Barrierefreie, öffentliche Toilette
Print-Ausgabe 19. November 2021
Martin Bruno Walther hat für T.A.I. getestet, wie eine Kreuzfahrt samt Fluganreise, Transfers und Landausflügen funktioniert, wenn man an den Rollstuhl gebunden ist
Jedes Unternehmen – auch im Tourismus – das etwas auf sich hält, setzt auf barrierefrei erreichbare Angebote und Einrichtungen. Doch wie sind diese aus Sicht der Betroffenen gestaltet? T.A.I. hat die Probe aufs Exempel gemacht, als die Einladung zu einer Costa-Kreuzfahrt für das Flaggschiff Costa Smeralda (mit umweltschonenden LNG Antrieb) einlangte. Martin Bruno Walther, seit Jahren in der touristischen Medienwelt beheimatet und seit dem Vorjahr vorwiegend mit dem „Rolli“ mouvable, war sofort Feuer und Flamme. Bei seinen Reiseeindrücken ging es nicht nur ums Schiff mit seinen Borderlebnissen (ausführlich bereits hier >>> erschienen), sondern auch um alles aus dem Blickwinkel eines Rollstuhlfahrers, inkl. An- und Rückreise (mit Austrian Airlines), Flughäfen (Wien, Rom und Barcelona), Transfers sowie Landausflüge. Hier ist sein Bericht.
Im Rollstuhl sitzen und mit einem Kreuzfahrtschiff die Weltmeere bereisen – passt das zusammen und „geht“ das problemlos? Nach anfänglichem Zweifel bot sich die Gelegenheit, genau das auszuprobieren. Möglich machte das Costa Kreuzfahrten im Rahmen eines Events an Bord der Costa Smeralda.
Los ging es mit Austrian Airlines von Wien nach Rom – die Betreuung klappte sowohl an den Flughäfen wie auch im Flieger hervorragend. Vom separaten Check-In ohne Anstellen, über das Pre-Boarding in aller Ruhe bis hin zur Abholung am Zielflughafen Rom und dem Transfer zum Hafen in Civitavecchia wurde ich bestens ver- und umsorgt.
Im Hafen ging es zunächst zum PCR-Test. Rund zwei Stunden dauerte das Prozedere in einer Halle unmittelbar vor dem Schiff, das man einfach nur boarden und kennenlernen möchte. Mit Getränken und kleinen Snacks wurde die Zeit aber verkürzt und schließlich die Costa Smeralda – 19 Decks, 337 m lang, 42 m breit und Platz für rund 6.500 Passagiere – „geentert“.
Der erste Eindruck: Trotz ihrer Größe findet man sich an Bord schnell zurecht, die barrierefreie Kabine ist gleich gefunden, die Fahrt dorthin im „Rolli“ allerdings ein wenig beschwerlich. Dies liegt daran, dass die Gänge (wie viele öffentliche Bereiche) mit flauschig-hochflorigem Teppich ausgelegt sind, der zwar stark geräuschdämmend wirkt, aber das Vorankommen im Rollstuhl erschwert, denn der „Rolli“ tendiert immer in die Webrichtung der Teppiche, will also stets „abbiegen“, obwohl die Fahrt schnurgerade durch den Gang führen sollte.
Auch die barrierefreie Kabine ist mit so einem Teppich ausgestattet. Das dortige Badezimmer präsentiert sich erfreulicherweise sehr geräumig, ist gut befahrbar und absolut barrierefrei. Überdacht werden sollte die Lage dieser Kabinen: Sie sind relativ weit von den Aufzügen entfernt. Ich selbst hatte zwar nicht wirklich Probleme auf dem Weg dorthin, eine ältere Rollstuhlfahrerin unter den Gästen meinte aber, dass sie es ohne Begleitung kaum schaffen würde.
In den 11 Restaurants und 19 Bars der Costa Smeralda ist genügend Platz, um sich auch im „Rolli“ bequem fortbewegen zu können. Die Crew ist sehr hilfsbereit, zuvorkommend und unterstützt, wo sie kann. Als Rolli-Fahrer*in wird man beim Anstellen zu den Restaurants vorgewinkt, zum Tisch geführt und bevorzugt behandelt.
In den Poolbereichen (vier Pools auf der Costa Smeralda) gibt es bei den Duschen Sitze zum Herunterklappen und eigens markierte Liegen für Rolli-Fahrer*innen. Die öffentlichen Toiletten sind sehr geräumig, ausreichend mit Haltegriffen ausgestattet und per Sensor zu öffnen.
Ein großes Thema bei Kreuzfahrten sind natürlich die angebotenen Ausflüge. Im Rahmen des Aufenthaltes nahm ich in Savona an jenem nach Finalborgo teil (das ummauerte Dorf gilt als eines der schönsten Italiens), in Marseille nach Aix-en-Provence (sie hat zwei Stadtkerne: einen römischen sowie einen mittelalterlichen) und war begeistert. Unbedingt im Vorfeld abzuklären ist, ob die Ausflüge rollstuhltauglich sind. Die Crew weiß darüber sehr gut Bescheid und berät bei der Auswahl mit viel Fachwissen.
Auch die schönste Kreuzfahrt geht irgendwann zu Ende. Da heißt es dann in Richtung Heimat starten. In meinem Fall war in Barcelona Endstation. Der Transfer zum Airport erfolgte bequem im Kleinbus. Das Einchecken am Flughafen Barcelona-El Prat ging rasch: Ich wurde vorgewinkt und von einem Mitarbeiter zu einer separaten Security-Control gebracht, die nur für Crew-Mitglieder sowie für Personen mit Einschränkungen zur Verfügung steht. Auch Preboarding und der Flug mit Austrian Airlines verliefen bequem und reibungslos. Um 23:30 Uhr in Wien angekommen, musste ich dann leider rund 20 Minuten im Flugzeug auf den Hubwagen warten. Der Grund: Abends steht nur ein derartiges Fahrzeug zur Verfügung. Pech, wenn der Flieger – so wie in diesem Fall – am Vorfeld steht. Fazit: Im Rollstuhl sitzen und Kreuzfahrten unternehmen passt sehr gut zusammen, ich kann diese Art von Urlaub auch Personen mit Einschränkungen sehr empfehlen.
Erstellt am: 19. November 2021
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