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Digital-Strategie: Zum „Soll“ fehlt das „Wie“

Print-Ausgabe 6. Oktober 2017

„Auch neue Produktkreationen wie z. B. Schnitzkurse im Programm des Hotels, Yoga am See oder digitale Wanderführer setzen branchenübergreifende Zusammenarbeit voraus und schaffen neue Anreize für die Gäste“. Diese Anregung für die Schaffung personalisierter Servicebündel wird in der „Digitalisierungsstrategie für den österreichischen Tourismus“ vermittelt. Klingt zwar ziemlich altbacken, das hat es schon vor dem Einsatz des ersten Computers gegeben, nur der Wanderführer war damals noch auf Papier gedruckt. Aber richtig ist es noch immer. Was irritiert ist der Umstand, dass dieser Rückgriff ins analoge Altertum des Tourismus praktisch die einzige konkrete Empfehlung in der 40-seitigen Broschüre ist. Sie wurde bei der Präsentationspressekonferenz der Strategie im Wirtschaftsministerium zwar aufgelegt, aber nicht einmal erwähnt. Das war eine gute Idee: Nach einem Überblick von Wirtschaftsminister Harald Mahrer über das Ergebnis, die ein hundertköpfiges Expertengremium in drei „Strategiezielen“ und 22 „Maßnahmen“ unterbrachte, hat sich – wie das Medienecho zeigte – kaum jemand die Mühe gemacht, da ein wenig hineinzulesen. Damit blieb weitgehend unerkannt, dass die Sammlung von allgemein gehaltenen Überschriften und Formulierungen kaum eine taugliche Leitlinie für die Bewältigung der Probleme der Digitalisierung sein kann: Die grundsätzlichen Feststellungen bringen zwar wenig Neues, mögen aber zutreffend sein, bei den Maßnahmen dominiert aber das „Soll“, das „Wie“ in Form realistischer Lösungsmöglichkeiten für lange bekannte Probleme ist nur ansatzweise vorhanden.

Wer es genauer wissen möchte, findet die Broschüre im Internet. Hier müssen zwangsläufig ein paar Beispiele genügen. So wird als erste Maßnahme zur Reduktion der Abhängigkeit von den teuren internationalen OTA‘s bzw. Buchungsplattformen die „Kooperationen von Incoming Reisebüros und der Hotellerie sowie vermehrte Direktbuchungen“ angeregt. Tolle Idee: Genau das versucht die Hotellerie seit Jahren. Eine Maßnahme sieht – auch nicht neu – eine „Vereinfachung der Förderabwicklung“ vor. Durch Bürokratieabbau den Gastgebern mehr Zeit für die Gäste zu verschaffen, ist seit ewig ein Wunschtraum der Hoteliers. Um im Marketing „die richtige Botschaft zum richtigen Zeitpunkt über den richtigen Kanal“ zu vermitteln, könnten die Wirtschaftskammern, die Landestourismusorganisationen und die ÖW „Roadshows in die Destinationen“ organisieren. Ältere erinnern sich noch an die Kohorten von Funktionären und Hoteliers, die mit Blasmusikbegleitung Prospekte verteilend durch Deutschland und die Niederlande zogen. Dieser Werbeaktionismus war schon damals überholt.

Beratungsbedürftig

Relativ breiten Raum nimmt das Ziel „Innovationskraft der Betriebe stärken“ ein. Kein Wunder: Die Redaktion der Broschüre – und offenbar auch der Strategieentwicklung – lag bei der Agentur „winnovation consulting“, die auf dieses Thema spezialisiert ist. In einer „maßgeschneiderten individuellen Diagnose“ soll das „Potential der Innovationsfähigkeit der Betriebe“ ermittelt und neue Strategien entwickelt werden. Wenn das geht, dann nur unter Beiziehung von „Innovations- und Digitalisierungscoaches“. Wie überhaupt die gesamte Digitalisierungsstrategie beratungsbedürftig angelegt ist.

Das Sammeln von Daten gehört zur Basis jeder Digitalisierung. Im Tourismusmarketing ist relativ klar, worum es dabei geht, welche Daten man von der Hotellerie erwartet, bleibt offen. Die nächsten Mai in Kraft tretende europäische Datenschutz-Grundverordnung bindet das Sammeln und noch mehr die Verarbeitung „personenbezogener Daten“ an eine ausdrückliche Zustimmung der Betroffenen, das berühmte Hakerl in einem Kästchen auf der Website als Freibrief hat ausgedient, theoretisch kann schon die Weitergabe von ein paar Telefonnummern zu einer Strafe führen. ÖW-Chefin Petra Stolba versicherte, dass die Tourismuswerbung mit anonymisierten Daten auskommt. Für die Hotellerie sind personenbezogene Informationen aber ein „Schatz“, dessen Wert durch die EU-Verordnung in Frage gestellt erscheint. In der Digitalisierungsstrategie wird dieses Thema nur mit einem „Exkurs“ angerissen.

Kritiker werden mit dem Hinweis darauf ruhig gestellt, dass nur ein „Rahmen“ erstellt wurde, der noch „vertieft“ werden soll. Wenn man das Thema ernst nimmt, wird das sicher nötig sein. Vielleicht kommt man dann auch ohne das „Digitalisierungs-ABC“ im Anhang aus, das auf drei Seiten 57 Begriffe erläutert, davon 51 englische.

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