Print-Ausgabe 17. November 2023
T.A.I.: Sie stehen seit Sommer 2018 an der Spitze der Sektion und wurden heuer für weitere fünf Jahre bestätigt. Wie verlief Ihre bisherige Karriere?
Ulrike Rauch-Keschmann: „Ich habe nach dem Jus-Studium schnell in Richtung Kommunikation gewechselt. Zunächst bei Austrian Airlines in die Finanzkommunikation, anschließend bei der PR-Agentur Publico und im Bildungsministerium als Pressesprecherin von Ministerin Elisabeth Gehrer. Nach der Geburt meiner Kinder – heute 19 und 16, übrigens beide am MODUL – übernahm ich 2009 die Unternehmenskommunikation der Österreich Werbung (ÖW). Ende 2017 wanderten die Tourismusagenden vom Wirtschaftsministerium in das neue BM für Nachhaltigkeit und Tourismus, ebenso wie die Agenden für Regionalpolitik und Raumordnung, die bis dahin im Bundeskanzleramt angesiedelt waren.
Im Frühjahr 2018 fiel dann die Entscheidung, die vier Tourismusabteilungen mit weiteren zwei Abteilungen in eine neue Sektion „Tourismus und Regionalpolitk“ zusammenzuführen – auf die ich mich dann beworben habe. Nach zwei Jahren dann die erste Ressortumbildung ins BM für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, im Frühjahr 2022 fielen dann die Entscheidungen, die Tourismus-Sektion ins Ministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW) zu verlagern und ein eigenes Staatssekretariat für Tourismus zu bilden. Ich hatte in den bisherigen fünf Jahren immer das Glück, dass Politiker:innen an der Spitze des Ministeriums standen, die ein großes Interesse am Tourismus haben, der dadurch eine hohe Aufmerksamkeit genießt. Er erhält dadurch jene Wertschätzung, die er verdient.“
T.A.I.: Worin liegt Ihr Fokus in den kommenden fünf Jahren?
Ulrike Rauch-Keschmann: „Da geht es mir vor allem darum, den Plan T weiter konsequent umzusetzen. Mit dem Plan T ist uns durch die Zusammenführung von Tourismus und Regionen sowie die breite Beteiligung der Branche bei der Erarbeitung wirklich etwas Großartiges gelungen. Aus der Geschichte heraus wurde der Tourismus ja immer nur sektoral betrachtet. Dabei ist keine andere Branche so mit den Regionen verwurzelt. Der Plan T ist nicht nur eine Grundlage für Tourismuspolitik, sondern ein lebendiges Dokument. Er ist mit seinen neun Handlungsfeldern aktueller denn je und in der Branche felsenfest verankert. Während Corona ist der Plan T etwas in den Hintergrund geraten, jetzt aber wieder eine starke Richtschnur und wichtig für alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit.“
T.A.I.: Welche sind das?
Ulrike Rauch-Keschmann: „Die ökonomische, die ökologische und die soziokulturelle Dimension. Wir müssen immer schauen, wo gerade bei diesen drei Themen die Druckpunkte sind. Im Vorjahr war das etwa das Thema Energie, jetzt liegt der Fokus auf „unbalanced tourism“. Es geht also für uns immer um die Frage, wo die Branche Unterstützung braucht, um sie auf den Weg der Nachhaltigkeit zu begleiten. Wie zuletzt bei der Neuausrichtung der gewerblichen Tourismusförderung mit Fokus auf Resilienz.“
T.A.I.: Wie sehr fehlt Ihnen bei all dem der bis Frühjahr 2022 in Ihrer Sektion inkludierte Bereich Regionalpolitik?
Ulrike Rauch-Keschmann: „Persönlich tut mir das schon weh. Es gab durch die sechs Abteilungen und das sektionsübergreifende Geschäftsfeld „Lebensraum Regionen“ viele Synergien. Wir haben Dinge gemeinsam entwickelt, u.a. die Regionenstrategie, die jetzt vom Nachbarressort umgesetzt wird. Die Zusammenführung von Tourismus und Regionalpolitik hat aus meiner Sicht überhaupt erst den Paradigmenwechsel im Plan T ermöglicht, also weg von der sektoralen zur regionalen Betrachtung. Diese Idee lebt weiter. Es gab viele gemeinsame Projekte, als wir zusammen waren. Die laufen weiter. Und die Zusammenarbeit wird fortgeführt, auch wenn sie jetzt Ministerien-übergreifend ist. Aktuelle Beispiele dafür sind die beiden Pilotprojekte von RESY (Regionale Informations- und Monitoringsysteme in Tourismusregionen) in der Städteregion Wels und der Ferienregion Nationalpark Hohe Tauern.“
T.A.I.: Tourismus ist in Österreich Landessache. Wie intensiv arbeiten Sie mit den jeweiligen Tourismusreferent:innen zusammen und was kann die Sektion dabei erreichen?
