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Mit Hausverstand gegen „Fake News“

Print-Ausgabe 3. November 2017

Genau zwei Jahrtausende ist es her, dass der römische Kaiser Tiberius seinem Feldherrn Germanicus einen Triumphzug in Rom genehmigte, obwohl dessen Krieg gegen die Germanen mit einem Desaster geendet hatte. Mit diesen „Fake News“ sollte die politische Stabilität im Staat gestützt werden. Mit Sicherheit war das nicht der erste Fall, in dem eine bewusste Falschmeldung gezielt meinungsmanipulativ eingesetzt wurde, und schon gar nicht wurde diese Methode von Donald Trump entwickelt, auch wenn er sich in einem Interview damit brüstete: „Eine der großartigsten von mir entwickelten Begriffe ist ‚fake‘“.

Die Methode lässt sich durch die Geschichte der Kommunikation verfolgen, von der „Propaganda“ in beiden Weltkriegen, über den Irak und Syrien bis zum „Brexit“ und Tal Silberstein im Wahlkampf im kleinen Österreich. Moralische Bedenken sind offenbar weitestgehend überwunden.

In einem Punkt ist Donald Trump die Führungsrolle nicht abzusprechen: Durch seinen auf dieser Basis geführten Medienkrieg hat er die inflationäre Verwendung des Begriffes Fake News ausgelöst. Erst das Internet und vor allem die „sozialen Medien“ von Facebook bis Instagram schufen für Dinge, die es an sich immer schon gab, jene einfache und vor allem extrem kostengünstige Verbreitungsmöglichkeit, die sie zum globalen Problem machte. Wofür in grauer Vorzeit noch ein aufwendiger Triumphzug organisiert werden musste, genügen heute ein paar Clicks.

Die Frage, wie die Auswirkungen von Fake News im Tourismus wirksam werden, stand beim 17. „Reisesicherheitsgipfel“ der Europäischen Reiseversicherung zur Diskussion. Direkte Angriffe stehen nicht im Vordergrund: Wenn jemand auf einer gefälschten Homepage eine Reise bucht und bezahlt und dann feststellen muss, das sein Geld nie ans Ziel gekommen ist, fällt dies unter „normale“ (Cyber-) Kriminalität: Wer auf so etwas hereinfällt, hat sich einfach nicht ausreichend informiert, dagegen gibt es auch keine Versicherung, meinte Vorstandschef Wolfgang Lackner. Der gezielte Einsatz von Fake News trifft die Reisebranche vor allem indirekt: Falsche oder maßlos übertriebene Berichte über Epidemien, Terroranschläge oder andere Katastrophen führen dazu, dass Reisen storniert oder ganze Regionen gemieden werden. Wie solche Aktionen ablaufen, schilderte die einschlägig spezialisierte Journalistin Ingrid Brodnig: Im heurigen Sommer kursierten in Facebook Meldungen, dass durch den Flüchtlings- Massenansturm aus Afrika in Italien die gefährliche Seuche Ebola eingeschleppt worden sei. Es sei erstaunlich, dass „bisher nur 40 Fälle gemeldet wurden“. Bei genauerem Hinsehen war leicht erkennbar, dass der Text nicht nur falsch war, sondern aus dem Jahr 2014 stammte, als es noch keine Flüchtlingsströme gab. Quelle war ein Blog, der schon durch seinen Namen „Indexpurgatorius“ verdächtig wirken musste. Trotzdem löste die Falschmeldung 88.000 „Likes“ bzw. Kommentare aus, bedeutend mehr, als über ein reichweitenstarkes traditionelles Medium erreichbar wäre. Und genug, um bange Anfragen auszulösen, ob ein Urlaub in Lignano noch sicher wäre.

Auch kommerzielle Interessen

Motive für die Verbreitung von Fake News sind vor allem ideologische und politische Ziele, bei geschätzten 50 Prozent allerdings auch handfeste kommerzielle Interessen: Mit dramatisch wirkenden Meldungen ohne Rücksicht auf deren Wahrheitsgehalt wird versucht, möglichst viele Besucher auf eine Website zu locken und diese über die Anzahl der „Clicks“ für die Werbung attraktiv zu machen.

Gut die Hälfte der Experten rechnet nicht damit, dass es gelingt, die Problematik der Fake News in absehbarer Zeit in den Griff zu bekommen. Ein auch von der EU angestrebter Ausbau der rechtlichen Möglichkeiten scheitert vor allem daran, dass die damit verbundene Einschränkung der Meinungsfreiheit für Zensurzwecke missbraucht werden könnte.

Den einzigen positiven Aspekt steuerte ÖRV-Präsident Josef Peterleithner bei: Der deutliche Trend zu Buchungen bei Reisebüros bzw. Reiseveranstaltern entspricht vor allem dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit. Wer für alles, was er sagt oder in Katalogen schreibt, haftet, tut auch alles, um Fake News auszuschalten. In erster Linie ist das „Quellenkritik“: Woher eine Information kommt, zeigt häufig, was von ihr zu halten ist. Hilfreich kann die Plattform „mimikama.at“ des Vereins zur Aufklärung von Internetmissbrauch sein. Schon eine einfache Maßnahme kann aber davor schützen, Fake News auf den Leim zu gehen: Den Hausverstand einschalten.

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