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Polit-Deal kippt das Rauchverbot

Print-Ausgabe 15. Dezember 2017

Ganz unerwartet kam es nicht, aber eine Überraschung war es dann doch: Seit sich eine Regierungskoalition ÖVP/FPÖ abzeichnete, kam wieder Bewegung in die eigentlich schon abgehakte Rauchverbot-Diskussion. Schon im Wahlkampf hatten sich die Blauen für eine „Wahlfreiheit“ für die Gastwirte bei der Ausrichtung ihrer Lokale und gegen eine Bevormundung der Bürger stark gemacht. Man glaubte zwar nicht wirklich, dass sie die Ankündigung durchdrücken würden, bei einer Regierungsbeteiligung das von ÖVP und SPÖ beschlossene Gesetz zu kippen und damit das generelle Rauchverbot in der Gastronomie ab Mai 2018 zu verhindern, brachte sich aber sicherheitshalber mit seinen bekannten Argumenten in Stellung: Der Obmann des Fachverbandes Gastronomie Mario Pulker präsentierte ein Umfrageergebnis, nach dem sich zwei Drittel der Gastronomen für eine Beibehaltung der geltenden Regelung ausgesprochen haben, und leitete daraus einen „klaren Auftrag an die Regierungsverhandler“ ab, diesen „ausgewogenen Kompromiss“ beizubehalten. Alle Vertreter der Gesundheitspolitik und die Arbeitnehmervertretung erneuerten ihre Warnung vor den Folgen einer Einschränkung des Nichtraucherschutzes, bei dem Österreich ohnedies das Schlusslicht in Europa sei.

Nur H.C. Strache jubelt

Als die angehenden Koalitionspartner dann tatsächlich das totale Rauchverbot absagten, haben alle diese Argumente wohl kaum eine Rolle gespielt. In Jubel brach auch nur FP-Chef Strache aus, der seinen „Stolz auf diese hervorragende Lösung im Interesse der Raucher, der Nichtraucher und der Gastronomen“ verkündete. Gastronomieobmann Pulker zeigte sich naturgemäß zufrieden. Im Übrigen gibt es nur negative Stellungnahmen: Die Gewerkschaft vida sieht die Chance auf eine gute Regelung für die Mitarbeiter in Rauch aufgehen, die gesamte Ärzteschaft beschwört einen Rückschritt in der Gesundheitspolitik, angeführt von Noch-Gesundheitsministerin Rendi-Wagner, die bereits für die erste Sitzung des neuen Nationalrates Widerstand ankündigte. Dass alle Oppositionsparteien protestieren, liegt in der Natur der Sache. Sebastian Kurz erntet aber auch aus seinen eigenen Reihen Kritik für seinen Umfaller: Salzburgs Landeshauptmann Haslauer erklärte, er würde in seinem Bundesland am totalen Rauchverbot festhalten (was kaum möglich ist), auch aus allen anderen Ländern, sogar den ÖVP-geführten, kommt Ablehnung. Nur Niederösterreichs Landeshauptfrau Mikl-Leitner will mit einer Beurteilung auf das „Gesamtpaket“ warten.

Und warum hat sich Sebastian Kurz das angetan? Wer auf einen politischen Kuhhandel tippt, liegt richtig: Strache hatte sich mit seinem Wahlversprechen, das totale Rauchverbot zu verhindern, so weit hinausgelehnt, dass ein arger Gesichtsverlust unvermeidlich gewesen wäre, wenn er „nicht einmal das“ durchdrückt. Seine Gegenleistung wurde schon am nächsten Tag präsentiert: Seine Forderung nach Abschaffung der Kammer-Pflichtmitgiedschaft ist vom Tisch. Politprofis sind überwiegend der Meinung, dass Kurz, der genau das nicht zulassen kann, damit ein guter Deal gelungen ist.

Nicht der „Aschenbecher Europas“

Als Vorbild für die Neuordnung des Nichtraucherschutzes wird das „Berliner Modell“ angeführt, das der österreichischen Regelung sehr ähnlich ist. Vermutlich um deutlich zu machen, dass Österreich der Ruf als „Aschenbecher Europas“ zu Unrecht zugemutet wird: Von den 28 EU-Ländern gilt nur in 17 ein totales Rauchverbot und von den 16 Bundesländern Deutschlands nur in drei. Neben abgeschlossenen Raucherräumen lässt das Modell auch Einraum-Gaststätten für Raucher zu, deren Grundfläche nicht über 75 m² beträgt, in denen „keine vor Ort zubereiteten Speisen“ verabreicht werden und in die Personen unter 18 Jahren keinen Zutritt haben, ebenso wie in Raucherräume. In Österreich liegt die Grenze bei 50 m² und es gibt kein Aufenthaltsverbot für Kinder und Jugendliche, aber natürlich ein Rauchverbot, das auf 18 Jahre ausgeweitet wird. Diese Erweiterung des Jugendschutzes ist aber keine Leistung der neuen Regierung, darauf haben sich die Politiker bereits vor Monaten geeinigt. Wie die endgültige Regelung ausschaut, bleibt abzuwarten: Die Wahl zwischen Rauchern oder Eltern mit Kindern als Gäste wird nicht jedem leicht fallen. Raucherschutzwände auf- oder abzubauen ist jedenfalls nicht empfehlenswert: Bei einer Regierung ohne FPÖ ist das Rauchverbot wieder aktuell – und zwar ganz schnell.

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