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Mitte September erschien in der NZZ (Neue Zürcher Zeitung) ein Interview mit Kathrin Anselm, General Managerin Central and Eastern Europe der Online- und Vermietungs-Plattform Airbnb. Sie nahm darin zum Vorwurf Stellung, Airbnb nehme den Einheimischen in den Städten dringend benötigten Wohnraum weg. Die DACH-Managerin sparte dabei – obwohl zuständig – Österreich und Wien aus. Grund genug für T.A.I., bei Airbnb anzuklopfen. Die entsprechenden Fragen wurden von Ellen Madeker, Head of Policy DACH und CEE bei Airbnb, beantwortet.
T.A.I.: Wien, wo bisher Wohnungen ganzjährig an Tourist:innen vermietet werden durften, erlaubt seit Juli 2024 nur noch 90 Tage im Jahr. Ist das eine Art von Regulierung, mit der Sie leben können?
Ellen Madeker: „Wir begrüßen grundsätzlich gesetzliche Regelungen, die für alle Seiten Klarheit und Transparenz in der Kurzzeitvermietung schaffen. Bei der Gestaltung von Regelungen ist es uns aber gleichzeitig wichtig, dass sie verhältnismäßig, zeitgemäß und vor allem fair gegenüber den Gastgeber:innen sind.“
T.A.I.: Agiert denn Österreichs Bundeshauptstadt nicht fair?
Ellen Madeker: „Oh doch! In Wien arbeiten wir eng mit der Stadt zusammen, um die geltenden Regeln sowie effektiven Wohnraumschutz zu unterstützen. Wir geben jedoch zu bedenken: Eine starre Tagesbegrenzung, wie sie im Fall der Wiener Bauordnungsnovelle vorgesehen ist, kann den heutigen flexiblen Lebensrealitäten oft nicht gerecht werden.“
T.A.I.: Wieso?
Ellen Madeker: „Beispielsweise haben Studierende mehr als drei Monate vorlesungsfreie Zeit, in denen sie ihre Zimmer vermieten können, um sich etwas hinzuzuverdienen. Auch Pendler:innen wird die Möglichkeit, ihre Wohnung oder ihr Zimmer an den Wochenenden zu vermieten, durch solche Tagesbegrenzungen stark eingeschränkt.“
T.A.I.: Wie sähe denn eine Regulierung im Sinne von Airbnb aus?
Ellen Madeker: „Wir unterstützen ein benutzerfreundliches Registrierungssystem – wie es bereits in mehreren deutschen Städten, zum Beispiel Hamburg, erfolgreich eingeführt wurde und ja auch in Österreich in Planung ist (Anm.d.Red.: In der zweitgrößten Stadt Deutschlands sind Vermieter verpflichtet, ihre Unterkunft zu registrieren, besonders Ferienwohnungen, die über Airbnb angeboten werden. Ohne Registrierung und Genehmigung ist eine Vermietung illegal). Das schafft Transparenz für die Behörden und ermöglicht einen Überblick über die Vermietungsaktivitäten aller Online-Plattformen. Die neuen EU-Regeln machen so ein Registrierungssystem zur Bedingung für den Datenaustausch zwischen Plattformen und Behörden.“
T.A.I.: Kathrin Anselm meinte im NZZ-Interview, dass Homesharing im Kern keinen Wohnraum wegnimmt. Städte wie Wien halten dagegen, dass er sehr wohl teilweise oder dauerhaft dem Wohnungsmarkt entzogen wird (laut TU-Studie war dies vor der Pandemie bei rund 2.000 aller an Airbnb vermieteten Wohnungen – also ein knappes Viertel – der Fall). Wie sieht die Realität Ihnen zufolge wirklich aus?
Ellen Madeker: „Wohnraumschutz ist uns wichtig und wir unterstützen daher ganz klar zum Beispiel die neue EU-Regulierung (Anm.d.Red.: Sie wurde im Frühjahr 2024 fertig ausverhandelt und beschlossen, Mitgliedsländer haben zur Umsetzung zwei Jahre Zeit), die durch Transparenz die Durchsetzung von Wohnraumschutzgesetzen erleichtern soll. Wien hat allerdings damals selbst festgestellt, dass wir bei 2.000 von damals 900.000 Wohnungen nur von 2 ‰ reden. Also selbst wenn diese dem Wohnungsmarkt entzogen wären, was nicht der Fall ist, dann kann Regulierung dieser Wohnungen nicht das Problem der Wohnungsknappheit lösen.“
T.A.I.: Welche Gründe sieht Airbnb in der nicht von der Hand zuweisenden Wohnungsknappheit?
Ellen Madeker: „Wohnungsknappheit hat viele Ursachen: Zuzug, zu wenig Neubau, langwierige Genehmigungsverfahren, Leerstand, um nur einige zu nennen. Aufgabe kluger Regulierung ist es, faire und verhältnismäßige Regeln einzuführen, um Wohnraum zu schützen. Das unterstützen wir, eben ganz aktuell im Kontext der Umsetzung neuer EU-Regeln. Aber nochmal: die Mehrheit der Gastgeber:innen in Wien sind sogenannte Homesharer:innen, das heißt, sie vermieten ihr selbst bewohntes Zuhause. Sie nutzen also vorhandenen Wohnraum intensiver, aber sie nehmen keinen Wohnraum weg. Wichtig ist auch zu wissen, dass die große Mehrheit der Gastgeber:innen auf Airbnb nur eine Unterkunft teilt.
Zusätzlich ist Homesharing besonders in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten für viele Gastgeber:innen auf Airbnb immer wichtiger geworden: 2023 gaben in einer Österreichweiten Umfrage unter Gastgeber:innen auf Airbnb 39 % an, dass sie die Einkünfte aus dem Gastgeben nutzen, um die steigenden Lebenshaltungskosten zu decken. Zwei Fünftel gaben an, dass sie darauf angewiesen sind, um über die Runden zu kommen.“
T.A.I.: Im 2. Quartal 2024 verbuchte Airbnb einen Umsatz-Anstieg auf 2,75 Mrd. US-Dollar um 11 % mehr als vor einem Jahr, der Gewinn erreichte mit 555 Mio. US-Dollar ein Plus von 20 %. Vor der Pandemie wies das Unternehmen im Q2 noch einen Verlust von 100 Mio. Dollar aus. Sie sprechen zudem weltweit von bereits über 5 Millionen Airbnb-Gastgeber:innen sowie über 7,7 Millionen aktiven Inseraten auf ihrer Plattform und es gibt über 100.000 Städte mit Airbnb-Inseraten. Wo liegt die Grenze für Airbnb? Wie sehen Sie die Entwicklung im DACH-Raum bis 2030?
Ellen Madeker: „Das ist ja eine spekulative Frage. Zu den Quartalszahlen in Q2 kann ich sagen, dass wir auch weiterhin global ein Wachstum bei den Erstbucher:innen verzeichnen, wobei das schnellste Wachstum bei der jüngsten Altersgruppe war. Und wir verzeichneten Wachstum in allen Regionen. Zur Zukunft kann ich sagen: Brian Chesky (Anm.d.Red.: einer der Mitgründer von Airbnb und dessen CEO) und Ellie Mertz (sie fungiert als CFO) haben darüber beim Q2-Earnings-Call gesprochen. Wir haben Wachstumsinitiativen am Horizont, die die weitere Optimierung unseres Kerngeschäfts, die Ausweitung unseres Geschäfts auf weitere Märkte und die Expansion über das Kerngeschäft hinaus beinhalten.“
Erstellt am: 02. Oktober 2024
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