Zollfreie Gedanken

Größer, weiter, teurer

Print-Ausgabe 8. April 2016

Nicht zuletzt wegen eines geschenkten zusätzlichen Tages freut sich Österreichs Tourismuswirtschaft über Nächtigungs- und Ankunftssteigerungen in der Wintersaison. Dazu hat die Seilbahnwirtschaft einen erheblichen Beitrag geleistet, indem sie trotz eklatanten Schneemangels zu Weihnachten bestens beschneite und gepflegte Pisten ausbreitete. Ihre Investitionsfreude scheint ungebrochen, dabei stehen Komfortverbesserungen und technologische Aufrüstung zwecks Glättung klimatischer Schwankungen an vorderster Stelle. Weitere Expansionen müssten eigentlich in die schneereichen Höhen gehen, doch lassen natürliche und gesetzliche Beschränkungen diese Richtung nicht zu. Also geht es in die Breite: Fast täglich hören wir von weiteren großräumigen Zusammenschlüssen und von neuen Rekorden bei den damit angebotenen Pistenkilometern. Dafür gibt es betriebswirtschaftliche Gründe, aber auch Wünsche seitens des Publikums. „Der Gast will viele Pistenkilometer, das wissen wir aus zahlreichen Umfragen“ – so ein Seilbahnmanager in einem Zeitungsinterview. Und weiter: „Ob er sie nutzt oder nicht, ist ein anderes Thema“.

Unwillkürlich kommt dem Betrachter bei dieser Aussage der Boom bei Hotelhallenbädern in den 70iger- und 80iger-Jahren des vorigen Jahrhunderts in den Sinn. Die Badeanlagen konnten nicht groß und luxuriös genug sein, was sich verheerend in den Bilanzen niederschlug. Zumal die Gäste bei der Buchung zwar immer nach dem Hallenbad fragten, es während ihres Aufenthaltes dann meist nur selten benützten und so gut wie gar nicht dazu bereit waren, einen angemessenen Aufpreis dafür in Kauf zu nehmen. Was letztlich alle Anbieter haben müssen(oder glauben haben zu müssen) wird eben als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt und nur dann zum Grund, nicht zu buchen, wenn es fehlt.

Selbstverständlich ist die Nachfrage nach Hotelaufenthalten vor 30 Jahren nicht eins zu eins mit der nach Liftverbindungen im Jahr 2016 zu vergleichen. Eines dürfte sich allerdings seit damals eher zu Ungunsten der Anbieter verändert haben: Die Gäste rechnen heute noch viel genauer nach, ob sie auch genug für ihr gutes Geld bekommen. Ob sie also die vielen Kilometer Abfahrt tatsächlich konsumieren können, die sie mit ihrer Tages- oder Wochenkarte bezahlen. Ein Bruchteil der für die großen Zusammenschlüsse ausgegebenen zig Millionen wäre daher für die Einführung intelligenter Preissteuerungsmaßnahmen samt begleitenden PR-Aktivitäten gut angelegt. Ebenso dafür, kleine, in sich abgeschlossene Skigebiete nicht einfach anzukaufen und stillzulegen, sondern im Gegenteil vorsichtig zu modernisieren und weiter zu erhalten. Denn dort, wo Anfänger, egal ob Einheimische oder Gäste, ihre ersten Bögen probieren, wachsen jene Skifans heran, die später einmal die ganz großen Skiarenen bevölkern werden.

Helmut Zolles

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