ANA
Nachhaltigkeit auf hoher See

Kreuzfahrt auf „grüner Reise“! CLIA-Blick in Gegenwart und Zukunft

Print-Ausgabe 14. März 2024

Der CLIA-Nachhaltigkeitsbericht zeigt laut CEO Kelly Craighead, wie bis 2050 Net-Zero-Status erreicht werden soll

Ein Großteil der zuletzt ausgelieferten Flotte wird auch noch 2050 eingesetzt, wenn die Zeichen auf Net-zero stehen – bis 2030 sollen die CO2-Emissionen um 40 % gesenkt werden

Die Kreuzfahrt-Industrie boomt: 2024 wird laut Cruisemarketwatch.com mit einem globalen Umsatz von 66,2 Mrd. US-Dollar gerechnet, ein Anstieg von +13,8 % gegenüber 2023, wobei rund 30,1 Millionen Passagiere befördert werden sollen (+4,2). Die Kehrseite der Medaille ist allerdings auch bekannt: Die Branche wird – obwohl gemäß der oben angeführten Quelle nur 360 Schiffe auf den Ozeanen unterwegs sind (das entspricht 0,6 % aller rund 56.000 Handelsschiffe, vom Öltanker, über Container- bis zu Cargo-Schiffen) – als Klimasünder gebrandmarkt. Die Branche ist also gefordert. Der neueste Nachhaltigkeitsbericht der Cruise Lines International Association (CLIA) legt laut ihrer Präsidentin und CEO Kelly Craighead dar, wie sich der Kreuzfahrtbereich in eine umweltfreundlichere Zukunft bewegt und bis 2050 der Status von Netto-Null-Emissionen erreicht werden soll.

Zunächst ist festzuhalten, was Netto-Null überhaupt bedeutet. Konkret sollen dadurch alle von Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen wieder aus der Atmosphäre entfernt werden, mit dem Ziel, die Klimabilanz der Erde auf Null zu reduzieren. Dies soll durch Reduktionsmaßnahmen geschehen und zwar in Form natürlicher sowie durch künstliche Maßnahmen.

Bereits 2030, also in sechs Jahren, wollen die CLIA-Mitglieder (über 50 Kreuzfahrtreedereien, die mehr als 95 % der weltweiten Kreuzfahrtkapazität repräsentieren) ihre CO2-Emissionen um 40 % senken. Geschehen soll dies durch eine Fülle von Maßnahmen. Dazu zählt etwa der intensive Einsatz von Landstrom (angedockte Schiffe werden dabei an eine Stromquelle angeschlossen, was die Abschaltung der Motoren ermöglicht und die Emissionen um bis zu 98 % reduziert). Bereits heute sind 46 % aller Kreuzfahrtschiffe dafür bereit, weitere 30 % sind nachrüstbar. Der Ball liegt hier bei den Hafen-Anbietern: Derzeit verfügen nur 2 % aller weltweiten Häfen über Landstrom.

Der wohl wichtigste Entwicklungsbereich liegt in nachhaltigen Schiffskraftstoffen. Deren Bandbreite reicht von Biokraftstoffen aus Pflanzenmaterial und tierischen Abfällen, über synthetische „Elektrokraftstoffe“ (hergestellt aus E-Methan und E-Methanol) und Elektro- sowie Hybridbatterien bis hin zu Bio- und synthetischem Flüssigerdgas (LNG). Auch Methanol- und Wasserstoff-Brennstoffzellen sowie Wind- und Solarenergie sollen genutzt werden. Bislang sind sie noch nicht in großem Maßstab verfügbar, im Jahr 2030 soll deren Nutzung aber einen Anteil zwischen 5 % und 10 % erreichen.

Was bereits alles möglich ist, zeigte MSC Cruises im Juni 2023 auf der Fahrt der MSC Euribia von der Werft zu ihrem Taufort in Kopenhagen: Mit Bio-LNG betrieben, konnte die MSC Euribia dabei die erste „net-zero GHG (Greenhouse Gas)“-Reise der Welt vollziehen. Rund 400 Tonnen Bio-LNG wurden dafür erworben. MSC nutzt jetzt die bei diesem Trip gewonnenen Daten, um weitere Schiffe ihrer bereits 22 Ozeanriesen umfassenden Flotte zu optimieren, die Gesamtemissionen zu reduzieren und dadurch den Dekarbonisierungs-Zielen näher zu kommen.

