Print-Ausgabe 19. März 2021
Auch wenn es im Augenblick nicht danach ausschaut – es gibt trotz flächendeckender Frustration glücklicherweise noch Menschen, die sich ihren Optimismus bewahrt haben. Zuletzt Bundeskanzler Sebastian Kurz, der bei einer Video-Aussprache mit ÖHV-Mitgliedern erklärte, er bleibe bei seiner Meinung, dass der Tourismus schon für Sommer, jedenfalls aber für den nächsten Winter mit einer „normalen“ Saison rechnen kann. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger wollte sich auf kein Datum festlegen, versicherte aber, dass man eine Öffnung im Sommer nicht „mit überbordenden Auflagen“ belasten würde. Ganz ohne werde man aber nicht auskommen, denn das Virus werde nicht verschwinden.
Neben der Bewältigung des Corona-Alltags zwischen infektionsbedingtem Auf- und Zusperren ist vor allem als Vorbereitung auf eine wenn auch begrenzte Normalität die Schaffung eines elektronischen „Impfpasses“ aktuell. Es gibt dafür bereits die elegante Bezeichnung „Grüner Pass“, ein Dokument, das bestätigt, dass Besitzer entweder gegen Corona geimpft sind, die Krankheit bereits hinter sich haben oder wenigstens negativ getestet wurden. Damit wäre der Zutritt in Hotels, die Gastronomie, Sportstätten, Theater oder Messen, aber auch Verkehrsmittel und Grenzübertritte einfach organisierbar. Tatsächlich gibt es auf internationaler Ebene bereits zahlreiche Initiativen zur Schaffung eines standardisierten Ein- und Ausreiseregimes, ausgehend von „Impfweltmeister“ Israel, das Geimpften damit wieder „Reisefreiheit“ zurückgibt, aber z.B. auch Island, Dänemark, Estland und Litauen, Rumänien, die Balearen, Seychellen oder Thailand. Wirklich übereinstimmend ist allerdings nur die Reisefreiheit für Geimpfte und Genesene im eigenen Land, von einem international anerkannten Reisedokument ist nicht einmal in der EU die Rede. Wünsche und Vorschläge für eine internationale Lösung gibt es viele, etwa vom Flughafen Wien oder von Wiens Tourismusdirektor Norbert Kettner, der für ein staatenübergreifendes „Reiseprotokoll“ eintritt, um die für den Städtetourismus nötige Reisefreiheit so weit wie möglich wiederherzustellen. Tatsächlich bastelt jedes Land an einer eigenen Lösung und sucht in Verhandlungen Partner für die Anerkennung. Auch Bundeskanzler Kurz bemühte sich darum und kam zum Ergebnis, dass es zu diesem Thema länderweise unterschiedliche Ansichten gibt. Österreich wäre in einer guten Ausgangsposition, mit der e-card stünde eine Basisorganisation zur Verfügung. Angeblich soll demnächst wenigstens ein elektronischer „Impfpass“ realisiert werden, an dem seit 2008 (!) gearbeitet wird. Als Hindernis erwiesen sich der Föderalismus, die in unzählige Einzelsysteme aufgesplitterte und daher schwer harmonisierbare Digitalisierung. Immer mehr erschwert es der Datenschutz, die Möglichkeiten der Digitalisierung auch auszuschöpfen.
Da globale Lösungen am sinnvollsten wären, sollte man meinen, dass die EU besonders gefordert ist. Tatsächlich ist sie kaum wahrnehmbar und als Grund dafür anzuführen, dass Gesundheitsfragen eben nicht in ihre Kompetenz fallen, geht völlig daneben: Das EU-Parlament hat eine eigene „Task Force“ gebildet, von der die EU-Kommission und die Mitgliedsländer zum Handeln aufgefordert wurden, um den „Sektor Tourismus vor dem Zusammenbruch zu bewahren“. Besonders angeführt wird die „Koordinierung von Gesundheits- und Reisebeschränkungen auf EU-Ebene, also genau das zur Diskussion stehende Thema. Eine erkennbare Wirkung ist bisher ausgeblieben.
Auch überzeugten Europäern fällt es inzwischen schwer, positive Beiträge der EU zur Lösung der aktuellen Probleme aufzulisten. Ein Versagen bei der Bewältigung der Migrationskatastrophe und eine Bruchlandung bei der Pandemie-Bekämpfung ergeben bei einer Gegenüberstellung mit unnötigen Hygiene-Vorschriften und Bräunungsstandards für Schnitzeln eine traurige Bilanz. Dafür die „Beamten in Brüssel“ zu schelten, geht am Ziel vorbei: Ein Blick auf die EU-Websites zeigt, dass viel und gründliche Arbeit geleistet wird, die kein aktuelles Problem unbehandelt lässt. Dass die Umsetzung so unbefriedigend ausfällt, liegt auch an den Mitgliedsländern, die eigene Wege gehen.
Der nächste große Brocken, der nur gemeinsame Lösungen erlaubt, sind Maßnahmen für die „Klimawende“. Das dafür vor dem Beschluss stehende Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energie lässt Fehlentwicklungen befürchten, ebenso die konsequente Fortsetzung des als Irrweg erkannten Überganges zur E-Mobilität. Eine EU, die sich darin erschöpft, unrealistische Grenzwerte vorzugeben, die noch nie eingehalten werden konnten, ist wenig hilfreich.
Für 9. Mai ist eine europaweite EU-Zukunftskonferenz geplant, „ergebnisoffen“. Eine Chance, das ins Schleudern geratene „Friedensprojekt“ wieder auf eine tragfähigere Basis zu bringen? Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Erstellt am: 19. März 2021
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