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Es waren zum Teil harte, kritische Fragen, die T.A.I. dem Direktor des WienTourismus Norbert Kettner gestellt hat. Aktueller Anlass war die Aussendung des WienTourismus von Ende August, in der dieser über die exzellenten Zahlen des ersten Halbjahres 2025 sowie die Sommer-Halbzeit informierte.
T.A.I.: So wie es scheint, eilt der WienTourismus heuer zu einem neuen Bestwert. Wie sehen Sie das?
Norbert Kettner: „Die aktuellen Zahlen bestätigen, dass unser konsequenter Fokus auf Qualitätstourismus richtig gewählt ist. Mit rund 9 Mio. Nächtigungen im ersten Halbjahr 2025 und einem Wachstum von 7 % gegenüber dem Vorjahr hat Wien einen neuen Spitzenwert erreicht. Parallel dazu stieg der Netto-Nächtigungsumsatz ebenfalls um 7 % auf deutlich über eine halbe Mrd. Euro. Hervorzuheben ist insbesondere der US-Markt, unser wichtigster Fernmarkt, der neuerlich zu den Top-3-Herkunftsländern Wiens zählt. Das verdeutlicht die internationale Strahlkraft unserer Stadt und die nachhaltige Wirkung unserer Positionierung als führende Kultur- und Kongressdestination. Diese positive Entwicklung strahlt weit über Wien hinaus und stärkt die gesamte österreichische Wirtschaft – gerade in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten ein wichtiges Signal.“
T.A.I.: Das klingt alles sehr positiv. Aber Wiens 5-Sterne-Hotels verlieren als einzige Kategorie sowohl von der Auslastung als von den Nächtigungen her. Worauf führen Sie das zurück?
Norbert Kettner: „Diese Entwicklung ist in erster Linie auf umfangreiche Renovierungsarbeiten in der Luxushotellerie zurückzuführen. Sowohl das Hotel Bristol als auch das Palais Coburg sind vollständig geschlossen. Das schlägt sich naturgemäß in den Nächtigungszahlen und der Auslastung nieder. Zugleich verdeutlicht dies, welche zentrale Rolle die Luxushotellerie für Wien spielt. Umso erfreulicher ist, dass wir mit der bevorstehenden Eröffnung des Mandarin Oriental Vienna im November 2025 ein starkes Signal für die internationale Strahlkraft des Tourismusstandortes Wien setzen.“
T.A.I.: Der RevPAR der 5-Sterne-Hotels steigt im Gegenzug deutlich stärker als der allgemeine und jener der 4-Sterne-Hotels. Was ist dafür Ihrer Meinung nach der Grund?
Norbert Kettner: „Der überproportionale Anstieg beim RevPAR erklärt sich aus mehreren Faktoren: Einerseits hat die temporäre Schließung einzelner Luxushotels das vorhandene Angebot reduziert, wodurch eine höhere Preisstabilität bzw. eine bessere Preisdurchsetzung möglich war. Andererseits zeigt sich die hohe Resilienz der internationalen Luxus-Nachfrage: Gäste, die sich bewusst für den 5-Sterne-Bereich entscheiden, sind deutlich weniger preissensibel und honorieren die Qualität der Wiener Luxushotellerie. Hinzu kommt, dass sich Wien im Premiumsegment international stark positioniert hat – von hochkarätigen Kultur- und Kulinarikerlebnissen bis hin zum Meeting-Sektor.“
Inflation & Sonntagsöffnung
T.A.I.: Okay, aber die Inflationsrate seit 2019 erreicht grob gesagt rund 25 %, die RevPARs stiegen deutlich geringer. Bringt das die Hotellerie nicht in Schwierigkeiten?
