Standpunkt

Angst vor eigener Courage

Print-Ausgabe 25. März 2016

Die interessantesten Termine auf der ITB kommen oft am Freitag zustande, dem letzten für Fachbesucher reservierten Tag. Meistens zufällig. So auch jener des Schreibers dieser Zeilen mit einem exzellenten Kenner sowohl der deutschen, der schweizerischen als auch der österreichischen Touristik-Szene.

Es war ein anregendes Gespräch, in dessen Verlauf Österreichs Reisebüros großes Lob gezollt wurde: Die Beratungsqualität hierzulande sei deutlich besser als jene in der Bundesrepublik.

So etwas freut. Was danach kam, schon weniger. Denn – so meinte der Gesprächspartner – er verstehe nicht, weshalb diese zweifelsohne vorhandene Stärke des österreichischen Vertriebs nicht längst schon nach dem Muster der Schweiz in ein Beratungshonorar gemündet sei.

Zur Erinnerung: Das Thema wurde jahrelang diskutiert, dann 2014 engagiert vom ÖRV (Österreichischer ReiseVerband) und dessen Touristik-Ausschuss aufgegriffen, der sich dabei auf die positiven Erfahrungen der eidgenössischen Kollegenschaft stützen konnte. Wenige Monate später floss es nach intensiven Diskussionen und Analysen als wohl wichtigster Punkt in das Arbeitspapier „12 Chancen für die Zukunft der Reisebüros“ ein.

Im Vorjahr wurde von jenen Ketten, die als Vorreiter dem Beratungshonorar den Boden bereiten wollten, alle Vorkehrungen dazu getroffen, inklusive Schulung der Agents auf extra dafür konzipierten Seminaren des TTC (Travel Trainings Center). Einige wollten bereits im ersten Halbjahr 2015 das Beratungshonorar einführen, andere zögerten. Mehrfach wurde deshalb der Start verschoben. Zuletzt sollte es Anfang 2016 soweit sein. Jetzt schreiben wir bald April.

Das Argument, die seit Herbst anhaltende Buchungsflaute wäre wohl nicht das richtige Umfeld ein derartiges Honorar einzuführen, ließ unser Gesprächspartner nicht gelten. Denn das Gegenteil sei der Fall: Gerade jetzt, in Zeiten größter Verunsicherung und Fehlinformation der Konsumenten, kann das Reisebüro so gut wie seit Jahren nicht mehr seine volle Kompetenz durch fachkundige Beratung ausspielen.

Genau jetzt, wo die Unwissenheit potentieller Reisender bezüglich der geografischen Lage von Kos und Korfu zu Buchungseinbrüchen da wie dort führt, wo Konsumenten dem Irrglauben unterliegen, dass Sharm El Sheikh der Nachbarort von Hurghada ist, und nicht wirklich darüber im Bilde sind, wo denn nun eigentlich Ankara liegt und wo Antalya, wäre die beste Gelegenheit, das Beratungshonorar einzuführen. Das aktuelle Umfeld bietet dafür eine Chance, die in dieser Form nicht sobald, vielleicht sogar nie mehr, wieder kommt.

Erforderlich dafür wäre aber vor allem eines: Mut. Der scheint allerdings, anders als die Beratungsqualität, in Österreichs Reisebüros nicht so ausgeprägt zu sein. Vom Gegenteil lässt sich gerne überraschen der

Lupo

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