Standpunkt

Zum Genieren

Print-Ausgabe 24. März 2017

Die Aussage kam von Herzen und sie war schmerzlich: „Ich geniere mich für mein Land.“ Dieter Zümpel, in Österreichs Touristik bestens bekannter CEO von Kuoni Schweiz, ließ am Donnerstagabend bei der diesjährigen ITB in Berlin keine Zweifel daran, was er als deutscher Staatsbürger von dem am letzten Fachbesuchertag durch die Gewerkschaft ver.di losgetretenen Streik des Airport-Personals hielt.

Nicht nur der wirtschaftliche Schaden war enorm, vor allem auch das Image des Gastgeberlandes und seiner Metropole hat dadurch einen hässlichen Kratzer abbekommen. Die aus aller Welt angereisten knapp 110.000 TouristikerInnen als Geisel für den lokalen Tarifstreit von 2.000 Beschäftigten der Bodendienste an beiden Berliner Flughäfen zu nehmen, just an dem Tag, an dem die Fachbesucher ihre Heimreisen antreten sollten, ist in der Tat keine feine Sache. Mehr als 10.000 waren angesichts der Streik-Drohung erst gar nicht nach Berlin gekommen und viele verließen ab Donnerstagmittag fluchtartig Berlin, um dem drohenden Chaos zu entgehen. Pünktlich um Mitternacht schnappte die Falle zu.

Ein Glückspilz, wer rechtzeitig umdisponiert hatte, etwa durch Heimreise im Mietwagen, wie es das Team von T.A.I. tat. Am Donnerstagvormittag unter dankenswerter Mithilfe der Hertz-Manager Heinz und Nicolas Risska reserviert, stand der Ford Focus am Freitagnachmittag blitzblank aber einsam und alleine in der Hertz-Garage am Kaiserdamm. In ganz Berlin gab es zu diesem Zeitpunkt keinen verfügbaren Mietwagen mehr.

Die Fahrt auf der Autobahn hinaus aus der Stadt, durch das Biosphären-Reservat Spreewald nach Dresden, von dort über das Ende vorigen Jahres auf tschechischer Seite eröffnete letzte fehlende Teilstück durchs Böhmische Mittelgebirge nach Prag und weiter nach Brünn, war ein reines Vergnügen. Von dort ging’s flott über Autobahn und Staatsstraße weiter bis zur Grenze nach Österreich.

Da war dann Schluss mit der gemütlichen Fahrt. Und wird es noch geraume Zeit sein. Denn auf österreichischer Seite fehlt knapp drei Jahrzehnte nach Fall des Eisernen Vorhangs noch immer rund die Hälfte jener Autobahn, die Wien mit der Staatsgrenze verbinden soll. Somit muss sich der gesamte Verkehr inklusive schwerer LKW auf verwinkelten Wegen durch die kleinen Ortschaften wälzen. Eine Zumutung. Die reinste Blamage für Österreich.

Und ein Zeichen dafür, woran es mangelt in diesem Land, das von seinen Nachbarn seit Jahren bezüglich Wirtschaftswachstum gnadenlos überholt wird. Auch von Tschechien.

2019 soll die triste Lücke endlich geschlossen werden. Bis dahin geniert sich für sein Land nicht nur für einen Tag, wie Kuoni-Chef Zümpel, sondern angesichts dieser kaum zu übertreffenden wirtschafts- und planungspolitischen Ignoranz Österreichs noch in den nächsten Jahren der

Lupo

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