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Vida will Branchenimage aufpolieren

Print-Ausgabe 12. Februar 2016

Der Tourismus braucht dringend eine Imagekorrektur. Ja – tatsächlich? Fast möchte man sagen, das ist ein alter Hut: Seit Jahren leidet die Branche darunter, dass der schlechte Ruf des Gastgewerbes als Arbeitgeber die wesentliche Ursache für die akuten Personal- und insbesondere Nachwuchsprobleme ist. Neu an der Aussage ist nur die Quelle: Erstmalig ist es nicht die Arbeitgeberseite, der Ruf nach einem „Aufpolieren“ des Branchenimages kommt diesmal von der Gewerkschaft.

Wie man „schönreden“ kann

Anlass war die Präsentation einer Online-Umfrage, mit der die Gewerkschaft Vida erstmalig unter dem Titel „Wie geht es Ihnen?“ die berufliche Befindlichkeit der Mitarbeiter abfragte. Die Auswertung bestätigte, was man ohnedies wusste: Die Kritik konzentriert sich auf die Arbeitszeit bzw. die Dienstzeitgestaltung. Wenn man will, kann man die Ergebnisse in wesentlichen Punkten in positivem Sinn relativieren – auf Deutsch: „schönreden“.

So ist es 85 Prozent wichtig, mindestens einen Samstag oder Sonntag im Monat frei zu haben, die Gewerkschaft wünscht sich acht bis zwölf freie Sonntage im Jahr. Dieser Wunsch geht bei rund 80 Prozent der Mitarbeiter bereits in Erfüllung, fast die Hälfte arbeitet nur maximal an zwei Sonntagen im Monat. Über die nachträgliche Veränderung von Dienstplänen klagen 83 Prozent. Etwas mehr als die Hälfte muss aber höchstens einen zusätzlichen Dienst pro Monat übernehmen. Mit 69 Prozent wird ein „geteilter Dienst“ als am stärksten belastend eingestuft, von dem aber 82 Prozent der Mitarbeiter nicht betroffen sind. 57 Prozent geben an, dass ihre Wünsche bei der Dienstplangestaltung in der Regel berücksichtigt werden, 29 Prozent haben eine Mitgestaltungsmöglichkeit. Insgesamt sind drei Viertel der Befragten mit der Dienstplangestaltung „sehr“ bis „eher“ zufrieden. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist die Vereinbarkeit des Berufes mit dem Privatleben. Immerhin kommen fast 60 Prozent sehr gut bis gut damit zurecht.

Diese Darstellung ergibt immer noch kein Bild eines Komfortberufes. Das Schönreden ist am Ende, wenn auf die Frage, ob sie den Beruf noch einmal wählen würden, nur eine knappe Mehrheit (52 Prozent) mit „ja“ antwortet. Für die Einschätzung der Arbeitsplatzqualität einer Branche ist der Eindruck, dass in allen Kritikpunkten eine deutliche Mehrheit von den Problemen nicht betroffen ist, aber wesentlich: Schlimm genug, wenn jeder 4. mit der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben Schwierigkeiten hat, aber es besteht doch die Chance, jener Mehrheit anzugehören, auf die das nicht zutrifft.

Mit den Vorwürfen an die Arbeitgeber, die Mitarbeiter würde weiter aus der Branche flüchten, solange sie keine besseren Arbeitsbedingungen bieten, hielt man sich zurück – bewusst, wie der Vorsitzende des Vida-Fachbereiches Tourismus Berend Tusch erklärte – und konzentrierte sich auf die Feststellung, dass Fortschritte erzielt wurden, etwa bei der Überstunden- Durchrechnung oder den Ruhezeiten.

Geschäftsmodell nicht zu ändern

Dass die Probleme vor allem bezüglich Arbeitszeiten und Beziehungsfeindlichkeit offensichtlich branchentypisch seien und z. B. in Deutschland zu den genau gleichen Reaktionen führen, mit den Gastronomieberufen als Schlusslicht im Attraktivitätsranking der Berufe, akzeptiert auch die Gewerkschaft: „Wir wissen, dass wir das Geschäftsmodell im Tourismus nicht ändern können“, erklärten Tusch und Tourismus-Fachsekretär Andreas Gollner. Damit sollte aber auch klar sein, dass die Bemühungen um bessere Arbeitsbedingungen an Grenzen stoßen, die weit vor einem Imagewandel liegen. Wenn man diesen anstrebt, weil beide Seiten ein Absinken der Leistungsqualität des Wirtschaftszweiges befürchten, kann man nicht auf eine bessere Arbeitswelt warten, sondern muss das Beste daraus machen: Das Positive – das auch nach Ansicht von Tusch überwiegt – vor den Vorhang stellen – bis zum Schönreden. Ein paar Türen zu öffnen und Sprüche auf Bierdeckel zu drucken, wie die Gewerkschaft die Lehrlingskampagne der ÖHV süffisant einschätzt, sei zu wenig. Wie sie selbst die Imageverbesserung angehen möchte, ist offen. Die Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit mit der Arbeitgeberseite wurde ausdrücklich unterstrichen. Auf beiden Seiten ist eine neue Funktionärsgeneration am Ruder, Tusch ist Mitte dreißig und (noch) nicht von den Klassenkampf-Reflexen geprägt, die in der Vergangenheit alles blockierten. Dem Vorwurf, es nicht einmal versucht zu haben, sollte man sich nicht aussetzen.

Günther Greul

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