Ulrike Rauch-Keschmann: „Es war nie ein Thema, dass die Bundesländer etwas an ihrer Zuständigkeit aufgeben. Das ist in der Verfassung so festgeschrieben und es macht auch Sinn, dass Tourismus in die Landeskompetenzen fällt. Wichtig ist aber, dass Bund und Länder kooperieren. Das hat sich auf der politischen Ebene bestens etabliert, ebenso auf der Verwaltungsebene. Im Bereich der Politik gibt es etwa seit 2019 die jährliche Landestourismusreferent:innen-Konferenz, an der auch das Staatssekretariat aktiv teilnimmt. Unsere Sektion bereitet diese Treffen im Rahmen der regelmäßig tagenden Steuerungsgruppe Bund/Bundesländer gemeinsam mit den für Tourismus zuständigen Abteilungsleiter:innen für die politische Ebene vor. Wir sind aber auch schon bei der Erarbeitung des Plan T mit unseren Workshops in alle Bundesländer gegangen, an denen auch zahlreiche Vertreter:innen der Landesregierungen und der LTOs (Landestourismusorganisationen) teilgenommen haben. Die Zusammenarbeit funktioniert mit allen Bundesländern gut.“
T.A.I.: Können Sie ein aktuelles Beispiel nennen?
Ulrike Rauch-Keschmann: „Nehmen wir die ‚Short Term Rental Initiative‘ (STRs) der EU, die Verordnung zur Regulierung der Kurzzeitvermietung, die voraussichtlich im Dezember beschlossen wird. Unsere Sektion beobachtet von Beginn an die laufende Entwicklung und gibt die Informationen an die Bundesländer weiter, inklusive der möglichen Konsequenzen, sobald die Verordnung in Kraft tritt. Wir holen dann wiederum die Positionen der Bundesländer – aber auch weiterer Stakeholder – ein, stimmen diese auf nationaler Ebene ab und bringen sie in Verhandlungen auf EU-Ebene ein. Wir verstehen uns in solchen Prozessen, wo eine nationale Position Sinn macht, als koordinierende und impulsgebende Stelle – und zählen so neben den Bundesländern und den Interessensvertretungen zu den zentralen Playern im Tourismussystem.“
T.A.I.: Mit der Österreich Werbung (ÖW) und den Tourismusförderungen – allen voran über die OeHT – verfügt die Sektion nach eigenen Angaben über „zwei wichtige tourismuspolitische Steuerungsinstrumente“. Wie sehr kann die Sektion tatsächlich steuern?
Ulrike Rauch-Keschmann: „Die ÖW hat mit den 30 Mio. Euro, die wir als eines der zwei Vereinsmitglieder pro Jahr zahlen, einen Auftrag zu erfüllen: Die Positionierung und Weiterentwicklung der Marke Urlaub in Österreich, aber auch Kooperation und Innovation. Die Strategien dazu werden im Präsidium gemeinsam mit der ÖW-Geschäftsführung vereinbart. Es geht darum, wie Österreich international auftritt und – in Zukunft noch viel wichtiger – wie der Innovationsansatz umgesetzt wird. Da passiert bei der ÖW derzeit viel, auch bezüglich Nachhaltigkeit.
Die OeHT wiederum ist formal Auftragnehmerin des Bundes. Da gestalten und steuern wir vor allem über die Förderrichtlinien. Der Fokus liegt derzeit auf Nachhaltigkeit und Resilienz. Ich bin überzeugt, dass beide – also ÖW und OeHT – in der Branche großen Nutzen stiften und Beiträge leisten, dass der Tourismus konkurrenzfähig ist und sich in Richtung Nachhaltigkeit weiterentwickelt.“
T.A.I.: Welche Bedeutung kommt der Sektion – abgesehen von ÖW und OeHT – bei Erreichen des Zieles zu, Österreich zu einer der nachhaltigsten Tourismusdestinationen der Welt zu machen?
