Rottenbergs Roadbook

Die Weihnachtsfalle

Print-Ausgabe 16. Dezember 2016

„Früher war mehr Lametta.“ Keine Angst: Das wird keine Loriot-Hommage, sondern ein Weihnachtsrettungstext. Weil: Früher war nicht nur mehr Lametta, sondern Weihnachten auch anders. Wertiger. Authentischer. Weihnachtlicher eben. Drinnen und draussen: Früher war Weihnachten ja auch weiß. Immer: Leise rieselte der Schnee und unter meterhoch beschneiten Dächern feierten intakte Familien harmonisch und ohne Konsumwahn …

Stopp! Glauben Sie das von „damals“, als in der „stillsten Zeit“ „Kummer & Harm“ schwiegen, wirklich? Ganz im Ernst: Wenn Sie nicht mehr ans Christkind schreiben, sind Sie erwachsen genug für die Wahrheit: Weihnachten war immer das, was es heute ist. Nämlich genau das, was Sie – und nur Sie – draus machen: Hektisch? Entspannt? Up to you. Ausschließlich.

„Weinachten wie früher“ ist Selbstbetrug. Wie Vieles: Denken Sie – nur zum Beispiel – an all die wilden Parties Ihrer Jugend. An Heldentaten, Romanzen, Exzesse und Bubenstücke. Und jetzt stellen Sie diese zehn heroischen Nächte den tausend peinlichen, verdrängten, elenden, pickeligen Momenten Ihrer Pubertät gegenüber. Klingelt es? Wir verklären. Zeichnen weich. Färben schön. Alle.

Weihnachten funktioniert auch so: „Weihnachten wie damals“ ist eine Verklärung. Das tut weder Ihnen noch Ihrem Umfeld gut: Darum meine Weihnachtsbitte: Stilisieren Sie sich Weihnachten nicht zur unerreichbaren Ikone hoch – sondern machen Sie heute draus, was es früher (vermeintlich) war. Sie haben es in der Hand. Und – vor allem – im Kopf. Und früher war mehr Lametta.

Thomas Rottenberg

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