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WienTourismus

Recht auf Reisen & Nachhaltigkeit: Wien bringt beides unter einen Hut

Print-Ausgabe 26. Mai 2023

„Wir wollen wachsen, aber verträglich“, so der Direktor des WienTourismus Norbert Kettner (Bild: © WienTourismus/Peter Rigaud)

Ein gutes Beispiel dafür liefert die Vienna City Card, die seit April 2023 nur noch mit Umweltzeichen zertifizierte Beherbergungsbetriebe als Partner akzeptiert

Hintergrundgespräche zählen zweifelsohne zu den Highlights des journalistischen Alltags. So auch jenes, das T.A.I. vor kurzem mit Wiens Tourismus­direktor Norbert Kettner führen durfte. Vordergründing ging es um die Änderungen bei der Vienna City Card, – es können seit April nur noch jene Hotels Partner der weltweit ersten „grünen“ Gästekarte werden, die eine Zertifizierung mit dem österreichischen Umwelt­zeichen oder eine vergleichbare internationale Zertifizierung wie beispielsweise das EU-Ecolabel aufweisen –, sowie um das Thema Nachhaltigkeit. „Es beschäftigt uns sehr stark, nicht nur in ökologischer, sondern auch in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht“, betont Norbert Kettner, der heuer seit 16 Jahren an der Spitze des WienTourismus steht.

Nachhaltig ist Österreichs Bundes­hauptstadt schon alleine dadurch, dass sie laut Kettner „die europaweit bestangebundene Stadt mit der Bahn ist und zudem über das sechstgrößte Straßenbahnnetz der Welt“ verfügt. „Aber“, wie Norbert Kettner betont, „es reisen – wenn man die Vor-Pandemie-Zahlen heranzieht – 50 % der Nächtigungsgäste mit dem Flugzeug an und über 70 % der Kongress­gäste.“ Der Grund für diesen hohen Flugzeug­anteil: Wien hat sehr viele Gäste aus Übersee. So gelten beispielsweise die USA als „sicherster und stabilster Überseemarkt. Seit November 2022 sind sie in Wien wieder auf dem Vor-Pandemie-­Niveau.“

Mehr als eine Marketingstrategie

Womit Norbert Kettner auch wieder die Nachhaltigkeit ins Spiel bringt. „Was ist von der Pandemie übriggeblieben?“, stellt er sich selbst die Frage, um gleich darauf die Antwort zu geben: „Vieles nicht. Manches, wie die Nachhaltigkeit, aber sehr.“ Leider werde sie vielerorts noch als bloßes Marketing­thema verstanden, das nicht tiefer greift. Um im Tourismus hier aktiv gegenzusteuern und Nachhaltigkeit in all ihren Ausprägungen – also ökologisch, ökonomisch und sozial – zu leben, gehe es nicht ohne Destinations­management, das auch die Interessen der lokalen Bevölkerung mit einschließt. „Wir haben 2017 damit begonnen“, erzählt Norbert Kettner.

Fest steht, dass sich „die Menschen das Recht zu reisen und sich zu treffen, nicht nehmen lassen“. Deshalb gehe es darum, richtige Antworten auf die Frage zu finden, wie dies (also Reisen und sich Treffen) möglichst ressourcenschonend geschehen kann. Der WienTourismus (Norbert Kettner: „Wir wollen wachsen, aber verträglich“) hat dazu als Hebel sechs jährlich abgefragte KPIs (Key-­Performance-­Indicator) entwickelt, die – erstmals 2019 mit der „Visitor Economy Strategie 2025“ definiert – als Folge der Corona-­Pandemie nochmals überarbeitet wurden. Sie bilden die Entwicklung der Nächtigungs­umsätze (inkl. RevPAR – Revenue per available room) ebenso ab wie durch den Tourismus erzielte Wertschöpfungseffekte (durch das Satellitenkonto).