Ulrike Rauch-Keschmann: „Neben den beiden genannten Instrumentarien versuchen wir, die Branche über Info-Materialien, Studien, Best Practice-Beispiele etc. weiterzubringen. Das passiert auch über regelmäßige Plattformen oder Austauschformate. Zuletzt konnten wir z.B. für die Branche mit dem bereits 10. Tourismus-Mobilitätstag Nutzen stiften. Man muss das Rad nicht immer neu erfinden, wir wollen gute Beispiele der Branche aufzeigen, damit andere davon lernen können. Ebenso wichtig ist der Austausch über Lösungen, die nicht gut funktioniert haben, damit andere nicht denselben Fehler machen. Beim nächsten Format am 21. November in Salzburg geht es um EU-Projekte im Alpenraum – eine ganztägige Veranstaltung, die wir im Vorjahr über den Donauraum gemacht haben … Es gibt schon viel Gutes!“
T.A.I.: Ein ganz anderes Thema sind Ankünfte- und Nächtigungszahlen. Welche Rolle kann die Sektion spielen, wenn es darum geht, z.B. auch Wertschöpfungszahlen zu kommunizieren?
Ulrike Rauch-Keschmann: „Das ist immer eine Frage der Verfügbarkeit von Zahlen. Kann man überhaupt Umsatzzahlen quartalsweise oder saisonal kommunizieren? Wir versuchen seit dem Plan T neue Indikatoren zu verwirklichen, die sowohl wirtschaftliche, ökologische, aber auch soziokulturelle Entwicklungen abbilden. Viele Daten sind aber leider schwer oder nur sehr zeitverzögert verfügbar. Wobei die Datenerfassung durch die Digitalisierung immer besser wird. Entscheidend ist die Frage, was ich mit diesen Daten aussagen will. Wann ist Tourismus erfolgreich? Ankünfte und Nächtigungen sind entsprechende Indikatoren, Wertschöpfung auch. Auf dem Weg zu einer der nachhaltigsten Tourismusdestinationen geht es aber auch um andere Faktoren, wie Energie-Daten, Gästezufriedenheit oder Tourismusakzeptanz. Auch das österreichische Umweltzeichen ist ein wichtiger Indikator. Unser Ziel ist, die Zahl der zertifizierten Betriebe und auch Destinationen laufend zu erhöhen. Die Entwicklung all dieser Erfolgsindikatoren veröffentlichen wir seit drei Jahren im jährlich erscheinenden Tourismusbericht – eines der greifbarsten Ergebnisse des Plan T.“
T.A.I.: Noch eine letzte Frage: Sie erwähnten das digitale Gästeblatt. Was kann die Sektion dazu beitragen, die Umstellung auf das digitale Gästeblatt in allen Bundesländern zu bewerkstelligen?
Ulrike Rauch-Keschmann: „Das ist ein großes und wichtiges Thema. Die Verfügbarkeit von Daten, wer aus welchem Land gerade in Österreich ist, hätte viele Vorteile. Vor zwei Jahren haben wir zusammen mit dem Bundesrechenzentrum (BRZ) eine Machbarkeitsstudie beauftragt. Es braucht demnach zwei Register: Ein Beherbergungsregister von der Hotellerie bis zum Privatvermieter und ein Gästeregister. Beide müssen miteinander verknüpft werden. Wir widmen uns seit einem guten Jahr intensiv der Frage, wie man das Beherbergungsregister lösen und alle Vermieter erfassen kann. Das ist durchaus komplex. Hier spielt auch wieder die vorhin angesprochene EU-Verordnung hinein. Derzeit klären wir das mit den Bundesländern und nehmen somit eine Koordinierungsrolle wahr, um ihnen die Möglichkeit zu geben, Lösungen zu finden, um am Ende eine nationale Lösung zu haben. Das wird von den Bundesländern denke ich auch als nutzenstiftend wahrgenommen. Die notwendigen Grundlagen sind dabei sowohl technischer als auch rechtlicher Natur – und wir tun unser Möglichstes, beide noch 2024 auf den Boden zu bringen.
Der Plan T - Masterplan für Tourismus wurde in einem breiten Beteiligungsprozess - Kernstück waren neun Workshops mit mehr als 500 Teilnehmer:innen aus allen Bundesländern – erarbeitet und im Frühjahr 2019 fertiggestellt. Er dient als Grundlage für Österreichs Tourismuspolitik in den nächsten Jahren und die nachhaltige Weiterentwicklung des Tourismusstandortes. Ergänzt wird dieser Masterplan durch einen Aktionsplan (der aktuelle wurde für 2023 – 2024 heuer im Jänner von Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler präsentiert), der konkrete Umsetzungsschritte beinhaltet.
© Fotos: Enzo Holey, Weinwurm Fotografie
Erstellt am: 17. November 2023
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