Zollfreie Gedanken

Neue Ziele

Print-Ausgabe 20. Mai 2016

Auf die linksseitig runderneuerte Regierung prasseln derzeit von allen Seiten Vorschläge, Ratschläge, heftige Forderungen und gut gemeinte Anregungen ein, was sie denn in der ihr noch verbleibenden Zeit alles tun müsse, um das Land vorwärts zu bringen. Zu neuen Zielen, also ungefähr in die Gegend, wo jene Insel der Seligen liegt, als die wir uns einstmals, lang ist´s her, bezeichnen durften. Medial begleitet wird die Regierungsumbildung von freigiebig ausgeteilten Vorschusslorbeeren und einem gehörigen Quantum Zweckoptimismus. Auch der Tourismus macht sich Hoffnungen, zumindest einige der ohnedies bescheidenen Zugeständnisse zu bekommen, die ihm das Leben in der Konjunkturflaute etwas leichter machen würden. Lassen wir uns überraschen, es gilt das Bibelwort „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen“.

Doch wenn schon von neuen Zielen die Rede ist, dürfen den Lesern und Leserinnen dieses Blattes, die sich ja permanent in der Welt des Reisens bewegen und an der Entdeckung außergewöhnlicher Plätze von Berufs wegen interessiert sind, zwei literarische Neuerscheinungen nicht vorenthalten werden: Der „Atlas der Länder, die es nicht gibt“ angelegt vom englischen Geographen Nick Middleton, und das – wie es am Titel heißt, von geheimen Städten, verlorenen Räumen, wilden Plätzen und vergessenen Inseln handelnde Buch „Die seltsamsten Orte der Welt“ seines ebenfalls aus Großbritannien stammenden Kollegen Alastair Bonnet. Das erstgenannte, liebevoll aufgemachte Werk beschreibt fünfzig Staaten samt Gründungsdatum, Nationalflagge, Hauptstadt und Landessprache. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie nicht offiziell anerkannt sind, manchmal nur eine Stahlbeton-Plattform in der Nordsee umfassen, manchmal aber als UNION DER MIKRONATIONALEN MULTI-OZIANISCHEN ARCHIPELE (UMMOA) die ganze Welt, wenn auch nur im Internet. Auch ein Inselchen in den Shetlands kommt vor, auf dem 2011 ein exzentrischer englischer Segler die autonome Region Forvik gründete.

Das zweite Buch kann unter anderem mit einer Insel – Sandy Island – aufwarten, die nie existiert hat, aber seit 1876 in allen Seekarten der Welt eingezeichnet war, bis sie 2012 endgültig daraus gestrichen wurde. Daneben werden Niemandsländer wie eine Verkehrsinsel in Newcastle, Ausnahmeräume wie Quilombo Brotas, eine afrobrasilianische Siedlung in Brasilien, schwimmende Inseln und vergängliche Orte wie ein bewohntes Parkdeck des Flughafens von Los Angeles beschrieben. Beide Reiseführer der ungewöhnlichen Art sind nicht nur für Touristiker ausgesprochen empfehlenswert. Bieten sie doch neben Anregungen für neue Reiseziele willkommene Ablenkung von den gegenwärtig zu durchlebenden interessanten Zeiten. Diese wünscht man bekanntlich in China immer schon jenen Zeitgenossen an den Hals, die man nicht besonders gut leiden kann.

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