T.A.I. 24 TOP News
Der Terminplan von Karin Seiler, Geschäftsführerin der von Österreichs größter LTO (Landestourismusorganisation), der Tirol Werbung, war auch an diesem Novembertag dicht gedrängt: Am späten Vormittag Live-Interview bei ORF III, danach per Taxi zum mittäglichen Talk mit der Tageszeitung „Die Presse“. Dazwischen nahm sie sich Zeit für ein Gespräch mit T.A.I., zum Teil im Coffee-Shop des ORF, zum Teil auf der Taxifahrt. Was nichts am hochkarätigen Inhalt änderte. „Es geht um eine Winterkommunikation der anderen Art“, betonte Karin Seiler gleich zu Beginn. Und: „Es geht um Qualität, nicht um Quantität.“
Die Bedeutung der Wintersaison in Tirol darf nicht unterschätzt werden. Ihr kommt nicht nur die Rolle als touristischer Wertschöpfungsbringer zu (sie liegt laut MCI mit zuletzt 3,30 Mrd. Euro um 37 % höher als jene im Sommer) und sie sorgt für Arbeitsplätze von 50.000 Mitarbeiter:innen. Karin Seiler: „Die Nachfrage passt und auch das Angebot passt.“
Dies obwohl es keinen Bettenzuwachs gibt: 336.000 Gästebetten waren es in der Saison 2017/2018, bis Winter 2022/2023 sanken sie auf 325.000. Gleichzeitig kam es zu einer Verlagerung in Richtung Ferienwohnungen (+4,5 % Betten im Vergleich zu 2019, plus 11 % gegenüber dem Sommer 2022). Viele Betriebe haben zudem ihr Niveau von der 3- auf die 4-Sterne Kategorie bzw. von der 4- auf 4-Sterne superior angehoben, was zu einer Vergrößerung der Zimmer führte.
Für den bevorstehenden Winter geht Karin Seiler davon aus, dass „wir zumindest das Übernachtungsniveau des Vorjahres erreichen und an jenes von Vor-Corona anschließen.“ Laut aktueller Umfrage berichten 75 % aller Betriebe von einer „guten oder sehr guten“ Buchungslage.
Dem stehen Diskussionen rund um die Klimaänderung gegenüber. Deshalb setzt die Tirol Werbung künftig auf eine andere Art der Kommunikation. Dabei geht es um Antworten auf Fragen, „wie wir all das besser und proaktiv kommunizieren können und was wir in die Auslage stellen?“ Wobei sich Karin Seiler gegen jede Form der Ankündigungspolitik sträubt. „Wir wollen erst das Produkt haben und dann damit rausgehen.“
Ein Beispiel dafür ist die Verleihung des Österreichischen Umweltzeichens für Destinationen an Seefeld. „Es ist die erste Tiroler Region mit Umweltzeichen und neben Wagrain-Kleinarl die erste österreichische Region, die das Umweltzeichen für Destinationen erhalten hat.“ Am Beispiel Seefeld zeige sich die Geschlossenheit, die in der Region nun bezüglich Nachhaltigkeit herrsche. Es machen alle Betriebe mit und auch die dadurch erzielte Innenwirkung sei nicht zu unterschätzen: „Vier weitere Destinationen arbeiten bereits daran und möchten nachziehen. Es entsteht durch die Zertifizierung einer Destination viel mehr Strahlkraft, als wenn es einzelne Betriebe machen.“
Ein weiteres Beispiel für die „andere Art der Kommunikation“ ist das vor einem Jahr initiierte Future Lab der Tirol Werbung. Sechs Mitarbeiter:innen sind dabei mit Themen beschäftigt, die viele betreffen, wie etwa die Verknappung des Schnees oder das Gastronomie-Sterben. Sie kooperieren dabei mit externen Partnern und vernetzen sich mit vielen Stakeholdern. Beim Gastro-Sterben arbeitet das Future Lab etwa mit zwei Destinationen zusammen, um Gegenstrategien zu entwickeln, und bezüglich Schnees werden u.a. die Snow-Openings nach hinten verlegt. Ebenso werden die Weichen in Richtung Ganzjahres-Tourismus gestellt. „Wir haben da viel Potential“, so Karin Seiler.
Die Tirol Werbung konzentriere sich dabei verstärkt auf die Monate Mai/Juni sowie September/Oktober. Dabei geht es um Entzerrung der Reiseströme, um längere Offenhaltungszeiten der Freizeitbetriebe und natürlich um Mitarbeiter:innen. „Wichtig ist es, Produkte in die Auslagen zu stellen, mit Kulinarik, Wellness und Familien. Im November und April können unsere Gäste z.B. am Vormittag Skifahren und am Nachmittag Radfahren. Das zeigt die Vielfalt von Tirol, vom Gletscher bis zu den sanften Gebieten.“
Fest steht aber auch, dass 80 % der Wintergäste Skifahren in den Fokus rücken. Gleichzeitig wollen 43 % auch Wandern. 15 % setzen überhaupt nur noch auf Winterwandern und gehen gar nicht mehr Skifahren. Ebenso ein Faktum ist die erzielte Nachhaltigkeit bei der Beschneiung. So benötigt Österreichs Winter-Tourismus in seiner Gesamtheit nicht mehr als 0,9 % des gesamten Energieverbrauches von Österreich, und das bei der erwähnt hohen Wertschöpfung. Karin Seiler: „Es ist ein sehr nachhaltiger Urlaub.“
Wobei außer Frage steht, dass die An- und Abreise der Gäste zu den Winteraufenthalten 70 bis 80 % des CO2-Abdrucks hinterlässt. Ziel ist es, den Anteil der Bahnanreisen von aktuell 7 % (vor Corona waren es 5 %) bis 2030 auf 15 % zu verdoppeln. Karin Seiler ist sich bewusst, dass dies ein ehrgeiziges Unterfangen darstellt: „Es ist viel zu tun. Die Infrastruktur ist am herausforderndsten. Zudem braucht es eine höhere Frequenz bei den Railjets, mehr Nachtzüge und Haltestellen und es muss mehr Convenience hergestellt werden – wie etwa beim Gepäck der Gäste, das ins Hotel geliefert wird. Und dann geht es natürlich um die letzte Meile.“ ÖBB, DB und auch die SBB arbeiten zudem an gemeinsamen Ticketservices.
Von der Marketing-Seite her schichtet die Tirol Werbung (aktuell stehen aktuell 12 Mio. Euro für Sommer und Winter-Werbung zur Verfügung) mehr und mehr Mittel um. So wurde bereits heuer die Herbstkampagne verstärkt, 2024 gibt es dann eine noch intensivere Frühjahrs- und Herbstkampagne. Entscheidend dabei ist aber immer das Produkt: Wichtig wäre, dass die Bergbahnen längere Saisonzeiten haben und damit verbunden auch die Öffis länger fahren und die Gästekarten länger gültig sind.
Die Kommunikation der anderen Art hat also bereits begonnen und zahlreiche Produkte bzw. Initiativen sind im Entstehen. Es wird spannend, mitzuverfolgen, wie Österreichs Tourismus-intensivstes Bundesland diesen Weg weiter beschreitet. T.A.I. wird berichten.
Erstellt am: 07. November 2023
Bitte die Netiquette einhalten. * Pflichtfelder