Print-Ausgabe 16. Mai 2025
„Die Wertschöpfung geht zurück, es ist kein Geld mehr da, um zu investieren“, berichtet Walter Veit
Die Lohnkosten steigen, die Energiekosten und die Zinsen sinken nur langsam – all dies führt zu einem massiven Rückgang bei der Wertschöpfung
Es sollte ein gemütliches Gespräch werden, das T.A.I.-Interview mit Walter Veit, dem amtierenden Präsidenten der ÖHV (Österreichische Hotelvereinigung) und Chef des 4-Sterne-Superior Hotels in Obertauern. Am Ende kam aber alles anders. Denn laut Walter Veit steht Österreichs Top-Hotellerie (die ÖHV vertritt rund 1.700 Mitgliedsbetriebe, die von der Kapazität her ca. die Hälfte der 4- bis 5-Sterne-Superior-Hotellerie ausmachen) mit dem Rücken zur Wand. Das Interview liest sich wie ein Krimi.
T.A.I.: Staatssekretärin Zehetner sprach bei der Pressekonferenz der Österreich Werbung (ÖW) davon, dass der Tourismus die letzte verbliebene Konjunktur-Stütze der österreichischen Wirtschaft sei. Wie sehen Sie das?
Walter Veit: „Das ist richtig, wir sind die einzige Konjunktur-Stütze. Aber wir werden mit unbeschreiblichen Bremsklötzen belastet.“
T.A.I.: Wie wirken sich diese aus?
Walter Veit: „Verheerend. Um nur eine Zahl zu nennen: In der Wintersaison 2018/19 erreichte die Wertschöpfung in der Branche insgesamt 12,5 Mrd. Euro. Für die Saison 2024/25 wurde eine von 10,6 Mrd. Euro prognostiziert, also ein extremer Rückgang. Da müssen wir die Inflation (Anm.d.Red.: es waren in besagtem Zeitraum 25 %) noch dazurechnen. Uns geht die Luft aus! Es ist kein Geld mehr da, um zu investieren.“
T.A.I.: Bei besagtem Mediengespräch wurde erwähnt, dass am Ende des Winters 2024/25, also inklusive April, zumindest bei den Übernachtungen ein Plus stehen könne (die publizierten Zahlen gingen nur bis Ende März). Wie sehen Sie das?
Walter Veit: „Das glaube ich nicht. Die Gäste kommen jedenfalls nicht mehr zum Skifahren. Österreich entwickelt sich zur Ganzjahresdestination. Im April wechseln sie vom Wintersport zum Mountainbiken, Golfen oder Wandern. Wir haben zwar jetzt Schnee, aber die Gäste möchten eben nicht Skifahren.“
T.A.I.: Wie könnte man das ändern?
Walter Veit: „Wir brauchen für den Winter wieder eine aktive Bewerbung für Frühjahrs- und für Sonnenskilauf. Vor 20 Jahren wurde das gemacht. Wir müssen den Menschen diese Bilder in Erinnerung rufen.“
T.A.I.: Wie stellt sich die Lage der Hotellerie in Österreich dar?
Walter Veit: „Was uns sehr getroffen hat, ist wie gesagt die viel geringere Wertschöpfung und zwar trotz Preiserhöhungen. Mitarbeiter:innen sind jetzt in Lohnklassen, in denen sie nichts verloren haben. Die Betriebe können sich das nicht mehr leisten. Das zieht sich über das Trinkgeld …“
T.A.I.: Wie sieht hier die aktuelle Lage aus?
Walter Veit: „Trinkgelder waren seit Finanzminister Grasser lohnsteuerfrei. Im Endeffekt geht es aber um die Beiträge der ÖGK (Österreichische Gesundheitskasse). Seit Jahrzehnten wurde von uns ein pauschalierter Dienstgeberbeitrag zum Bruttolohn bezahlt. Der war zwar in jedem Bundesland anders, aber eben pauschal und von der Relation her angemessen. Jetzt sagt die ÖGK aufgrund der Kreditkarten-Abrechnungen, dass die Trinkgelder viel höher sind. Die wollen plötzlich die Beträge verzehnfachen! Das wären künftig in Salzburg an die 100 Euro pro Mitarbeiter:in und Monat. Dabei geht das Trinkgeld generell zurück und es gibt Betriebe, in denen es kein Trinkgeld gibt, vor allem bei jenen im Geschäftsreisebereich.“
T.A.I.: Nimmt sich die Bundesregierung nicht dieses Themas an?
