T.A.I. Interview Julian Jäger

Schnellere Prozesse, höhere Aufenthalts-Qualität, gute Ergebnisse

Print-Ausgabe 20. Mai 2015

Die Flughafen Wien AG verzeichnete im Geschäftsjahr 2015 trotz Gegenwind aus zahlreichen Krisenherden das beste Ergebnis ihrer Unternehmensgeschichte (nach Steuern 100,4 Mio. Euro). Jetzt wagt man sich – nachdem das Skylink-Desaster offensichtlich gut verdaut werden konnte – an das nächste große mit einer halben Milliarde Euro bezifferte Bauvorhaben. Was es damit auf sich hat, weshalb das VIE-Wachstum im Vergleich mit MUC und ZRH zuletzt eher verhalten ausfiel und was alles unternommen wird, um den Langstrecken-Bereich weiter auszubauen, darum ging es im T.A.I.-Gespräch mit Flughafenvorstand Julian Jäger.

T.A.I.: Der Flughafen Wien hat im Vorjahr trotz schwachem Passagierwachstum (1,3%), rückläufigen Flugbewegungen (-1,7%) und moderatem MTOW (2,6%) ein Umsatzplus von überproportionalen 3,8 Prozent lukriert. Wurde da ein als teuer geltender Airport vielleicht noch teurer? Oder sind andere Gründe dafür maßgebend?

Julian Jäger: „Nein, wir wurden nicht teurer. Es sind vielmehr die Non Aviation-Erlöse gestiegen: Die Shopping-Umsätze legten um 8,5 Prozent zu, die Parkerträge stiegen um 5 Prozent. Wir haben auch neue Geschäftsbereiche erschlossen, wie das Passagier-Handling. Die Passagiertarife wurden nur um ein halbes Prozent angehoben, die Landetarife um ein Prozent. Ebenso wurden weniger Incentives ausbezahlt, da die Zahl der Transferpassagiere zurückging.“

T.A.I.: Der Star Alliance-Hub Zürich wuchs 2015 um 3,2 Prozent auf 26,3 Millionen Passagiere, München um 3 Prozent auf fast 41 Millionen. Wieso kann Wien dann nicht mithalten und fällt immer weiter zurück?

Jäger: „Das liegt zum einen an der Vorjahresentwicklung von Austrian Airlines, die 2015 einen Passagierrückgang um 3 Prozent hatte. Sie ist unser Hauptkunde mit 50 Prozent Marktanteil. Im Gegenzug gewannen wir viele neue Airlines, aber der Rückgang war nur schwer aufzuholen. Wir spüren auch, dass der Transfer zurückgeht. Zürich hat deutlich größere Flieger und eine deutlich stärkere Langstrecke – also das, wo Wien irgendwann hinmöchte.
Die Langstrecke hat sich ja auch bei uns in den letzten Jahren gut entwickelt, auch dank Austrian Airlines. Wobei sie unverändert nur elf Flieger dafür hat, für jede neue Destination muss eine andere rausgenommen werden. Es ist zum Teil gelungen, das zu kompensieren, mit Air India, Air China oder Ethiopian. Korean Air stockt jetzt im Sommer mit größeren Flugzeugen auf. Wir warten aber auf den zusätzlichen Austrian Langstrecken-Flieger, der wird hoffentlich 2018 kommen.“

T.A.I.: Wann rechnen Sie wieder mit einem stärkeren Passagierwachstum?

Jäger: „Wir gehen heuer von einem Wachstum zwischen 0 und 2 Prozent aus, aber die Rahmenbedingungen sind schwierig. Nicht zuletzt aufgrund der Ereignisse in Paris und Brüssel verändert sich das Reiseverhalten und das spüren wir bei Städteflügen und Urlaubsreisen in bestimmte Destinationen. Das Low Cost-Geschäft läuft gut und wir hoffen, dass sich die AUA heuer stabilisiert, wobei auch Wachstum durch die Embraer kommen sollte. Wir rechnen aber heuer mit deutlichen Rückgängen bei NIKI und Airberlin. Je nachdem wie es uns gelingt, zusätzliche Airlines und Langstrecken zu gewinnen, ist das dann der Unterschied, ob und wieviel wir wachsen.“

Der Skylink hat gezeigt, dass schnell und billig bauen schwierig ist

T.A.I.: Noch kurz zum Low Cost-Geschäft: Jet2.com fliegt seit Ende April nach Edinburgh. Die Manchester-Flüge scheinen nicht mehr im System auf, obwohl bei der Ankündigung der Edinburgh-Flüge Jet2.com CEO Steve Heapy die Manchester-Verbindung „als sehr erfolgreich“ bezeichnete. Was ist seither passiert?

Jäger: „Bei Manchester hätte Jet2.com noch die Konkurrenz mit Austrian Airlines vertragen (Anm. d. Red.: Austrian fliegt seit 15. September 2015 nach MAN), aber Austrian und Easyjet (seit 5. November 2015) sind zu stark. Uns freut es deshalb, dass Jet2.com jetzt Edinburgh als neue Strecke aufgenommen hat.“

T.A.I.: Für das neue Terminalentwicklungsprojekt nehmen Sie sich Zeit bis 2023. Resultiert dieser vorsichtige Zeitrahmen aus den negativen Erfahrungen und um das Skylink-Projekt oder gibt es andere Gründe dafür?

