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Deklarationspflicht hat eine Kehrseite

Print-Ausgabe 19. Mai 2017

Dass die Landwirtschaft vom Gastgewerbe fordert, die Herkunft von Fleischprodukten auf der Speisekarte auszuweisen, ist fast schon ein alter Hut. Kürzlich verlangte dies auch die Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter, mit der Begründung, dass in der Gastronomie immer mehr „billigste ausländische Molkereiprodukte“ verwendet würden. Und schließlich meldeten sich noch die „Erzeugergemeinschaft Frischei“ und die Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ zu Wort, die eine Herkunftsdeklaration von Eiern und Geflügel mit der Begründung einmahnten, den Konsumenten sei nicht bewusst, dass auf Grund unzureichender Tierschutzstandards in anderen Ländern „Tierleid auf höchstem Niveau“ importiert würde.

Vorbild Schweiz

Neben dem damit verbundenen bürokratischen Aufwand gibt es noch ein Argument, eine Deklarationspflicht abzulehnen: Die Standardbegründung für diese Forderung stellt das „Recht der Konsumenten“ in den Vordergrund, darüber informiert zu werden, woher die Produkte stammen, die sie auf den Teller bekommen. Weil die gesund ernährten österreichischen Rinder, Schweine und Hühner von höchster Qualität sind, soll das den „Verbrauchern“ auch vermittelt werden. Halblauter Nachsatz: Und sie motivieren, die mit der Hohen Qualität verbundenen Mehrkosten in Kauf zu nehmen und nicht auf billigere Importware auszuweichen. Diese positive Argumentation hat allerdings eine Kehrseite: Eine Deklarationspflicht müsste nicht nur für österreichische, sondern für alle Produkte gelten. Tatsächlich wird jede Tierseuche wie BSE oder Vogelgrippe und jeder Gammelfleischskandal zum nachdrücklichen Hinweisen genutzt: „Schaut nur, was für ein Dreck aus dem Ausland kommt. Nur mit unseren Produkten seid ihr sicher“!

Als Vorbild wird immer wieder die Schweiz angeführt, die als einziges europäisches Land in der Folge der BSE - Seuche 1996 eine Deklaration der Fleischherkunft auch für die Gastronomie vorgeschrieben hat. Das Produktionsland muss schriftlich bekanntgegeben werden. Die Herkunftsangabe ist nicht für jedes einzelne Gericht vorgeschrieben, die verwendeten Fleischsorten werden aufgelistet und mit den Herkunftsländern versehen. Ein Beispiel: „Rindfleisch: Schweiz/USA/Brasilien“. Diese Methode ist aber nicht wirklich informativ.

In einer Pressekonferenz des Team Stronach zum Gammelfleischskandal kritisierte Wirtschaftssprecher Steinbichler, dass in Österreich viel Rindfleisch aus Argentinien und Brasilien verkauft würde: „Dem Käufer wird vorgegaukelt, dass er gesundes Fleisch kauft, von frei herumlaufenden Kühen. Die Realität sieht anders aus, die Rinder werden, zusammengepfercht in riesigen Herden, mit Hormoncocktails gefüttert“. Bei  dem Skandal ging es um eine kriminelle Aktion mit überaltetem und verdorbenem Fleisch, die mit der Haltung der Tiere überhaupt nichts zu tun hatte. Und bei einer Pressekonferenz der Grünen wurden als Muster für eine „Best Practice - Speisekarte“ diese Beispiele präsentiert: „Rump-Steak vom Pillersee- Kalb, BIO – Mutterkuhhaltung aus reiner Vollmilch – und Freilandhaltung“ gegenüber „Pasteurisiertem Flüssigei aus osteuropäischer Käfighaltung“ oder „Dänische Kastenstandsau aus Massentierhaltung“.

Das Heruntermachen ausländischer – und aller „industriell verarbeiteten“- Produkte – fällt unter Konsumententäuschung, weil es in dieser pauschalen Form einfach nicht wahr ist. Von einer Landwirtschaft, die selbst stark exportabhängig ist, könnte man mehr Fairness erwarten. Es gibt kaum repräsentative internationale Qualitätsrankings, aber in einem Punkt herrscht Übereinstimmung: Das meiste Vertrauen haben die Menschen in die Produkte des eigenen Landes. Aus der Sicht von außen landet das Vertrauen in die Qualität österreichischer Produkte nur im Mittelfeld.

Negativmarketing belastet

Dass Österreichs Landwirtschaft ausgezeichnete Produkte liefert, ist unbestritten, und das entsprechend zu vermarkten, natürlich legitim. In welcher Form das geschieht, muss jeder selbst entscheiden. Wenn das Interesse der Konsumenten an der Herkunft ihres Schnitzels wirklich so groß ist, wird die Gastronomie gerne mitwirken, wie das ja auch schon geschieht. Aber ohne Verpflichtung: Aus wirtschaftlichen Gründen muss sie die Möglichkeit haben, auch Produkte zu verwenden, die vielleicht nicht die höchste, aber einwandfreie Qualität bieten. Das durch Negativmarketing belastete Image ihrer Herkunft ist aber kein Anreiz, diese auch noch zu deklarieren.

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