T.A.I.-Serie Nachhaltigkeit und Tourismus

Bedürfnisse der Bevölkerung sind künftig stärker zu berücksichtigen

Print-Ausgabe 17. Oktober 2025

„Der touristische Wirtschaftsraum kann nicht ohne den Lebensraum funktionieren – und umgekehrt“, so Florian Größwang

Anfang Oktober wurde auf dem dna (Destinationsnetzwerk Austria)-Kongress der „Handlungsleitfaden“ für das „Destinationsmanagement 4.0“ präsentiert

Wie kann das „Destinationsmanagement 4.0“ (es handelt sich um eine Weiterentwicklung desselben und zwar inkl. Integration der Lebensqualität der lokalen Bevölkerung sowie der Nachhaltigkeit) nicht nur die Attraktivität einer Region erhöhen und die Wertschöpfung weiterentwickeln, sondern auch die Lebensqualität der lokalen Bevölkerung nachhaltig steigern? Um diese Frage geht es im aktuellen Beitrag jener Serie, in der seit Mitte März dieses Jahres Florian Größwang (er ist Gesellschafter von TourCert Austria) regelmäßig für T.A.I. den Wandel als Chance für die Produkt- und Angebotsentwicklung in Destinationen in den Fokus rückt.

Was hat es also mit dem Destinationsmanagement 4.0 mit Lebensraumperspektive auf sich? Internationale Vorreiter wie Kopenhagen, Vancouver, Freiburg im Breisgau oder das Allgäu zeigen, wie die angesprochene Lebensqualität der Bevölkerung nachhaltig gehoben werden kann. Und auch Österreich geht mit gutem Beispiel voran: Anfang Oktober 2025 wurde beim Kongress des Destinationsnetzwerk Austria (dna) in Feldkirch erstmals ein entsprechender „Handlungsleitfaden“ präsentiert. Zwei Jahre lang wurde er von 17 Expert:innen aus 10 Destinationen, der Österreich Werbung (ÖW) und des Wirtschafts- und Tourismusministeriums (BMWET – das „E“ steht für Energie) im „Lebensraum Lab“ entwickelt.

Fest steht, dass der Tourismus Lebensraumperspektive dringend braucht, denn „Destinationen und ihre Leistungsträger haben seit einiger Zeit enorme Herausforderungen“, so Florian Größwang. Als Beispiele nennt er die sozialen und ökologischen Entwicklungen (z.B. Arbeitsmarkt, Klimawandel, Tourismusakzeptanz, Nutzungskonflikte etc.). „Sie gefährden unseren zukünftigen, wirtschaftlichen Erfolg im Tourismus. Zudem sinkt die Tourismusakzeptanz der heimischen Bevölkerung“, betont Florian Größwang. Die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung müssen deshalb stärker als bislang berücksichtigt und auch die Wertschöpfungsketten erweitert werden. Florian Größwang: „Bisherige Herangehensweisen, Sichtweisen und Strukturen können die Vielzahl und die Komplexität der Krisen nicht bewältigen.“

In der Vergangenheit haben sich Destinationsmanagement-Organisationen (DMOs) laufend an sich verändernde Anforderungen und Rahmenbedingungen angepasst. „Sie haben bei touristischem ‚Marktversagen‘ eingegriffen und Veränderungen sind immer schon Teil ihrer DNA / Desoxyribonukleinsäure gewesen“, sagt Florian Größwang. Doch ihr Fokus sowie jener der Stufen des Destinationsmanagements 1.0 bis 3.0 (Tourist-Info, Marketingorganisation, Prozess- und Managementorganisation) lag stets im ökonomischen Wirkungsfeld. Florian Größwang: „Daher braucht es jetzt erneut einen Wandel, und zwar zur Destinationsmanagement-Organisation 4.0 mit Lebensraumperspektive.“

Diese hat verstärkt alle 3 Wirkungsfelder (Ökonomie, Soziales & Ökologie) im Blick, darf aber dabei den ökonomisch touristischen Blick nicht vernachlässigen. Größwang: „Die Lebensraumperspektive im Destinationsmanagement 4.0 ist eine Erweiterung des Horizontes – vom Wirtschaftsraum auf den Wirtschafts- und Lebensraum.“ Es geht um einen neuen ganzheitlichen Ansatz, bei dem die touristische Entwicklung nicht isoliert betrachtet, sondern aktiv in den wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und kulturellen Kontext eines Raumes eingebettet wird. Für Florian Größwang ist klar: „Der touristische Wirtschaftsraum kann nicht ohne den Lebensraum funktionieren – und umgekehrt.“

Destinationsmanagement

Die im „Handlungsleitfaden“ des „Destinationsmanagement 4.0 mit Lebensraumperspektive“ festgehaltenen Maßnahmen weisen genau in diese Richtung: Die Berücksichtigung aller Anliegen der gesamten Region, der ansässigen Unternehmen, der Beschäftigten, der lokalen Bevölkerung sowie der Umwelt, und zwar neben den Erwartungen der Gäste und den Bedürfnissen der Leistungsträger:innen. „Diese Ausrichtung sichert auch langfristig die Attraktivität der Region, stärkt das Markenimage und verbessert damit die wirtschaftliche Wertschöpfung der Destination sowie der touristischen Betriebe“, ist Florian Größwang überzeugt.

Der Wandel zur Destinationsmanagement-Organisation 4.0 mit Lebensraumperspektive ist ein Prozess, der in jeder Destination anders verläuft, der aber mit entsprechenden Instrumenten und Maßnahmen unterstützt werden kann. Florian Größwang: „Die Entwicklung ist kein Sprint, sondern ein längerer Prozess. Sie benötigt Begegnung auf Augenhöhe, Geduld und Konsequenz.“ Wie dem auch sei, erfordert dieser Wandel auch die politische Anerkennung, entsprechende Ressourcen und eine langfristige Finanzierung. So muss jede Destination für sich aktiv die Rollen mit den Partnern und anderen Akteuren im Lebensraum klären und ausverhandeln, die sie in unterschiedlichen Handlungsfeldern aus der Lebensraumperspektive einnehmen kann beziehungsweise will.

Klar ist: Der Schwerpunkt der Aktivitäten einer DMO 4.0 liegt weiterhin im ökonomischen Wirkungsfeld, wo Gäste angesprochen, betreut und Betriebe unterstützt werden. Gleichzeitig übernimmt sie aber im Sinne des Destination-„Stewardships“ an den Schnittstellen zum Lebensraum laut Florian Größwang „eine orchestrierende Rolle. Dennoch bewegt sich der Gast während seines Aufenthalts auch in die anderen beiden Wirkungsbereiche hinein.“

Das Destinationsmanagement 4.0 mit Lebensraumperspektive gewinnt damit zusätzlich an Bedeutung: Sie ermöglicht ein ganzheitliches Verständnis und eine abgestimmte Entwicklung, die über rein ökonomische Aspekte hinausgeht.

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