Print-Ausgabe 17. Juli 2016
Die neuen „Leitlinien“ der EU zielen darauf ab, die „kollaborative Wirtschaft“ vor dem Protektionismus für etablierte Geschäftsmodelle zu schützen
Die EU-Kommission hat dem seit langem vorgetragenen Wunsch nach Klarstellung für den Bereich der „Sharing Economy“ Rechnung getragen und Leitlinien in Form einer „Agenda“ ausgearbeitet. Sie enthält allerdings keine neuen Vorschriften, sondern „Empfehlungen“ wie mit den bestehenden Regelungen rund um die stark wachsende „kollaborative Wirtschaft“ (so der neue, nicht besonders aussagekräftige Name) umgegangen werden soll. Sie würde einen „wichtigen Beitrag zur Entstehung von Arbeitsplätzen und Wachstum in der Europäischen Union“ leisten“, wenn sie entsprechend entwickelt würde. Die „etablierte“ Wirtschaft hatte eigentlich erwartet, dass die EU Grenzen für die über einen fairen Wettbewerb ausufernde Sharing Economy setzt. Entsprechend kritisch fielen die Reaktionen aus.
Die „Agenda“ schließt zwar die „kollaborative Wirtschaft“ in ihrer Gesamtheit ein, ist jedoch klar auf zwei Bereiche ausgerichtet: Die touristische Vermietung von Privatquartieren und die Vermittlung von Personentransportleistungen (Taxidienst) über international agierende Internet-Plattformen. Die in diesen Bereichen führenden Unternehmen, Airbnb und Uber, werden dabei konkret angesprochen.
Einige Punkte der Leitlinien haben besonderes Gewicht:
• Für Plattformen, die lediglich als Vermittler von Dienstleistungen auftreten – soll es keine Genehmigungs- oder Zulassungsanforderungen geben. Verbote werden nur als „letztes Mittel“ angesehen.
• Es soll zwischen Einzelpersonen, die gelegentlich Dienste erbringen (z. B. Wohnungen vermieten), und gewerblichen Anbietern unterschieden werden. Privatpersonen sollten keine „unverhältnismäßigen Pflichten“ auferlegt werden.
• Plattformen, die Dienstleistungen nur vermitteln, sollen von der Haftung für Informationen, die sie im Namen von Dienstleistungsanbietern speichern, ausgenommen werden.
• Die EU-Kommission ruft die Mitgliedsstaaten dazu auf, die Steuervorschriften in der „Sharing Economy“ einfacher und klarer zu gestalten. Die Plattformen werden „ersucht“, mit den nationalen Behörden zusammen zu arbeiten, um die Steuereinhebung zu erleichtern.
Bemerkenswert die Feststellung von EU-Binnenmarktkommissarin Elzbieta Bienkowska bei der Präsentation der Agenda: Die „kollaborative Wirtschaft“ sei bei den Verbrauchern deswegen so beliebt, weil sie dort „bessere und billigere Dienstleistungen“ finden. Verbote würden Innovationen und das Entstehen von Arbeitsplätzen verhindern und kommen vor allem dann definitiv nicht in Frage, „wenn lediglich ein bereits bestehendes Geschäftsmodell vor einem anderen geschützt werden soll“.
Dass bei dieser Einstellung die Hotellerie sauer reagiert, ist nicht verwunderlich. Die Präsidentin des europäischen Dachverbandes Hotrec, Susanne Kraus-Winkler, und der Obmann des Fachverbandes Hotellerie, Siegfried Egger, erklärten übereinstimmend, dass bei „Minimalbestimmungen“ für die Sharing-Wirtschaft auch die traditionellen gewerblichen Anbieter entsprechend entlastet werden müssen, weil gleiches Recht für alle gelten müsse. Die Sparten Tourismus und Verkehr der Wirtschaftskammer Wien wurden noch deutlicher: „Wir brauchen keine Richtlinien der EU-Kommission, die Unternehmen wie Airbnb und Uber fördern, sondern ein geeignetes Regelwerk, das neue Geschäftsideen unterstützt, gleichzeitig aber einen fairen Wettbewerb sichert. Dieser setzt voraus, dass für alle Marktteilnehmer gleiche Rechte und Pflichten gelten.“
Bisher ist es nirgends gelungen, das Problem Airbnb in den Griff zu bekommen. In einigen Städten – z.B. Paris, seit heuer auch Amsterdam – hat die Plattform die Zahlung der Ortstaxe für ihre Vermieter übernommen. Sie ist die einzige Abgabe, die alle Vermieter betrifft. Außer den Städten hat kaum jemand Interesse, sich mit dem komplexen Thema zu beschäftigen, umso mehr, als in der breiten (Wahl-) Öffentlichkeit eine deutliche Mehrheit gegen Restriktionen gegeben ist. Warum das so ist, lesen Sie im Kommentar unter "EU macht sich Sorgen um AIRBNB"
Erstellt am: 17. Juni 2016
Foto: Fordern gleiches Recht für alle: Hotrec-Präsidentin Susanne Kraus-Winkler und der Obmann des Fachverbandes Hotellerie Siegfried Egger
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