ANA
Nachtzugverkehr

Sind sie wirtschaftlich oder nicht? TANA soll darauf Antworten liefern

Print-Ausgabe 15. September 2023

Andreas Matthä möchte die Zahl der Nightjet-Fahrgäste bis 2030 auf 3 Mio. pro Jahr erhöhen (Foto: © ÖBB/Marek Knopp)

Bis Mitte 2024 soll feststehen, wie das Nachtzuggeschäft auch ökonomisch auf solide Beine gestellt werden kann – fest steht, dass es seine Vorteile hat

Sie gelten als Marktführer im Nachtzuggeschäft in Europa und wollen das auch bleiben: die ÖBB (Österreichische Bundesbahnen). So wurden während der Pandemie zusätzlich zu den 13 bereits 2019 bei Siemens bestellten Zügen weitere 20 Garnituren geordert. Die Auslieferung der ersten Garnituren startet im Dezember 2023, womit eine neue Ära des Nachtzugverkehrs beginnt. ÖBB-Vorstandsvorsitzender Andreas Matthä möchte die Fahrgastzahlen im Nightjet-­Verkehr bis 2030 von 1,5 auf 3 Mio. pro Jahr verdoppeln und das durchaus auch auf internationalem Boden: So startet zum nächsten großen Fahrplanwechsel mit 11. Dezember 2023 als Highlight die Nightjet­-Verbindung Berlin–­Paris (zunächst dreimal wöchentlich, ab Herbst 2024 täglich), mit der Deutschen Bahn (DB) als Kooperationspartner.

„Mit der Paris-Route lebt eine traditionsreiche Verbindung wieder auf“, so Matthä auf einer Pressekonferenz Anfang September in Berlin. Geführt wird die Verbin­dung in den bis zu 230 km/h schnellen Nightjets über Strasbourg. Es gibt auch eine Wagengruppe, die von Berlin über Köln nach Brüssel unter­wegs ist.

Kooperationspartner der ÖBB bei den Nachtzügen sind – neben Italiens Trenitalia – auch die eidgenössischen SBB (Schweizerische Bundesbahnen). Die gemeinsam angebotenen Nightjet-Strecken waren diesen Sommer gut gebucht, sie gelten als einer der Bausteine für die Mobilitätswende und sie treffen den Nerv der Zeit. Doch die Bilanz ist zwiespältig und die Nightjets gelten als Nischengeschäft. So beförderten die ÖBB im Fernverkehr 2022 rund 42 Mio. Fahrgäste, von denen 3,6 % mit den Nachtzügen reisten.

Eingesetzt werden können Nightjets – wie aus dem Namen bereits hervorgeht – ausschließlich nachts. Die Betten, Liegen und Sitze für 250 Passagiere pro Garnitur (jede besteht aus zwei Sitzwagen, drei Liege- sowie zwei Schlafwagen) lassen sich deshalb innerhalb von 24 Stunden nur einmal verkaufen. Während des Tages stehen die Züge ungenützt am Abstellgleis. Nightjets werden aus diesem Grunde niemals zu Massenverkehrsmitteln avancieren.

Mit dem Projekt TANA (Tag-/Nachtzug), das im Juni 2022 gestartet wurde und noch bis Mitte 2024 läuft, werden deshalb jene Bedingungen abgetestet, mit denen der Nachtzugverkehr auch wirtschaftlich abgewickelt werden kann. Derzeit gilt er ÖBB-Aussagen zufolge als bestenfalls kostendeckend und laut TANA müssen viele Nachtreise­züge bezuschusst werden.

Wobei eines feststehen dürfte: Nachtreisezüge können im Vergleich zum Flugverkehr die Fläche besser erschließen. Während Flüge im Regelfall Punkt-zu-Punkt-Verbindungen zwischen größeren Städten sind, können Nachtzüge bei einer geeigneten Einsatzplanung umsteigefreie Verbindungen auch im Vor- und Nachlauf anbieten. Darüber hinaus gibt es Konzepte für Hochgeschwindigkeits-Nachtreisezüge in Europa, die Entfernungen von bis zu 2.000 km in attraktiven Reise­zeiten ermöglichen.

Das TANA-Projekt wird durch das österreichische Klimaschutz-­Ministerium finanziert. Mit ein­gebunden sind u. a. die Fachhochschule St. Pölten, die Zürcher Hoch­schule für angewandte Wissen­schaften (ZHAW), die Aston University Birming­ham und Siemens Mobility. Für Thomas Sauter, Professor an der ZHAW, lassen sich „unter den herrschenden Umständen Nachtzüge nicht rentabel betreiben“.

Die Ideen rund um TANA reichen deshalb von Kombi-Tickets für Zug und Flug (eine Strecke mit Nachtzug, eine mit dem Flugzeug) bis hin zum Einsatz auch untertags. International gibt es einige Beispiele dafür (vor allem touristisch genutzte Verbindungen, die mehrtägige Routen anbieten), aber dies setzt voraus, dass sich die Abteile flexibel nutzen lassen, also sowohl die Möglichkeit zum Schlafen als auch zum Sitzen bieten. Dem stehen allerdings die anspruchsvoll ausgestatteten Schlafabteile der Nightjets entgegen, die u. a. auch über eingebaute Duschen verfügen. Sie lassen sich dadurch nicht mit wenigen Handgriffen für den Einsatz im Tagesverkehr umwandeln.

Wobei die Nightjets nicht das einzige Angebot an Nachtreisezügen der ÖBB darstellen. So werden in Kooperation mit Partnerbahnen wie der kroatischen HŽ (Hrvatske željeznice), der tschechischen ČD (České dráhy), den ungarischen MÁV (Magyar Államvasutak), den polnischen PKP (Polskie Linie­ Kolejowe), der slowakischen Bahn ŽSSK (Žeľezničná spoločnosť Slovensko) und den schwedischen SJ (Statens Järnvägar) zusätzlich unter der Bezeichnung EuroNight-­Züge verschiedene Nachtverbindungen in Europa angeboten.

Zurück zum TANA-Projekt: Es soll am Ende klar aufzeigen, ob und unter welchen Voraussetzungen Nachtzüge entwickelt und in Verkehr gesetzt werden können, die auch für den Einsatz im Tages­verkehr unter Berücksichtigung der engen ökonomischen Rahmenbedingen geeignet sind. Ziel ist es, ein Gesamtsystem zu entwerfen, das neben konkreten Ausstattungsmerkmalen der Fahrzeuge geeignete Einsatzszenarien, teilweise heruntergebrochen auf Einsatzstrecken, aufzeigt. Wichtig ist es dabei, für die Nightjets und EuroNights die Wirtschaftlichkeit zu erreichen. Am Ende werden sie daran gemessen.

Interessant sind ergänzend dazu folgende weiterführende Berichte:
ÖBB (Österreichische Bundesbahnen)

Historische Premiere: Erst-Durchfahrt durch den Koralmtunnel! Ab Dezember 2025 im Railjet

21. Februar 2022 | Bus/Bahn/Mietwagen
ÖBB (Österreichische Bundesbahnen)

Vom Himmel über die Erste auf Schienen! Peter N. Thier startet 2022 bei den ÖBB

16. Dezember 2021 | Bus/Bahn/Mietwagen

Kommentar schreiben

Bitte die Netiquette einhalten. * Pflichtfelder

Nach oben