit bei rund 4,2 % pro Jahr liegen dürfte. Damit würde sich das Gesamtvolumen auf 7,8 Mrd. Passagiere im Jahr 2024 erhöhen (2019 waren es rund 4,5 Mrd.). Die andere Hürde besteht darin, dass der Flugverkehr bislang auf fossile Brennstoffe (Kerosin) angewiesen ist und die „grüne Luftfahrt“ damit noch in weiter Ferne liegt. Die IATA hat deshalb vier Säulen definiert, die für die Entwicklung einer nachhaltigeren Luftfahrt entscheidend sind: Technologie, Operations, Infrastruktur sowie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

SAF, Wasserstoff und Elektro

Im Bereich der Technologie dreht sich vieles um die Entwicklung nachhaltiger Flugzeugtreibstoffe (SAF – Sustainable Aviation Fuel). Nach Angaben der IATA sollen nachhaltige Flugkraftstoffe einen Beitrag von 65 % leisten, um bis 2050 einen Netto-CO2-Ausstoß von null zu erreichen. Das Problem: SAF wird nicht in annähernd gefordertem Ausmaß produziert. Im Vorjahr erreichte der SAF-Anteil weniger als 0,1 % aller verbrauchten Flugkraftstoffe. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass die Produktionskapazitäten 2027 nur 1 bis 2 % des Flugtreibstoffbedarfs decken werden.

Einige Carrier haben allerdings bereits Erfahrung mit der Mischung aus Kerosin und Biokraftstoff gesammelt, wie Qantas, United, Virgin und Alaska Airlines. Sie führten bislang mehr als 170.000 derartige kommerzielle Flüge durch. Die CO2-Reduktionsrate durch Biokraftstoffe ist jedenfalls enorm: Sie wird mit bis zu 80 % im Vergleich zum derzeit verwendeten herkömmlichen Kerosin angegeben.

Ebenso wurden zuletzt große Fortschritte bei der Produktion von Flugzeugen mit Elektro- und Wasserstoffantrieb erzielt. Airbus will bis 2035 ein Wasserstoff-Passagierflugzeug mit 100 Sitzplätzen auf den Markt bringen und das in Stuttgart beheimatete Start-up H2Fly plant ab 2029 einen mit Wasserstoff betriebenen Dornier DO328 (40 Sitze) zum Verkauf anzubieten (Testflüge werden ab 2025 unternommen).

Bei den Operations dreht sich viel um eine Verringerung des CO2-Ausstosses durch eine bessere Flugplanung, Maßnahmen zur Reduzierung des Gewichts, Verbesserungen bei der Navigation, Vermeidung von Flugverspätungen oder die Suche nach direkteren Routen. Auch die Änderung von Flugzielen und -zeiten ist im Gespräch. Fest steht, dass Airlines durch die Analyse von Faktoren, wie Windmuster oder Flugverkehr, für jeden Flug die treibstoffeffizientesten Routen ermitteln und so sowohl Emissionen als auch Kosten reduzieren können.

VIE als Vorreiter bei „Net Zero“

Bezüglich Infrastruktur sind die Airports gefordert. Der Flughafen Wien mit den beiden Vorständen Günther Ofner und Julian Jäger führt bereits seit 2023 seinen Betrieb als einer der ersten Airports weltweit komplett klimaneutral (u. a. größte Photovoltaikanlage Österreichs, CO2-neutrale Fernwärmeversorgung, industrielle Abwärmenutzung, intelligentes Gebäudemanagement, E-Mobilität etc.). Dadurch wurden zuletzt rund 60.000 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart. Bis 2033 will der Vienna International Airport sogar „Net Zero“ werden.

Der Flughafen München möchte dieses Ziel bis 2035 erreichen. Alle Emissionen, die der Franz-Josef-Strauß-Airport selbst beeinflussen kann, müssen dazu um mindestens 90 % reduziert werden. Die verbleibenden 10 % sollen „mit geeigneten Projekten aktiv und dauerhaft wieder aus der Atmosphäre entfernt werden“, betont der Vorsitzende der Geschäftsführung Jost Lammers. Insgesamt haben 128 Flughäfen Europas (fast 50 % aller Airport Council International Europe-Mitglieder) als Zieldatum 2030 oder früher angegeben, um den Status von „Net Zero“ zu erreichen. Zusammengenommen machen diese Airports 23,8 % des europäischen Flugverkehrs aus.

Bleiben als vierte Säule die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Hier geht es u. a. um das heikle Thema Steuern. Auch wenn diese zu steigenden Ticketpreisen führen, spielen sie eine wichtige Rolle bei der Reduzierung der CO2-Emissionen in der Luftfahrt. Der Balanceakt, der diesbezüglich auf Regierungen zukommt, ist aber nicht von schlechten Eltern. Die Europäische Union hat sich diesbezüglich mit ihrer im Vorjahr abgesegneten „ReFuelEU Aviation Initiative“ als Teil des „Fit-for-55-Pakets“ weit herausgelehnt. Demnach sollen die Treibhausgasemissionen ihrer 27 Mitglieder bis 2030 um mindestens 55 % im Vergleich zu 1990 reduziert werden.

Um das zu erreichen, wurden die EU-Flughäfen und -Treibstofflieferanten verpflichtet, dass ab 2025 mindestens 2 % der Flugtreibstoffe umweltfreundlich sind. Fünf Jahre später sollen es bereits 6 % sein (der Kraftstoffmix mit Beimischung synthetischer Kraftstoffe, wie E-Kerosin, soll dann bei 1,2 % liegen) und im Jahr 2035 rund 20 % (Kraftstoffmix 5 %). Auch die weiteren Schritte sind festgelegt: 34 % sollen 2040 erreicht werden, 42 % fünf Jahre später, um 2050 dann das Ziel von 70 % (Kraftstoffmix 35 %) umweltfreundlicher Flugkraftstoffe zu erreichen.

Die europäische Luftverkehrskontroll-Behörde Eurocontrol schätzt, dass bei Umsetzung dieses Planes im Jahr 2030 rund 4,6 % der beabsichtigten CO2-Senkung durch SAF bewirkt werden, für 2,1 % sorgen Flotten-Erneuerungen (die Boeing 787 „Dreamliner“, auf den die Austrian Airlines Langstreckenflotte umgestellt wird, und der Airbus A350 bieten eine bis zu 25 % höhere Treibstoffeffizienz als ihre Vorgänger). Rund 10,6 % sollen Verbesserungen im Air Traffic Management (ATM) bzw. bei den Operations beisteuern. Den Löwenanteil von 82,8 % sollen aber Maßnahmen beisteuern, die vom EU-Emissions Trading System“ (ETS) bzw. dem „Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation“ (CORSIA) der ICAO (International Civil Aviation Organization) ausgehen.

T.A.I. wird in einer der kommenden Ausgaben Initiativen von fünf Airlines vorstellen – von Investitionen in treibstoffeffiziente Flugzeuge bis hin zur Umsetzung nachhaltiger Lieferketten – die beispielgebend für die Reduzierung der CO2-Emissionen sind.

Interessant sind ergänzend dazu folgende weiterführende Berichte:

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