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Zollfreie Gedanken

Berge, Seen und Wiener Schnitzel

Print-Ausgabe 26. Februar 2016

In theologischer Sicht ist der Stolz die schlimmste aller sieben Todsünden. Trotzdem: Manchmal tut es schon gut, auf etwas aus vollem Herzen und ganz ohne Arroganz stolz sein zu können. Herr und Frau Österreicher sind das laut einer jüngsten IMAS-Studie zum Beispiel auf den Stephansdom, die schöne Landschaft, das Wiener Schnitzel und neuerdings auch auf die Fußballnationalmannschaft. Das ist freilich nur die Innensicht, doch auch in der Sicht von außen stellt es sich ganz offensichtlich ähnlich dar: Der milliardenschwere Käufer des Hotels Imperial in Wien, Herr Al Habtoor aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, führt als Gründe für sein Investment in erster Linie keineswegs hohe zu erwartende Gewinne an, er schwärmt vielmehr von der Pracht des Hauses, der Schönheit der Stadt sowie von der Freundlichkeit und dem respektvollen Benehmen ihrer Einwohner.

Der touristische Part der Marke Österreich glänzt also nach wie vor mit unveränderter Strahlkraft. Leistungen der übrigen Wirtschaft, der Wissenschaft oder der Gegenwartskunst scheinen es hingegen noch immer nicht so richtig in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit gebracht zu haben. Schade, denn auch auf diesen Gebieten hat Österreich Beachtliches aufzuweisen, was aber bis jetzt nur in einschlägigen Fachkreisen bekannt sein dürfte. Da würde wohl erst ein Nobelpreis in Medizin oder Physik einen Umschwung einleiten. Der neue Name auf der Liste der Nobelpreisträger in der Aula der Universität Wien wäre dann ein weiterer Grund, mit voller Berechtigung auf Österreich stolz zu sein. In einer sich rasch globalisierenden Welt wird es nämlich in Zukunft nicht genügen, nur Welterfolge der Vergangenheit wie die Walzer von Strauß oder die Symphonien von Mozart zu präsentieren. Da sind konkrete Zukunftsvisionen gefragt, die – oft nur in Zusammenarbeit mit ähnlich denkenden Partnerländern – umgesetzt werden. Wobei der Tourismus durchaus davon profitieren kann, selbst wenn in erster Linie gar nicht an ihn gedacht wird. So hat der Main-Donau Kanal dem Frachtverkehr zu Wasser, für den er ursprünglich eigentlich gebaut wurde, nur wenig Belebung gebracht, dem Kreuzfahrttourismus auf der Donau aber einen geradezu explosionsartigen Boom beschert. Das könnte auch bei dem von China betriebenen Projekt der Neuen Seidenstraße der Fall sein, die entlang der alten Karawanen-Route aus dem Herzen Asiens in die Mitte Europas ein gigantisches Netzwerk für Energie, Warentransporte und Investitionen entstehen lassen soll. Österreich hat sich bereits zusammen mit 56 anderen Ländern an der dafür installierten Investitionsbank als Gründungsmitglied beteiligt. Gut so. Denn wer auch in Zukunft sein Schnitzel in Ruhe genießen möchte, muss dabei immer wieder einmal über den Tellerrand hinausschauen.

Helmut Zolles

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