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Razzien mit Unternehmern im Visier

Print-Ausgabe 7. April 2017

Wenn eine Truppe von über zehn „Einsatzkräften“ zu später Stunde von Lokal zu Lokal zieht, Hinterausgänge besetzt und durch die Vordertüre einfällt, Mitarbeiter und Gäste perlustriert und die Inhaber einem hochnotpeinlichen Verhör unterzieht – was denkt sich da ein unbefangener Beobachter? Eine konzertierte Großaktion gegen das organisierte Verbrechen, Jagd auf Drogenhändler, Schutzgelderpresser und ähnliches kriminelles Gelichter, wie es uns in TV-Tatorten präsentiert wird. Aber so kann man sich irren: Die monatliche Welle von Razzien in Wien hat nicht legitimierte Verbrecher im Visier, sondern Unternehmer. Und wenn sich diese schon auf Grund der Zusammensetzung und des martialischen Auftritts der Truppe in genau diese Ecke gestellt fühlen, haben sie die Situation – was sonst – natürlich total missverstanden: Das Ziel ist lediglich, Schwarzarbeiter, illegale Einwanderer und Steuersünder aufzuspüren. Keine Kavaliersdelikte, aber auch keine Verbrechen, die einen derart massiven Einsatz der Staatsgewalt rechtfertigen könnten.

Repressalien befürchtet


Dass es solche Aktionen gibt, ist lange bekannt, erreichte aber kaum eine breitere Öffentlichkeit, weil sich die betroffenen Unternehmer nicht exponieren wollen, aus Angst vor Repressalien der Behörde – völlig unbegründet, selbstverständlich.
Diesmal ist die Situation anders: Der Wunsch nach Öffentlichkeit ging offensichtlich vom Veranstalter der Razzien aus, denn ein Reporter der Tageszeitung „Kurier“ begleitete das Team auf seiner Tour. Das Team besteht aus fünf (!) uniformierten und bewaffneten Polizisten, drei Kriminalbeamten in Zivil, einem Finanzbeamten und zwei Prüferinnen der Krankenkasse – übrigens wie die Polizisten mit schwarzen Einsatzjacken und der roten Rückenaufschrift „WGKK“ ausgestattet. Wenn Einschüchtern das Ziel ist, ein perfektes Setup.

Erfunden hat diese „gemischte Truppe“ bereits 2004 ein Gruppenleiter der WGKK, Michael H., und wenn man das zufriedene Lächeln nicht völlig missdeutet, mit dem er aus dem Zeitungsbericht strahlt, dann ist er stolz darauf. Sein Partner ist Peter A., Chef einer Bezirkspolizeiinspektion. Auch wenn dem „eingespielten Team“ im Bericht bescheinigt wird, dass es offensichtlich „seinen Job gerne macht“, muss man davon ausgehen, dass die beiden Herren nicht einem Hobby frönen, sondern auf einer entsprechenden Rechtsgrundlage agieren. Gerade deshalb sollten die dafür verantwortlichen Politiker darüber nachdenken, ob es für einen demokratischen Staat eine zumutbare Art ist, so mit seinen Bürgern umzugehen. Umso mehr, als das Ergebnis mager ist: Laut Bericht brachte der Razziaabend einen (noch) nicht angemeldeten Koch, einen chinesischen Geschäftsführer ohne Aufenthaltsgenehmigung und einen Speisenzusteller mit unklarer Betriebszugehörigkeit.


In der Truppe hat der Vertreter einer Behörde gefehlt, die auch überfallartig aufzutreten pflegt: Das Arbeitsinspektorat. Seine häufig als schikanös empfundene Vorgangsweise wird seit langem seitens des Gastgewerbes mit grotesken Praxisbeispielen angeprangert. Schlagzeilen machte kürzlich eine Beautysalonbetreiberin mit dem „Wut Posting“, das Arbeitsinspektorat habe von ihr den Einbau eines Fensters in einen Behandlungsraum verlangt, das zwar den Blick ins Freie für die Mitarbeiterinnen ermöglichen würde, aber auch die freie Sicht von außen auf eher intime Enthaarungsprozeduren („Waxing“) im Inneren. Wirtschaftsminister Mitterlehner nutzte den medienwirksamen Fall als PR-Vehikel für die Einberufung eines Arbeitnehmerschutz-Gipfels. Und er brachte tatsächlich Bewegung in die Sache: Nach der Aussprache waren sich alle, auch ÖGB Präsident Foglar und Sozialminister Stöger, einig, dass eine Neuordnung der völlig unübersichtlichen und widersprüchlichen Materie notwendig sei.


Vida: Verstöße ins Strafrecht


Nur der Vida-Vorsitzende Roman
Hebenstreit sieht das anders: Die Kritik am Arbeitsinspektorat brachte ihn so in Rage, dass er dem Minister eine „Verhöhnung“ der 73 Opfer von tödlichen Arbeitsunfällen vorwarf und ihn fragte, ob er künftig deren Familien die Todesnachrichten überbringen würde. Er wünschte sich, dass Verstöße gegen Arbeitszeitaufzeichnungen und Miss-
achtung des Arbeitnehmerschutzes strafrechtlich verfolgt und in einem Aufwaschen auch gleich die Bundesländer abgeschafft werden. Auf die Suche nach einer auf diese Entgleisung passende Qualifikation ohne Ehrenbeleidigung sei an dieser Stelle verzichtet.

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