Gemessen wird zudem die Zufriedenheit der Bewohner:innen und die Erlebnisqualität der Gäste. Im Zusammenhang mit Nach­haltigkeit und Ressourcenschonung geht es um die Entwicklung der Anreisen mit der Bahn (sie stieg von 21 % im Jahr 2018 auf 30 % in 2022) bei gleichzeitiger Reduktion der PKW-Anreisen (diese sind allerdings pandemiebedingt von 26 % im Jahr 2018 auf zuletzt 29 % angestiegen). „Das ist ein halber Erfolg“, kommentiert Norbert Kettner die Entwicklung. Im Flugbereich konzentriert sich der WienTourismus auf Legacy Carrier mit Netzwerk-­Funktion.

Ein weiterer wichtiger Ansatz des WienTourismus kann unter die Botschaft „Halte Dich von Massentourismus fern“ gestellt werden. „Der soll stattfinden“, konkretisiert Norbert Kettner die Überlegungen, „aber er braucht keine Förderung, sondern erfordert Regulierung.“ Nachsatz: „Wir werden damit auch zum Spielverderber.“

Gästekarte mit Umweltzeichen

Neu sind diese Aussagen des WienTourismus-Chefs nicht. Aber sie gewinnen durch ihre ständige Wiederholung und die parallel dazu gesetzten Initiativen an Glaubwürdigkeit und an Gewicht. Zu letzteren zählt die eingangs erwähnte Neuorientierung der Vienna City Card (die Mitte der 1990er-Jahre eingeführte Karte wurde bislang 6,5 Millionen mal verkauft, seit Mai 2022 rund 130.000 Mal; sie bietet über 200 Vergünstigungen von bis zu 50 %). Damit zählt die Vienna City Card zu den meistverkauften sowie nachhaltigsten City Cards in Europa. Sie inkludiert beispielsweise die Fahrten in den öffentlichen Verkehrsmitteln Wiens und ermöglicht – in einem Zusatzmodul – die öffentliche Anreise vom Flughafen. Für diese umweltschonenden Mobilitätsangebote wurde Wiens offizielle Gästekarte bereits im Dezember 2022 vom Klimaschutzministerium mit dem Österreichischen Umweltzeichen ausgezeichnet.

Seit April 2023 werden darüber hinaus ausschließlich mit dem Umweltzeichen zertifizierte Beherbergungsbetriebe als Partner akzeptiert. Aktuell sind es 14, vier sind durch diese neue Bestimmung weggefallen. Wobei in Wien die Zahl der zertifizierten Tourismus­betriebe von 112 im Jahr 2018 auf derzeit 134 gestiegen ist. Bis 2025 sollen es laut der im Zuge der Corona-­Krise überarbeiteten Visitor Economy Strategie insgesamt 140 werden (vor der Pandemie wurde eine Verdoppelung auf 224 angepeilt).

Durch all diese Maßnahmen wird ein weiterer wichtiger Schritt im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit gesetzt. Dies ist nicht unerheblich, denn die von der UNO festgelegten 17 SGDs (Sustainable Development Goals) fließen immer mehr in die Aktivitäten von Unternehmen ein. „Eine börsennotierte Firma in den USA kann so erklären, warum sie ihre Kongress­gäste nach Wien bringt und in keine andere internationale Destination“, erklärt Norbert Kettner. Wobei die SDG-­Relevanz längst auch bei den KMU (Klein- und Mittelbetrieben) angelangt ist. Norbert Kettner: „Die Ausrichtung der Vienna City Card in Richtung Nachhaltigkeit ist für uns kein ‚nice to have‘ mehr, sondern vielmehr ein ‚must have‘.“ Die Vienna City Card kann je nach gewählter Variante und Gültigkeits­dauer ab 17 Euro erworben werden.

Der WienTourismus selbst hat sich ebenfalls ganz der Nachhaltigkeit verschrieben. So erfolgt für alle Emissionen, die durch Flüge der Mitarbeiter:innen verursacht werden, ein Ausgleich durch CO2-Kompensation und im Sommer sind Lastenfahrräder als mobile Tourist-­Infos unterwegs. Für Norbert Kettner steht jedenfalls fest: „Wir sind nicht die Wunderwuzzis, aber wir können mit unseren Mitteln etwas bewegen.“

Interessant sind ergänzend dazu folgende weiterführende Berichte:

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