Print-Ausgabe 14. Jänner 2016
Zwei Fünftel mehr Ankünfte, ein Drittel mehr Nächtigungen – Indien zählte im Vorjahr zu den Quellmärkten Österreichs, die das dynamischste Wachstum verbuchen. In absoluten Zahlen liegt das Land zwar erst an 28. (Ankünfte) bzw. 37. Stelle (Nächtigungen), aber das Potential ist enorm: die Schweiz z.B. kommt bereits auf mehr als doppelt so viele Ankünfte und fast dreimal so viele Nächtigungen. Der Markt des aufstrebenden 1,3 Mrd. Einwohner großen Landes, das von Wirtschaftswachstum mit 7,5 Prozent 2015 und heuer erwarteten 7,8 Prozent China blass aussehen lässt, bietet für Österreichs Tourismus also tolle Chancen.
T.A.I. startet deshalb mit vorliegender Ausgabe eine monatliche Artikel-Serie, in der direkt vor Ort, von einem absoluten Top-Profi das Marktgeschehen beleuchtet, die Chancen aufgezeigt und direkte Kontaktmöglichkeiten geboten werden. Verantwortlich dafür zeichnet der Austro-Inder Ishvinder „Baba“ Maddh. Der frühere Lauda Air und Austrian Airlines-Mitarbeiter – er schrieb Mitte der 2000er Jahre für T.A.I. die Kolumne „Baba on Tour“ – übersiedelte 2007 nach Indien, wo er mit seinem Unternehmen „Robinville“ in Delhi eine Repräsentanz für Unternehmen (u.a. MUT Umwelttechnik und Transportanlagen GmbH, F. M. Haemmerle etc.) auf dem Indischen Subkontinent sowie seit 2014 auch für den Tourismus aufbaute (u.a. EUROTOURS India Business Development, TVB Innsbruck, einige Regionen, Destinationen und Attraktionen).
Den Auftakt für die Artikel-Serie bildet ein Interview, das T.A.I. zu Jahresbeginn mit Ishvinder Maddh bei einem Österreich-Aufenthalt führte.
T.A.I.: Indien war in Österreich 2015 der am viertstärksten wachsende Markt (nach Taiwan, China und den arabischen Ländern in Asien). Worauf führen Sie dieses stark steigende Interesse zurück?
Ishvinder Maddh: „Eine Vielzahl an Faktoren spielt hier eine wichtige Rolle. Neben dem wirtschaftlichen Wachstum des Landes und der damit verbundenen Vergrößerung der Zielgruppe – es wird prognostiziert, dass sich die Zahl der Haushalte, die sich eine Europareise leisten kann bzw. will, von 2011 bis 2020 mehr als verdoppelt – spielen auch neue Vertriebskanäle, allen voran Online, und das wachsende Interesse an europäischer Geschichte, Kultur und Lebensart eine wichtige Rolle.
Ganz möchte ich aber auch die Anstrengungen des Teams von Robinville nicht unerwähnt lassen: Seit Eintritt meines Unternehmens in den Tourismussektor im Jahre 2014 haben wir bei hunderten Gesprächen, Schulungen, Incentive-Veranstaltungen oder Roadshows die Werbetrommel gerührt. Die meisten unserer Partnerregionen in Österreich, Deutschland und der Schweiz verzeichnen überdurchschnittliche Ankunfts- bzw. Nächtigungszuwächse. Für uns ist das auch ein Beweis dafür, dass sich unsere Beharrlichkeit ausgezahlt hat.“
T.A.I.: Was ist bei der Marktbearbeitung wichtig?
Maddh: „Wie fast überall so ist auch im Indischen B2B-Outbound Segment der persönliche Kontakt der entscheidende Faktor. Wir arbeiten mit den großen Namen der Industrie, wie Cox & Kings, Kuoni, TUI, Thomas Cook oder dem Onlineportal www.makemytrip.com hervorragend zusammen und dienen im Falle des Falles oftmals auch als lokaler Troubleshooter, der die Do’s and Don’ts, sowohl der Europäischen als auch der Indischen Industrie kennt und lösungsorientiert agiert.“
T.A.I.: Wo sehen Sie die größten Steigerungsmöglichkeiten?
