Print-Ausgabe 19. Jänner 2024
Heute: Die in Ausarbeitung befindliche „Green Claims Richtlinie“ – Umweltfreundlichkeit wird dadurch belegbar – großer Vorteil für Österreichs Tourismus
Österreich ist jenes EU-Land, das die Mitgliedschaft am negativsten beurteilt: Nur 42 % stehen ihr positiv gegenüber, ganze 22 % sehen sie als schlecht an. Das geht aus der zu Jahresende erhobenen Eurobarometer-Umfrage hervor. Es handelt sich um den jeweils niedrigsten beziehungsweise höchsten Wert aller 27 EU-Staaten. So sind von allen befragten EU-Bürger:innen 61 % zur Mitgliedschaft ihres Landes positiv eingestellt.
Um diese Einstellung im Bereich des Tourismus zu heben, veröffentlicht T.A.I. ab sofort in regelmäßigen Abständen Beiträge aus erster Hand. Als Autorin fungiert Petra Stolba, Kabinettschefin des Ersten Vizepräsidenten des europäischen Parlamentes Othmar Karas. Ihr erster Bericht ist der „Green Claims Richtlinie“ gewidmet. Stolba: „Eine Richtlinie der EU legt – im Gegensatz zu einer Verordnung – nur das gemeinsame Ziel fest. Es ist dann Sache der einzelnen Mitgliedsländer, eigene Rechtsvorschriften zur Verwirklichung dieses Zieles zu erlassen.“ Soviel vorweg. Doch nun zum ersten Beitrag der T.A.I.-Serie „Im Zeichen der Sterne“:
Vom Supermarkt bis zum Textilgeschäft, vom Autohändler bis zum Reiseanbieter: überall grünt es gewaltig. „Umweltfreundlich“, „klimaneutral“, „nachhaltig“ und „fair gehandelt“ findet sich auf zahlreichen Produkten. Aussagen wie „30 % weniger Emissionen“ oder „klimaneutral bis 2050“ sollen die Umweltverantwortung deutlich machen.
Nachhaltigkeit und ökologischer Fußabdruck bei Produkten und Dienstleistungen können natürlich kommuniziert werden. Aber wenn mit ihnen geworben wird, müssen sie auch stimmen. Sonst kann es teuer werden... Denn aktuell bringt die EU die „Green Claims Directive“ (Richtlinie über Nachweisbarkeit und Kommunikation umweltbezogener Produktangaben) auf den Weg. Ziel ist es, klare Standards für die Nutzung von umweltbezogenen Aussagen zu schaffen. Hintergedanke: Man darf solche Dinge nur dann behaupten, wenn sie auch wissenschaftlich belegbar sind. Damit sollen irreführende Umweltaussagen und „Greenwashing“ bekämpft werden. Das ist gut für Verbraucher:innen und Unternehmen, die sich um erhöhte Umweltstandards bemühen. Im Unterschied zu bereits bestehenden Gesetzen, etwa im Konsumentenschutz, wird die Green Claims Directive eine Vorab-Bewertung vorsehen. Es gilt: erst prüfen, dann reden!
Das ist auch nötig: 2020 waren über 50 % der Umweltangaben laut EU-Recherchen vage oder irreführend. Durch die Green Claims Directive können Verbraucher:innen im Gegensatz dazu auf korrekte Produktinformationen vertrauen.
Auch für die rund 230 Umweltzeichen Europas wird es Neuerungen geben: Festgeschriebene Mindestanforderungen für Nachhaltigkeitssiegel und -logos werden Kund:innen und Unternehmen helfen, diese Auszeichnungen richtig zu bewerten. Nur Qualitätszeichen mit unabhängiger Auditierung werden kommunizierbar sein.
Derzeit ist der Gesetzwerdungsprozess im vollen Gange: Das Europäische Parlament und der Rat (hier sind alle Mitgliedsstaaten vertreten) entwickeln aktuell ihre jeweilige Verhandlungsposition. Dann geht es in den Trilog (Parlament, Rat und Kommission). Ob sich die Schlussabstimmung noch vor dem Sommer (und damit den Wahlen zum Europäischen Parlament) ausgeht, ist noch unklar. Nach der Verabschiedung auf europäischer Ebene haben die Mitgliedsstaaten dann 24 Monate Zeit, die Richtlinie in nationales Gesetz überzuführen. Im aktuellen Entwurf ausgenommen sind kleine und Kleinstunternehmer mit weniger als 10 Beschäftigten und Umsatz unter 2 Mio. Euro. Davon abgesehen soll die Richtlinie für alle Unternehmen gelten, die umweltbezogene Aussagen tätigen.
Diese müssen künftig wissenschaftlich fundiert sein, Angaben und deren Nachweise sind vor Veröffentlichung einer unabhängigen nationalen Prüfungsstelle vorzulegen, die nach erfolgreicher Absolvierung Konformitätsbescheinigungen ausstellt. Damit kann ein Unternehmen in der gesamten EU eine umweltbezogene Aussage für das Produkt oder die Dienstleistung tätigen. Spätestens nach fünf Jahren wird neuerlich auf Richtigkeit überprüft.
Was bedeutet das für Unternehmen und Destinationen? Deren Umweltaussagen müssen künftig auf definierten wissenschaftlichen Standards fußen sowie einfach formuliert, korrekt und spezifisch sein. Ebenso müssen sie aus einer Lebenszyklusperspektive heraus abgeleitet und belegbar sein sowie von externen Stellen überprüft werden. Was als umweltfreundlich verkauft wird, muss auch umweltfreundlich sein! Für Österreichs Tourismuswirtschaft ist dies ein enormer Wettbewerbsvorteil und es wird die Positionierung Österreichs als nachhaltiges Reiseziel deutlich unterstützen. Ehrliches Engagement zahlt sich aus – besser geht’s gar nicht!
» Was ist die Green Claims Directive?
Sie wird umweltbezogene Aussagen von Unternehmen regeln und damit irreführende Umweltaussagen, falsche Nachhaltigkeits-Versprechen, aber auch Möchtegern-Labels und Fake-Siegel verhindern.
» Wann kommt das Gesetz?
Aktuell ist der Gesetzgebungsprozess auf EU-Ebene im Laufen; die Direktive wird wohl nicht vor Sommer 2024 verabschiedet. Für die Umsetzung in nationales Recht gibt es dann zwei Jahre Zeit. Alle Verhandlungsdokumente sind öffentlich über das Internet zugänglich.
» Was bedeutet es für Destinationen und Unternehmen?
Die Richtlinie wird für alle Unternehmen gelten, die umweltbezogene Aussagen machen (Ausnahmen werden diskutiert und KMU-Unterstützung soll es geben). Mittelfristig bedeutet das für die Unternehmen eine Neugestaltung der Nachhaltigkeitskommunikation. Insgesamt ist die Green Claims Directive ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigeren Tourismusbranche in der EU. Davon wird der Tourismusstandort Österreich besonders profitieren.
Erstellt am: 19. Jänner 2024
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