Norbert Kettner: „Der RevPAR ist zur Bewertung der Preisentwicklung im Zusammenhang mit der Inflation nicht geeignet, da sich die Angebotsstruktur seit 2019 erheblich verändert hat: Es sind Betriebe aus dem Markt ausgeschieden und neue hinzugekommen, sodass sich das verfügbare Angebot deutlich unterscheidet. Die Inflation hingegen misst die Preisentwicklung anhand eines konstanten Warenkorbs.“
T.A.I.: Themenwechsel: Es gibt derzeit einen neuen Anlauf für Sonntagsöffnung in Wien. Laut einer aktuellen Studie sprechen sich 63 % aller Stadtbewohner:innen dafür aus. Wie steht der WienTourismus einer Sonntagsöffnung gegenüber?
Norbert Kettner: „Die Frage der Sonntagsöffnung wird seit vielen Jahren diskutiert. Hier liegt es an Politik und Sozialpartnern, gemeinsam eine Entscheidung zu treffen. Meine persönliche Meinung dazu gilt, glaube ich, als bekannt (Anm.d.Red.: Kettner sprach sich wiederholt dafür aus, dass die Läden in der Wiener City auch am Sonntag offen halten können sollen – dürfen, nicht müssen– und er ist überzeugt, dass eine Sonntagsöffnung mehr Umsätze bringen würde).“
„Vienna Bites" & weiteres Wachstum
T.A.I.: Nächstes Jahr setzten Sie unter dem Titel „Vienna Bites“ einen Marketingschwerpunkt auf das Thema Kulinarik. Ist dieses Thema – die meisten Länder setzen national darauf, ebenso die Regionen – nicht bereits ausgereizt?
Norbert Kettner: „Wien verfügt über ein Alleinstellungsmerkmal: Als einzige Stadt der Welt ist Wien Namensgeberin eines eigenständigen Speisenstils – der Wiener Küche! Kulinarik ist damit kein Mode-Thema, sondern ein zentrales Element der Wiener Identität und Kultur. Rund ein Drittel aller österreichischen Gastronomiebeschäftigten sowie ein Drittel der landesweiten gastronomischen Wertschöpfung entfallen auf Wien – ein eindrucksvoller Beleg für die Bedeutung des Sektors.
Mit Vienna Bites stellen wir 2026 die kulinarische Vielfalt der Stadt in den Mittelpunkt. Sie reicht von Weltklasse-Gastronomie – aktuell mit 14 Michelin-Sternen ausgezeichnet – bis zum traditionsreichen Würstelstand. Auch internationale Rankings bestätigen diese Positionierung. Es geht hier also nicht um einen künstlich erzeugten Hype, sondern um gewachsene Identität.“
T.A.I.: Welche Akzente wird der WienTourismus künftig setzen, um weiterhin die Wachstumskurve nach oben auszurichten? Oder ist Ihrer Meinung nach der Plafond bereits erreicht?
Norbert Kettner: „Tourismus wird längst nicht mehr nur an der Zahl der Gäste gemessen, sondern an seinem Beitrag zur Lebensqualität, seiner auf allen Ebenen nachhaltigen Stadtentwicklung und zu seinem Beitrag zur kosmopolitischen Dichte. Mit unserer Visitor Economy Strategie hat Wien früh neue Maßstäbe gesetzt und den Ansatz ‚Optimum Tourism‘ etabliert. Unser Ziel ist es, Tourismusakzeptanz in der Bevölkerung, Gästezufriedenheit und wirtschaftliche Wertschöpfung in Einklang zu bringen. Sprich, ein Wachstum, das im Einklang mit den Bedürfnissen der Bevölkerung steht und ihr nicht auf die Nerven geht.
Dabei haben wir drei Ziele definiert:
Und gemeinsam mit ‚UN Tourism‘ messen wir Wiens touristischen Erfolg anhand ökonomischer, ökologischer und sozialer Indikatoren. Wir machen diese Ergebnisse in unserem ‚Sustainable Destination Observatory‘ für alle transparent zugänglich. Konkrete Aktionsprogramme sowie das neue ‚Vienna Playbook‘ – es erscheint diesen Oktober unter dem Titel ‚The Places To Be‘ – bilden die Basis, um die Destinationsentwicklung weiterhin strategisch, qualitätsorientiert und zukunftsweisend zu gestalten.“
Erstellt am: 09. September 2025
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