Jäger: „Sowohl als auch. Der Skylink hat gezeigt, dass schnell und billig bauen schwierig ist. Und dann dauern Ausschreibungen eine gewisse Zeit. Unter Zeitdruck sind Angebote oft deutlich zu teuer. Da ist es oft sinnvoller, eine Ausschreibung zurückzuziehen und neu auszuschreiben. Wenn man das nicht tun muss, dann kann’s schneller gehen. Ganz wichtig ist, auf die unheimliche Komplexität des Terminalsystems einzugehen. Wir müssen hier viele Entscheidungen treffen, mit denen wir in den kommenden 30 Jahren leben müssen. Da ist es unerheblich, ob das gesamte Vorhaben 2022 oder 2023 abgeschlossen ist. Einige Teile sind ja viel früher fertig.“

T.A.I.: Als Größenordnung werden 500 Mio. Euro genannt. Wie realistisch ist es, dass diese auch eingehalten wird?

Jäger: „Das ist die Obergrenze und wir haben die Ambition, nicht auf 499 Millionen zu kommen, sondern deutlich darunter. Wir müssen aber auch viel in den Bestand eingreifen und Umbauen ist immer komplexer als neu bauen, deshalb wurde der Rahmen so hoch angesetzt. Es ist unser klares Ziel, nicht über die 500 Millionen zu kommen, wobei die Inflation da schon eigerechnet ist.“

T.A.I.: Was waren die Beweggründe für den geplanten Zubau an der Südseite des Terminal 3?

Jäger: „Dafür gibt es zwei Gründe: Einerseits haben wir derzeit keine vernünftige Airside-Verbindung vom Terminal 3 in die anderen Terminalbereiche und vor allem den Non-Schengen-Bereich im Pier Ost, was aber für Transferverkehr sehr wichtig ist. Der zweite Grund ist, dass der Passagier heute keine Möglichkeit hat, nach dem Passieren der Sicherheitskontrolle die Aufenthalts-, Shopping- und Gastronomiebereiche in den anderen Terminalbereichen zu besuchen. Deshalb gibt es beispielsweise mehrere einzelne Duty-Free-Shops, anstelle von einem großen Bereich. Vor allem im Terminal 3, wo über 60 Prozent aller Abflüge stattfinden, haben wir keine Fashion- oder Juwelier-Betriebe und die Gastronomie ist in Spitzenzeiten oft überfüllt. Gleichzeitig hat die Plaza im Terminal 2 ein viel breiteres Angebot. Im Ergebnis liegen wir vom Umsatz pro Passagier deutlich hinter anderen Airports und das wollen wir ändern. Die drei Ziele von uns lauten deshalb: schnellere Prozesse, höhere Aufenthalts-Qualität und bessere wirtschaftliche Ergebnisse für uns. Dafür gab es keine andere und bessere Option, als den Zubau. Er ist eine sehr vernünftige Lösung.“

Für Langstrecken sind nicht die Tarife entscheidend, sondern die Überzeugung, dass die Airline langfristig damit Geld verdienen kann.

T.A.I.: Mit dem Rückzug von Austrian Airlines aus Japan verliert Wien die seit 1989 angebotenen Direktflüge in die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Waren die Flüge wirklich nicht zu halten? Zeichnet sich eine ähnliche Lösung ab, wie bei Indien, wo Air India als rascher Ersatz gewonnen werden konnte?

Jäger: „Es wird nicht so schnell gehen, wie mit Indien. Das war ein Glücksfall. Wir haben im Jänner in Delhi den Chairman getroffen. Dass die dann drei Monate später schon die Verbindung eröffnen, war schon sehr beeindruckend und so nicht zu erwarten. Der Planungshorizont ist in der Regel länger. In Japan sind wir mit allen Airlines im Gespräch und hoffe, zeitnah Ersatz zu finden, vor allem auf den touristisch wichtigen Strecken. Wir reden mit ANA, die wäre als Star Alliance Mitglied naheliegend und würde den Hub stärken, aber auch mit JAL.“

T.A.I.: Sie haben Ende April mit dem WienTourismus unter dem Titel „Airservice Development Wien“ eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Was konkret soll damit erreicht werden?

Jäger: „Die Vereinbarung ist insofern wichtig, weil es insbesondere bei Langstrecken Signalwirkung hat, wenn man gemeinsam auftritt und ein Paket schnüren kann. Für Langstrecken sind nicht die Tarife entscheidend, sondern die Überzeugung, dass die Airline langfristig damit Geld verdienen kann. Da spielt das Gesamtpaket eine wichtige Rolle und es unterstützt sehr, wenn von der Regierung bis zu den Tourismusverbänden alle an Bord sind.“

Kurzportrait Mag. Julian Jäger

Der gebürtige Oberösterreicher Julian Jäger (24. Oktober 1971) startete seine Karriere nach dem Jus-Studium an der Uni Wien Ende der 1990er Jahre bei der Coco Software Engineering GmbH, absolvierte dann sein Gerichtsjahr in Wien, und trat danach bei der Merkur Treuhand Steuerberatung ein. 2002 wechselte Jäger zur Flughafen Wien AG, war zunächst in der Rechtsabteilung, wurde später Leiter der Abteilung Business Development (Airline und Terminaldienste) und übernahm 2007 als CEO die Leitung der Flughafen-Tochter Malta International Airport. Seit September 2011 bildet er zusammen mit Dr. Günther Ofner das Vorstands-Duo der Flughafen Wien AG. Mag. Julian Jäger ist verheiratet und Vater von zwei kleinen Kindern.

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Erstellt am: 20. Mai 2016

Fotos: © Flughafen Wien AG

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