Rottenbergs Roadbook

Böses Laufen anderswo

Print-Ausgabe 5. Mai 2017

Eine der Vorteile des Äterwerdens ist, dass man aufhört, alles verstehen zu wollen. Etwa dass Andere regelmäßig meine schönsten Reiseerlebnisse sezieren – und mir erklären, wie grotesk die seien. Mehr noch: Böse, umweltschädlich und unverantwortlich. Dann kommt „ökologischer Fußabdruck“. „Ressourcenvernichtung“. „Dekadent“. „Klimakiller“.

Mein jüngstes Vergehen: Nun, ich war gerade in den USA. In Boston. Um dort den Klassiker unter den Klassikern zu laufen: Den Boston-Marathon. Eine Passion, die ich nicht alleine habe: Lauf-Reisen sind weltweit ein Renner – es gibt dafür auch Reise-Spezialisten. In Österreich etwa Andreas Perers „Runners Unlimited“.

Nicht jeder muss oder will laufen: Dass sich Leute an den Kopf greifen, wenn ich erzähle, dass es für mich wenig Schöneres gibt, als 42 Kilometer durch Boston oder New York zu rennen, kann ich nachvollziehen.

Wo es aber aussetzt, ist wenn ich Öko-Watschen dafür bekomme, dass ich tausende Kilometer fliege, um dann 42 zu Fuß zu gehen. „Das ginge doch auch daheim.“ (Stimmt. Ich tue das hier ja eh auch.) Kämen die CO2-Vorwürfe von Leuten, die aus Umweltgründen selbst auf Fernreisen, Strandurlaub und innerstädtisches Autofahren verzichten, gäbe es da auch eine Diskussionsbasis. Nur kommen Vorwurf und Schelte halt immer von den Anderen: Menschen, die bei „New York“ glänzende Augen bekommen, von Shoppingtrips nach London schwärmen – oder Wochenenden in Stockholm, Barcelona oder Rom.

Nur eines darf man dabei dann halt auf gar keinen Fall: Laufen. Warum auch immer.

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