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Nicht mehr als ein Grüssaugust

Print-Ausgabe 25. März 2016

Von über 6.000 weltweit befragten Reisenden erwarten 80 Prozent, dass bis 2020 Roboter in ihrem Leben eine große Rolle spielen werden, zwei Drittel glauben, dass dies ihr Leben maßgeblich verbessern wird und 72 Prozent haben nichts dagegen, dass Roboter in der Reisebranche eingesetzt werden. Dieses doch etwas überraschende Ergebnis einer „globalen Studie“ präsentierte der Europachef der internationalen Reiseplattform Travelzoo Richard Singer beim ITB-Kongress in Berlin, wo die künftige Rolle von Robotern immerhin ein Schwerpunktthema war. Roboter und „künstliche Intelligenz“ feiern ihr Debut im Tourismus, die Reisebranche erlebe einen „Umbruch“. Prof. Stephen Page von der amerikanischen Bournemouth University sieht im Einsatz von Robotern eine besonders große Innovation für den Tourismus, die zu einer „neuen Definition“ der Reisebranche und entsprechender Verbesserung der Reiseerlebnisse führen würde. Auch die Folgen kamen zur Sprache: Ein Großteil der „menschlichen“ Arbeitsplätze im Servicebereich – bis zu zwei Drittel – gehen den Menschen verloren.

Wo sind die Revolutionäre?

Wenn tatsächlich eine Revolution droht, drängt sich die Frage auf: Wo sind eigentlich die Revolutionäre? Wer hat schon einen Roboter im Hotel gesehen? Bei der ITB hatten sie natürlich ihren Auftritt. So war ein Info-Counter am Empfang mit dem von Toshiba produzierten Hotelroboter Chihira Kanae besetzt, in Gestalt einer hübschen Messehostess, die Fragen beantwortete – sofern sie einprogrammiert waren. Von den Messebesuchern „ins Herz geschlossen“ wurden die „knuddeligen“, knapp über einen Meter großen IBM-Roboter „Pepper“, die Auskünfte in 20 Sprachen erteilen und allerlei Kunststücke beherrschen. Sie werden versuchsweise in Hotels von Marriot in Gent und Hilton in McLean (USA) eingesetzt und informieren Gäste über Attraktio-
nen und Serviceangebote. Zwei von ihnen sollen auf der neuen „Harmony“ – dem größten Kreuzfahrtschiff der Welt – als tanzende Barkeeper Cocktails für die Gäste mixen. In Japan wurde das erste Roboter Hotel der Welt eröffnet: Im „Henn-na Hotel“ werden die Gäste am Check in von zwei weiblichen Kunstwesen und einem Dinosaurier empfangen. Wer meint, dass das wirklich zu blöd wäre, sollte wissen: Das Hotel liegt in einem Vergnügungspark. Die Unterhaltung wird mit einem Knopfdruck „Ich möchte einchecken“ eingeleitet und der Mitteilung „Don’t ask me a difficult question – I am a Robot“. Alle diese Dinge gehen über das Gag-Niveau nicht hinaus, jede bessere Smartphone- Technologie kann das auch.
Auf der Suche nach praktischen Serviceleistungen kommt man schnell auf das im Silicon Valley angesiedelte Startup-Unternehmen Savioke: Es stellte 2014 den „Robotic Butler“ vor, ein „Delivery Robot“, der Gegenstände von der Zahnbürste bis zum Snack zu den Gästezimmern befördert. Auf die humanoide Ausrichtung (zumindest ein aufgemaltes Gesicht) wurde verzichtet, unverkennbares Vorbild ist der inzwischen mit Kultcharakter ausgestattete Roboter „R2D2“ aus „Star Wars“, bis zu den Zwitscherlauten, die er hervorbringt. Der Tonne auf Rädern wird über ein Display die Zimmernummer eingegeben, sie fährt selbständig bis zur Zimmertür, ruft den Bewohner an, der ihr die Sendung abnimmt, und kehrt zu ihrem Ausgangspunkt zurück. Der Roboter kann zwar Lifttüren per W-Lan öffnen, aber keine Treppen überwinden. Bei Hindernissen weicht er aus oder bleibt stehen und ruft um Hilfe, bis ihn ein echter Mensch aus seiner Zwangslage befreit. In einem „Aloft“ Hotel von Starwood in Cupertino ist er im praktischen Einsatz.

Den Hausverstand einschalten

Um festzustellen, dass das für eine „Revolution“ eine zu schmale Basis ist, reicht der Hausverstand. Wenn er schon eingeschaltet ist, kann man ihn gleich auch auf andere PR-Meldungen anwenden, wie etwa den Pakettransport durch Flugdrohnen von Amazon oder selbstfahrende Lieferroboter durch den Pizza-Riesen Domino’s: Abgesehen von anderen Problemen ist vor der ersten Türe Endstation, bei der Transportkiste an der ersten Gehsteigkante.
Ein knuddeliger Pepper mit Gamsbart und Lederhose, der ankommende Gäste in mehreren Sprachen begrüßt und ihnen ein Schnapserl anbietet, könnte ja ganz nett sein. Dass er vom Grüssaugust zum Revolutionär mutiert, ist in absehbarer Zeit kaum zu befürchten: Die persönliche Dienstleistung als Hauptstärke des österreichischen Tourismus ist nicht gefährdet.

Günther Greul

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