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Kommen wir so durch den Winter?

Print-Ausgabe 9. Oktober 2020

Mehr als die Hälfte der Deutschen zwischen 18 und 75 Jahren und nur knapp weniger der Österreicher plant noch bis Ende März einen Winterurlaub und hat dafür das nötige Budget, Zeit und vor allem auch Lust. Nur 26 Prozent wollen definitiv darauf verzichten. Das entspricht weitgehend der gewohnten Nachfragesituation. Der Haken: Wenn sich die Infektionszahlen stärker erhöhen oder gar Reisewarnungen (auch ohne ausdrückliche Reiseverbote) verfügt werden, ist schnell Schluss mit lustig, die Buchungen stürzen ab.

Das ist in Kurzform das Ergebnis des ersten „ÖW Global Talk“, mit dem die ÖW ein neues Kommunikationstool ausprobierte: Über ein Konferenzsystem sind die TeilnehmerInnen miteinander verbunden. Der erste Eindruck des „Austauschsystems“: In einer Problemsituation sicher besser als nix und billiger, aber kein Ersatz für persönliche Gespräche.

Der erste Global Talk fand mit über 200 TeilnehmerInnen aus allen Tourismusbereichen großes Interesse, schon auf Grund des Zeitlimits von einer Stunde kamen aber kaum eine Hand voll mit ein paar kurzen Fragen zu Wort. Das Thema „Gemeinsam durch den Winter“ wurde im Wesentlichen von Carmen Breuss, Managerin der DACH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz), und Herwig Kolzer für die Region Nord-West-Europa (Niederlande, Belgien, Großbritannien, Skandinavien) dargestellt, die mit der Leiterin des Bereiches Internationales Markt-Management Heidi Tscharf als Moderatorin die Nachfragesituation auf den wichtigsten Quellmärkten darstellten. Trotz zunehmender Infektionen und verschärfter einschränkender Maßnahmen ist die Grundstimmung vorsichtig positiv, man hofft auf steigende Nachfrage und keine neuen Reisewarnungen. Da die einzige erkennbare gemeinsame Linie bei Schutzmaßnahmen die Abneigung gegen einen Lockdown ist, dominiert die Verunsicherung nach dem Grundsatz „Schaun wir mal, dann seh’n wir’s eh“. Wenig hilfreich für eine Planbarkeit.

Die von Breuss zitierten Zahlen stammen aus dem „Corona Recovery-Modul“, mit dem laufend die Situation bei der Bewältigung der Pandemie-Folgen erhoben wird. In der ersten Septemberhälfte wurde auch abgefragt, welche Urlaubsarten für den Winter geplant sind. Dass von jenen, die überhaupt Urlaub machen wollen, 25 Prozent der Österreicher und 28 der Deutschen Erholung und Entspannung suchen, ist keine Überraschung. Interessanter sind jene Werte, die die Rolle des Wintersports sichtbar machen: Bei 21 Prozent der Inländer und neun der Deutschen steht der Schneesport im Vordergrund, ganz allgemein „Winterurlaub im Schnee“ planen acht bzw. sechs Prozent. Diese Ambitionen werden aber vom „Wanderurlaub“ übertroffen, den 24 Prozent der Österreicher und 19 der Deutschen planen. Die ÖW-Experten sehen darin die Fortsetzung des Trends weg vom Skifahren zur „Wintererholung“, den auch die Konkurrenz erkannt hat: In der Schweiz wird die Wander-Infrastruktur massiv ausgebaut. Ein Wermutstropfen zeichnet sich bereits ab: Preise wie beim Skiurlaub werden nicht akzeptiert.

Wie weit die Reiseabsichten real sind oder nur eine erfreuliche Grundstimmung signalisieren, ist offen. Dass Bade- und Strand­urlaub, aber auch Städtereisen einen relativ hohen Stellenwert erreichen, weckt den Verdacht, dass Urlaubsträume der Realität davon laufen. Grundsätzlich ist damit zu rechnen, dass Buchungen extrem kurzfristig erfolgen, flexible An- und Abreisemöglichkeiten und vor allem großzügige Stornobedingungen verlangt werden. Eine Preisschlacht will niemand, viele befürchten sie aber.

Die ÖW hat für die wesentlichen 12 Herkunftsmärkte die bisher größte Winterkampagne mit einem Zusatzbudget von acht Mio. Euro vorbereitet. ÖW-Kommunikations­chefin Claudia Riebler betont vor allem die Notwendigkeit, Vertrauen in die Sicherheit des Österreich-Urlaubs herzustellen. Dafür wurde der „Sicherheitscontent“ aufgebaut, der auf der ÖW-Website „austria tourism.com“ unter „ÖW Global“ alle hilfreichen Informationen präsentiert. Angesichts der ständigen eher chaotischen Änderungen keine einfache Sache.

Und was passiert, wenn die Gäste trotz allem nicht kommen? Das prominente Beratungsunternehmen Prodinger hat im Auftrag der WKO-Sparte Tourismus eine Prognose der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Krise in Form von drei Szenarien entwickelt. Im durchaus vorstellbaren Worst Case geht im anlaufenden Winter der Umsatz der Hotellerie gegenüber dem Winter 2018/19 um fast 40 Prozent, die Zahl der Nächtigungen um ein Drittel zurück. Prodinger Resumé: Ohne Hilfe ist das betriebswirtschaftlich nicht zu verkraften.
Als Schlussbemerkung wird Oscar Wilde zitiert: „Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.“ Glauben muss man halt daran.

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