Maddh: „Vor allem die Gruppe der 18- bis 39-jährigen F.I.T.-Reisenden ist ein Segment mit hohem Wachstumspotential. Sie informieren sich vor Reiseantritt ausgiebigst im Netz, vergleichen Angebot und Preise, stellen sich teilweise Reiseverläufe bis hin zur Buchung von Optionals selbst zusammen und buchen bei einem der großen nationalen Onlineportale, ohne jemals ein Reisebüro betreten zu haben. Ein Umstand, der in dieser Form vor fünf Jahren in Indien undenkbar gewesen wäre. Auch in Indien spielt der so genannte „Couch-Commerce” eine immer wichtigere Rolle.“
"Lokale Präsenz ist das Um und Auf in einem Markt mit der Größe und Fragmentierung Indiens"
T.A.I.: Tirol ist mit knapp der Hälfte aller Ankünfte Österreichs stärkstes Bundesland im Incoming aus Indien, Wien kommt auf ein Drittel, Salzburg auf ein Sechstel – alle anderen Bundesländer spielen derzeit kaum eine Rolle. Muss das so bleiben, oder gibt es auch für andere Bundesländer Möglichkeiten, am indischen Markt zu reüssieren?
Maddh: „Natürlich gibt es Möglichkeiten, wenn vielleicht auch in eingeschränkter Form. Die geographische Lage spielt eine enorm wichtige Rolle. Tirol und auch Salzburg haben den Vorteil relativ einfach in Rundreiseverläufe in Kombination mit Deutschland, Italien, vor allem aber auch der Schweiz aufgenommen werden zu können, und zumindest eine Übernachtung plus Tagesprogramm bei einer z. B. einwöchigen CEE-Rundreise stellen zu können. Tirol bzw. genauer gesagt die Innsbrucker Region kann durch Attraktionen, wie die Swarovski Crystal Worlds und die von uns vertretenen Nordketten-Bahnen punkten. Die Stadt Salzburg bietet von Mozart bis zur „Sound of Music Tour” ein breites Angebot für Musik- und Architekturinteressierte, Wien ist ein geschichtlicher und kultureller Fixpunkt für jeden Österreich-Reisenden aus Indien, speziell in Kombination mit den ehemaligen K & K Städten Buda-
pest und Prag. Erst im Oktober vergangenen Jahres haben wir mehr als 200 Reisebüroagenten den einwöchigen Rundreiseverlauf Wien – Salzburg – Innsbruck näher gebracht und sie dahingehend geschult. Das Paket verkauft sich wie die sprichwörtlich warmen Semmeln, speziell die Zuwachsraten, die Wien im Jahre 2015 verzeichnen konnte, suchen Ihresgleichen.“
T.A.I.: Was tut sich mit den anderen Bundesländern?
Maddh: „Wir arbeiten punktuell auch mit Partnern anderer Bundesländer, wie etwa Linz oder Schladming-Dachstein, zusammen. Für 2016 planen wir den Ausbau der „Flächendeckung”, um gemeinsam mit unserem Partner Eurotours, eine Vielzahl an innerösterreichischen Rundreisen oder Sternfahrten anbieten zu können. Wir freuen uns über jede neue Region, die Indien als einen ihrer Zukunftsmärkte identifiziert, aber auch bereit ist, sowohl Geld als auch Manpower zu investieren. Vor dem Gewinn steht auch auf dem Indischen Outbound-Markt das Investment. Wir helfen dabei, Zeit, Geld und Energie sinnvoll und effizient einzusetzen. Ganz ohne Commitment seitens der Region wird es aber nicht gehen, dazu ist der internationale Mitbewerb einfach zu stark und zu mannigfaltig.“
T.A.I.: Was müsste Ihrer Meinung nach getan werden, damit Österreich die Chancen, die Indien bietet, noch besser nützt und das Potential optimal ausschöpft?
Maddh: „Es gilt Flagge zu zeigen. Lokale Präsenz ist das Um und Auf in einem Markt mit der Größe und Fragmentierung Indiens. Wir arbeiten derzeit im Auftrag von mehr als 40 Unternehmen bzw. Regionen aus CEE vor allem aus Österreich, Deutschland und der Schweiz, aber auch aus Ungarn und der Tschechischen Republik und promoten deren Angebot 365 Tage im Jahr. Unser Außendienst identifiziert mögliche Vertriebspartner, schult und motiviert deren Mitarbeiter und steht für die Beantwortung aller Fragen des operativen Tagesgeschäfts zur Verfügung. Die Teilnahme an Messen, die Organisation von Roadshows, Events oder FAM-Trips, Presseaussendungen und ATL-Kommunikation – all dies sind die Faktoren, die auch auf dem Indischen Markt notwendig sind, um erfolgreich agieren zu können. Ein passendes Angebot ist im Großteil Österreichs vorhanden, man muss nur beginnen, es zielgerichtet zu kommunizieren. Österreich muss sich mit seinem Leistungsspektrum vor keinem europäischen oder internationalen Mitbewerber verstecken.“
Erstellt am: 14. Jänner 2016
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