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Ein Goldfisch im Haifischbecken

Print-Ausgaben 2. Juni 2017

Wer meint, dass eine „Multimarkenstrategie“ im Hotelbereich ein Geschäftsmodell ist, das die Kapazität internationaler Ketten voraussetzt, wird durch das Beispiel der Ipp-Hotels eines Besseren belehrt: Man kann auch mit nur sieben Häusern, rund 500 Zimmern, 170 Mitarbeitern und elf Mio. Euro Umsatz dreispurig fahren und damit erfolgreich sein. 1997 gründete Alexander Ipp seine Hotelbetriebsgesellschaft, deren 20. Bestandsjubiläum ein Anlass zur Frage ist: Wie geht das?

Multimarkenstrategie

Die familiären Wurzeln von Alexander Ipp liegen im Waldviertel, aber nicht im Tourismusgeschäft: Es gab kein Familienunternehmen zum Übernehmen. Nach der Handelsakademie und der Hotelfachschule kamen Wanderjahre durch alle Bereiche der internationalen Kettenhotellerie. Prägend war die Tätigkeit bei Accor Hotels, die als eines der weltweit größten Hotelunternehmen eine besonders differenzierte Multimarkenstrategie betreibt.

Für den Schritt in die Selbständigkeit kehrte Ipp in seine Heimatregion zurück und übernahm das Hotel „Althof Retz“, dem einige Jahre später das Hotel „Schwarzalm“ bei Zwettl folgte, zwei renommierte, aber sanierungsbedürftige Häuser, die nun unter der Marke „Landgut & Spa“ zusammengefasst sind. Dazwischen lag die Übernahme des Hotel „Atlantis“ bei der Wiener Stadthalle, das derzeit zum „arte Hotel – Wien“ umgestaltet wird. Die Marke „arte“, die auf „Kunst & Lifestyle“ mit österreichischer Prägung fokussiert ist, startete mit dem „arte Krems“ an Rande der „Kunstmeile“ der Stadt, im Vorjahr folgte als erster Schritt in den Westen das „arte Hotel Kufstein“ und im Frühjahr 2019 ist die Eröffnung des „arte Hotel Salzburg“ vorgesehen, mit 120 Zimmern das größte Haus der Gruppe. Erst kürzlich eröffnet wurde das „I’m Inn Wieselburg“, das gemeinsam mit dem „Stadt Hotel“ Waidhofen a.d.Thaya die Marke „Smart & Budget“ mit dem Signet „I’m Inn“ (etwa: meine Herberge ) einleitete, für die Ipp noch große Entwicklungsmöglichkeiten sieht.

Eines der Erfolgskriterien jeder Gruppe ist die Standortwahl. In Wieselburg war der positive Aspekt vor allem, dass die Stadt ein regionaler Wirtschaftsschwerpunkt mit acht erfolgreichen Messeveranstaltungen ist. Zum Unterschied von Regionen, in denen Tourismus einfach „passiert“, muss in anderen erst entsprechendes Bewusstsein geschaffen werden. Der Hotelier muss damit rechnen, etwa 20 Prozent seiner Arbeitszeit in die Entwicklung der Region bzw. der Destination zu investieren: Er muss die lokale Organisation – etwa den Tourismusverein –vor sich her treiben, um das Bemühen um Gäste als gemeinsame Aufgabe zu etablieren. Auch überregional ist Entwicklungshilfe hilfreich, Alexander Ipp leistet sie als ÖHV-Vizepräsident und in der Wirtschaftskammer im zuständigen Ausschuss.

Das Unternehmen ist grundsätzlich auf Expansion ausgerichtet – aber „behutsam“: Für die notwendigen Investitionen sind weder Finanzunternehmen noch institutionelle Anleger erwünscht, deren Gewinnansprüche leicht zu einer Überforderung führen können. Bevorzugt werden Partner mit regionalen Interessen, wie etwa Brauereien, ein Einkaufszentrum, die Gemeinde oder lokale Konsortien, denen ein gut fundiertes, leistungsfähiges Unternehmen wichtig ist. Ipp sieht sein Unternehmen als reine Betreibergesellschaft, die die Häuser als Pächter mit Hybridverträgen führt: Ein fixer Betrag und eine erfolgsabhängige Beteiligung ermöglichen ein vernünftiges „Risk Sharing“.

Als klassische „Hotelkette“ möchte Ipp sein Unternehmen nicht sehen, eher als „Nischenplayer“, als „Goldfisch im Haifischbecken“. Die Gruppe „Ipp Hotels“ ist auch nicht als „Dachmarke“ zu verstehen, sondern als „Fundamentmarke“, als gemeinsame Basis, die stark genug ist, um auch im internationalen Hotelgeschäft wahrgenommen zu werden.

Neben der Geschäftsführung, die Visionen und Strategie vorgibt, wurde zwar ein mittleres Management etabliert, das neben Administration und Logistik auch Marketing und den Gruppeneinkauf wahrnimmt. Grundsätzlich behält aber jedes Haus seine Eigenständigkeit, gemäß dem Markenlogo „Individuell – Persönlich – Professionell“. Jedes ist ein eigenes Profitcenter – und alle sind im grünen Bereich.

Die Voraussetzung, um in einem Haifischbecken erfolgreich zu sein, ist aber eine Unternehmerpersönlichkeit, die nicht nur Visionen hat, sondern auch die entsprechende Durchschlagskraft, um sie zu realisieren. Lernen kann man das nicht – daher sind die Goldfische, die in diesem Umfeld überleben, so selten.

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