MSC Euribia

Ein weiteres Potenzial liegt im Bereich des Bio- oder E-Methanols, das in der Lage ist, jede Kreuzfahrt nahezu CO2-neutral zu gestalten. Als alternativer Kraftstoff wurde es bereits eingehend getestet, Bunker- sowie Sicherheitsüberlegungen sind ausreichend dokumentiert und der Bau von Methanol-fähigen Schiffen hat bereits begonnen: TUI Cruises, Celebrity Cruises, Disney Cruise Line und Norwegian Cruise Line bereiten sieben Schiffe für Methanolantrieb vor, die alle bis 2028 ausgeliefert werden. Bis dahin wird es auch 41 Kreuzfahrtschiffe geben, die allerdings noch für fossiles LNG ausgelegt sind. Alle können aber problemlos auf Bio-LNG-Kraftstoffe umgerüstet werden, sobald diese verfügbar sind.

Auch die Motoren und die Schiffe selbst sollen energieeffizienter werden. Die Entwicklungen reichen von intelligenter Beleuchtung über optimierte Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen bis hin zum verbesserten Abfallmanagement. Abwasseraufbereitungssysteme an Bord gelten etwa als wesentlich effizienter als landseitige Kläranlagen. Darüber hinaus wurde damit begonnen, Wärmetauscher zu installieren, die den von den Motoren erzeugten Dampf in Frischwasser für Duschen, Pools, Bordküchen und zum Heizen von Kabinen umwandeln.

Auch Luftschmiersysteme werden eingeführt. Dadurch wird Luft zum Boden des Schiffsrumpfs geleitet. Durch die so entstehenden mikroskopisch kleinen Luftblasen wird der Wasserwiderstand verringert, Energie gespart und zur Kraftstoffeffizienz beitragen. Auch das Design des Rumpfes wurde verändert. Dazu kommen Antifouling-Farben für die Reduzierung des Luftwiderstands durch die Bugwelle.

Auch Software kommt eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung der Kreuzfahrtbranche zu. Ihr vermehrter Einsatz hat bereits zu einer erheblichen Reduzierung der CO2-Emissionen geführt. Dazu kommen Trackingsysteme, die dabei helfen, dass Schiffe Energie aus Strömungen gewinnen: Digitale Technologien sammeln und analy­sieren Daten zu Geschwindigkeit, Routen, Motorleistung und Emissionsdaten und übermitteln diese an die Einsatzmannschaft zurück.

Eines steht fest: Da Kreuzfahrt­schiffe eine durchschnittliche Lebensdauer von 30 Jahren ausweisen, werden die rund um 2020 ausgelieferten Ozeanriesen bis 2050 im Einsatz stehen. Umso beruhigender ist die Tatsache, dass bereits im Vorjahr die MSC Euribia wie erwähnt die erste „net-zero GHG (Greenhouse Gas)“-Reise der Welt vollbrachte, und dass auch andere viel von der Zukunft vorwegnehmen, wie etwa die vier baugleichen Schiffe von Havila Voyages (Capella, Castor, Polaris und Pollux): Alle mit Baujahren von 2021 bis 2023, gelten sie als die derzeit umweltfreundlichsten Schiffe entlang der norwegischen Küste. Sie werden mit LNG betrieben und sind zusätzlich mit den größten Batteriepaketen ausgestattet, die je auf Passagierschiffen installiert wurden.

Interessant sind ergänzend dazu folgende weiterführende Berichte:
Hochsee-Neubauten 2024

Weniger Schiffe, mehr Luxus: Die Trends anhand der Neubauten

19. Jänner 2024 | Kreuzfahrten/Fähren
T.A.I. vor Ort auf der MSC Euribia

Reif fürs „Buch der Rekorde“! Erste Net-zero-Kreuzfahrt der Welt

16. Juni 2023 | Kreuzfahrten/Fähren

Kommentar schreiben

Bitte die Netiquette einhalten. * Pflichtfelder

Nach oben