Walter Veit: „Im aktuellen Regierungsprogramm soll der so genannte ‚Tronc‘ (Anm.d.Red.: System zur Verteilung von Trinkgeldern an die Arbeitnehmer:innen) dabei sein. Bislang ist wie erwähnt immer die Pauschale akzeptiert worden. Im Vorjahr gab es aber bereits zahlreiche Prüfungen in der Hotellerie, wo Nachzahlungen gefordert wurden, und zwar auch für Mitarbeiter:innen, die nicht mehr im Betrieb tätig waren. Wir brauchen deshalb dringend eine Lösung.“
T.A.I.: Wie sollte die aussehen?
Walter Veit: „So, dass a) die Tronc-Regelung auch in der Realität angewendet werden kann, b) die Pauschale auf den Dienstgeber-Beitrag nur so angehoben wird, dass es sich die Betriebe auch leisten können, und c) eine ‚Opt-Out‘-Lösung für jene Hotels geschaffen wird, die sich z. B. auf Geschäftsreisen konzentrieren. Alles in allem handelt es sich um einen Punkt, der uns unheimlich belastet und viel Geld kostet.“
T.A.I.: Gibt es weitere Punkte, die dringend gelöst werden müssen?
Walter Veit: „Ja, die gibt es. Der zweite Punkt, der uns viel Geld kostet, besteht in den Überstunden für Mitarbeiter:innen, die mehr als 40 Stunden arbeiten. Das betrifft Saisonbetriebe. Hier gab es einen Fehler im Kollektivvertrag (KV), der sich aus der Durchrechnung ergab. Er wurde zwar mit dem neuen KV, der seit 1. November 2024 gilt, gelöst, aber die Finanz rechnet bei Prüfungen die ihrer Meinung nach für Überstunden fällige Lohnsteuer der vorangegangenen 5 Jahre nach. Es gibt Betriebe, die müssen 30.000 bis 40.000 Euro nachzahlen, teilweise sogar sechsstellige Beträge! Es war in der Vergangenheit die gelebte Praxis, dass die Situation – sprich: der Fehler im KV – geduldet wurde. Jetzt wird er beiseitegeschoben und bis zu 5 Jahre zurückgerechnet!“
T.A.I.: Der dritte Punkt?
Walter Veit: „Seit dem neuen KV 2024 wird das 13. und 14. Monatsgehalt nicht mehr vom KV-Lohn bezahlt, sondern vom Ist-Lohn. Das hat den Betrieben in Summe zusammen mit der Lohnerhöhung 11 bis 12 % gekostet. All das führt zu der erwähnten geringeren Wertschöpfung. Die Lohnkosten gehen hinauf, die Energiekosten sind aber nicht weit genug gesunken und auch die Zinsen gehen nur langsam zurück.“
T.A.I.: Gibt es auch etwas Positives?
Walter Veit: „Ja, etwa die Entbürokratisierung. Wir haben da mit unserem ehemaligen Präsidenten (Anm.d.Red.: Sepp Schellhorn) einen Staatssekretär, der dieses Thema wirklich ernst nimmt und auch vorantreibt. Wir als ÖHV haben eine Initiative gestartet, mit eigener Website (www.oehv.at/WenigerBuerokratie). Da geht’s um Prozessvereinfachung. 130 Betriebe sind bereits angemeldet, wir haben die Aktion bis Ende Mai verlängert. Die Inputs von bürokratischen Hürden im beruflichen Alltag reichen von den wiederkehrenden Überprüfungen der Aufzüge – sie erfolgen jedes Jahr durch eine Fachfirma und den TÜV, die nie den gleichen Termin haben, wir aber beide zahlen müssen, obwohl sie dasselbe machen – bis zu Schwimmbad-Prüfungen, die elektronisch aufgezeichnet und händisch gemessen werden müssen.“
T.A.I.: Ist das Staatssekretariat für Entbürokratisierung nicht für die gesamte Wirtschaft da?
Walter Veit: „Ja, Sepp Schellhorn freut sich auf möglichst viele Beispiele und die ÖHV wird ihm einen entsprechenden Input liefern. Bis Herbst werden wir ihm alles übergeben und es wird auch auf unserem nächstjährigen Kongress in Linz Thema sein. Es handelt sich um ein großes Jahresprojekt.“
Erstellt am: 16. Mai 2025
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