ANA
„Im Zeichen der Sterne“

„Green Deal“ und „net zero“ Was bedeutet dies für den Tourismus?

Print-Ausgabe 16. Februar 2024

„Der ‚Green Deal‘ der EU ist unser neuer Generationenvertrag“, so Petra Stolba

Ersteres ist ein neuer Generationenvertrag, zweiteres bedeutet Klimaneutralität – die Auswirkungen auf Österreichs wichtigsten Wirtschaftszweig sind mannigfaltig

Der europäische „Green Deal” – mit ihm wollen die 27 EU-Mitgliedstaaten bis 2050 klimaneutral werden – und dessen Auswirkungen auf den Tourismus sind ein umfangreiches Thema. Im Rahmen der T.A.I.-Serie „Im Zeichen der Sterne“ widmet ihm Petra Stolba, Kabinettschefin des Ersten Vizepräsidenten des Europäischen Parla­mentes, deshalb diesen und die kommenden Beiträge (der erste war der „Green Claims Richtlinie“ gewidmet). Stolba: „Der ‚Green Deal‘ der EU ist unser neuer Generationenvertrag.“

In der EU wird gerade intensiv darum gerungen, die Vorsätze zum „Green Deal“ auch nach den anstehenden EU-Wahlen umzusetzen. 11 Mitgliedsstaaten (darunter Öster­reich) haben kürzlich auf ehrgeizige Klima-Zwischenziele bis 2040 gepocht. Die Kommission schlägt daher 90 % weniger Emissionen bis 2040 vor.

Aber was ist der „Green Deal“ eigentlich? Es handelt sich, wie erwähnt, um das Klimapaket aller EU-Mitgliedsländer. Bis 2050 soll die Euro­päische Union dadurch „net zero“ (klimaneutral) werden und die Treibhausgas (THG)-Emissionen so weit wie möglich reduziert werden. Die dann noch verbleibenden Emissionen werden dem „Green Deal“ zufolge aus der Atmosphäre absorbiert, z. B. durch Wasser oder Wälder. Es ist mit Sicherheit das größte Wachstums- und Transformationsprojekt für Europas Wirtschaft und Gesellschaft.

Europa soll mit dem „Green Deal“ der erste klimaneutrale Kontinent werden und niemand – weder Mensch noch Region – wird im Stich gelassen. Die Transformation soll dabei kosteneffizient, sozial ausgewogen und gerecht stattfinden.

Warum ist „net zero“ wichtig? Laut der Wissenschaft kommt es durch die vom Menschen verursachten THG zu einem „Glashauseffekt“. Unser Planet erwärmt sich und treibt damit den Klimawandel an. Daher haben alle Staaten dieser Welt das Pariser Klimaabkommen 2016 unterschrieben und vereinbart, diese Erwärmung auf im besten Fall 1,5 Grad einzudämmen. Dafür müssen wir „net zero“ werden.

In Europa haben sich alle 27 Mitgliedsländer 2019 diesem Ziel verpflichtet und einen Weg dorthin vereinbart: Bis 2030 sollen die Emissionen um 55 % gegenüber 1990 reduziert werden, bis 2050 zu 100 %. Diese Ziele wurden 2021 rechtlich verbindlich von allen Mitgliedsländern im europäischen Klima­gesetz beschlossen.

Natürlich bietet der Übergang zur Klimaneutralität enorme Chancen für Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und Technologie, aber er erfordert auch eine Umstellung. Umgesetzt werden diese Ziele durch ein Paket legistischer Initiativen. Alle Politikbereiche werden dazu beitragen: Umwelt, Energie, Verkehr, Industrie, Landwirtschaft und nachhaltiges Finanzwesen.

Welche konkreten Initiativen gibt es beim Green Deal? Mit dem 2020 verabschiedeten Herzstück „Fit for 55“ (Reduktion der THG bis 2030 um mindestens 55 %) wurden bestehende Rechtsakte überarbeitet und neues Regelwerk beschlossen. Zentral sind drei wichtige Gesetze:

  1. Das Emissionshandelssystem ETS I (Schwerindustrie),
  2. das neue ETS II (ab 2027 für Gebäude und Verkehr) und
  3. die Lastenteilungsverordnung, die die Emissionen der übrigen Wirtschaftsbereiche (rund 60 %) abdeckt.

Beim Emissionshandel gilt: Wer Emissionen verursacht, muss Zertifikate kaufen. Bei der Lasten­teilungsverordnung hat jedes Mitgliedsland bis 2030 jährliche Zielvorgaben zur Reduktion vereinbart. Werden sie nicht eingehalten, müssen auch Emissionszertifikate gekauft werden (nächste Überprüfung 2027). Aktuell kostet eine Tonne CO2 45 Euro, 2025 dann 55 Euro und ab 2026 werden die Zertifikate frei handelbar sein. Wer nicht liefert, zahlt...

Wo stehen wir? Die EU ist weltweit Frontrunner bei der THG-Reduktion, bis 2021 konnten 30 % gegenüber 1990 eingespart werden. Die gesteckten Ziele 2030 werden aber aktuell verfehlt: Die bisher von den 27 EU-Mitgliedsländern eingegangenen Verpflichtungen bleiben hinter dem zurück, was erforderlich ist.

Was heißt das für den österreichischen Tourismus? Die Tourismusstrategie „Plan T“ will Österreich zur nachhaltigsten Tourismusdestinationen der Welt machen. Und bei der THG-Reduktion wird laut Masterplan auch der Tourismus seinen Beitrag leisten. Denn eines ist klar: Natürlich werden die von Österreich eingegangenen Verpflichtungen zur Reduktion auch umfangreiche Auswirkungen auf diesen Wirtschaftszweig haben, sowohl bei der Unternehmensführung (Stichwort ESG, also Environmental, Social und Governance), bei der Finanzierung (Stichwort „Green Finance“) und bei der Angebotsgestaltung (Stichwort u. a. Mobilität).

Denn es geht um einen zukunftsfähigen Tourismus und um unsere lebenswerte Zukunft. Was das im Detail heißt, darauf gehen die nächsten Kolumnen „Im Zeichen der Sterne“ von Petra Stolba genauer ein.

Interessant ist ergänzend dazu folgender weiterführender Bericht:
„Im Zeichen der Sterne“

Start für neue T.A.I.-Serie! Heilendes Rezept gegen EU-Muffel

19. Jänner 2024 | Tourismuspolitik

Kommentar schreiben

Bitte die Netiquette einhalten. * Pflichtfelder

Nach oben