T.A.I.-Serie Nachhaltigkeit und Tourismus

„Es geht um mehr als nur um eine Verpflichtung gegenüber der Umwelt!“

Print-Ausgabe 14. März 2025

„Wir benötigen ein neues ‚Mindset‘ und ein strategisches sowie ganzheitliches Denken“, so Florian Größwang

TourCert Austria Chef Florian Größwang schreibt ab sofort exklusiv für T.A.I. über den Wandel als Chance für die Produkt- und Angebotsentwicklung in Destinationen

Auch wenn die Klimapolitik – so wie es weltweit gesehen derzeit leider aussieht – in den kommenden Jahren eher unter „ferner liefen“ rangiert, wird die Zukunft des Tourismus dennoch durch nachhaltiges (und integratives) Handeln geprägt sein. Darauf machte nicht zuletzt ein heuer Ende Jänner veröffentlichtes 18-­seitiges „Briefing Paper“ des „World Economic Forum“ zum Thema „Future of Travel and Tourism: Embracing Sustainable and Inclusive Growth“ aufmerksam. Es geht also um Nachhaltigkeit.

Grund genug für T.A.I. eine Persönlichkeit für dieses Thema zu gewinnen, die wie Florian Größwang stark in diesem Bereich verankert und auch international bestens vernetzt ist. Der Gründer und Gesellschafter von TourCert Austria (davor war er u. a. als COO der Österreich Werbung und Mitglied der Geschäftsleitung des SalzburgerLand Tourismus tätig) begleitet zudem als Regionalentwicklungsexperte, Organisations- und Tourismusforscher Bund, Länder und Regionen in Österreich, Deutschland und der Schweiz in ihren Transformationsprozessen und entwickelt für diese zukunftsfähige Strategien und Innovationen. Florian Größwang: „Große aktuelle Projekte sind derzeit die Entwicklung des österreichweiten regionalen Informations- und Monitoringsystems RESY, Nachhaltigkeitsprozesse mit der Zielsetzung von Zertifizierungen von Ländern und Destinationen sowie das Lebensraum LAB des Destinations Netzwerkes Austria.“

Prozesse zur Verbesserung des touristischen Systems

In seinem ersten Beitrag für T.A.I. geht es um Nachhaltigkeitspro­zesse als systemische Intervention. Was ist damit gemeint? „Systemische Interventionen beziehen sich im Tourismus auf jene Maßnahmen, die darauf abzielen, das gesamte touristische System zu verändern und zu verbessern“, erklärt Florian Größwang. Konkret ist ihm zufolge der Tourismus „als ein komplexes Netzwerk von Akteur:innen, Prozessen und Strukturen“ zu verstehen, die in einer Region eng miteinander interagieren und sich gegenseitig beeinflussen.

Wichtige Aspekte für diese Nachhaltigkeitsprozesse sind wie folgt:

  • Ganzheitlicher Ansatz: Tourismusdestinationen sind Lebensräume, für welche die Verantwortung zu übernehmen ist. Dabei geht es neben Gästebedürfnissen vor allem auch um Anforderungen der gesamten Region (also der Unternehmen, der Beschäftigten, der heimischen Bevölkerung und der Natur). Florian Größwang: „Für diese Lebensraum-Perspektive benötigen wir ein neues ‚Mindset‘ und ein strategisches sowie ganzheitliches Denken, also nicht nur ein touristisches.“ Dieses „Mindset“ muss von den Organisationen, den Gremien sowie den unterschiedlichen Partner- und Stakeholder­gruppen gelebt werden.
  • Netzwerkbildung und Zusammenarbeit: Gefordert ist außerdem die sektorübergreifende Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen den verschiedenen Akteur:innen in der Region (Stichwort: systemische Interventionen). Dies kann laut Florian Größwang durch gemeinsame Projekte, Partnerschaften, neue Formen der Kooperation und durch den Austausch von Wissen und Ressourcen geschehen.
  • Anpassungsfähigkeit und Resilienz: Das touristische System muss anpassungsfähiger und resilienter werden, um auf Veränderungen, Chancen und Herausforderungen, wie zum Beispiel den Klimawandel, besser reagieren zu können. Auch dies gehört zu den Maßnahmen „systemischer Interventionen“.
Partizipationsprozesse als große Herausforderung

Ein sehr gutes Beispiel dafür sind Nachhaltigkeitsprozesse mit der Zielsetzung der Zertifizierung, die darauf abzielen, das gesamte touristische System nachhaltiger zu gestalten. „Sie sind ein wirkungsmächtiges Tool, das helfen kann, den Transformationsprozess in der Region zu starten und zu unterstützen“, so Florian Größwang. Für ihn zeigen die ersten Zertifizierungen österreichischer Destinationen (Anm.d.Red.: bislang wurden Wagrein-Kleinarl, Saalfelden Leogang, Seefeld, Nassfeld-Pressegger See-Lesachtal-Weissensee, das Kufsteinerland und das Montafon ausgezeichnet), „dass die großen Herausforderungen für die Destinationsmanagement-Organisation (DMO) meist darin liegen, echte Partizipationsprozesse auf­zusetzen.“ Es geht also darum, auch die Bevölkerung aktiv einzubinden. Weitere Herausforderungen bestehen darin, messbare KPIs (Key Performance Indicators) und Ziele zu definieren und diese in Monitoringsystemen sichtbar zu machen. Ebenso sind landesweite Klimastrategien auf konkrete Handlungsanleitungen für die DMOs und ihre Partner her­unterzubrechen.

Doppelte Zertifizierung für das Burgenland

Das erste Bundesland in Österreich, das sich in seiner gesamten touristischen Breite einem Nachhaltigkeitsprozess unterzieht, ist das Burgenland. „Es ist das größte, aktuelle Beispiel einer solchen systemischen Intervention in Österreich“, erklärt Florian Größwang. Betroffen sind alle drei burgen­ländischen Destinationen (Nord- Süd- und Mittelburgenland-­Rosalia) sowie alle 171 Gemeinden, von Andau über Bad Tatzmannsdorf und Eisen­stadt bis Zurndorf.

Der Prozess zur Doppelzertifizierung (das international agierende „TourCert“ und das „Österreichische Umweltzeichen“) wurde im Jänner 2024 gestartet. Florian Größwang: „Dadurch soll eine nach innen und außen spürbare Haltung in einem landesweiten, sektorübergreifenden Netzwerk zum Thema Nachhaltigkeit entwickelt und neue nachhaltige Angebote geschaffen werden, um neue Gäste für das Burgenland zu gewinnen und den Ganzjahres-­Qualitätstourismus weiter­zuentwickeln.“

Nachhaltigkeit als strategische Entscheidung

Fest steht laut Florian Größwang, dass sich Finanzierungsstrukturen und auch die „Governance“ von DMOs künftig verändern werden: „Das erfordert eine Neugestaltung des Gleichgewichts der Interessen in den Regionen.“ Denn letztendlich handelt es sich nicht nur um eine Verpflichtung gegenüber der Umwelt, sondern auch um „eine strategische Entscheidung, die wirtschaftliche, soziale und ökologische Vorteile miteinander vereint und die zukünftige Nutzenstiftung der DMOs in der Region konkretisiert“. An Nachhaltigkeit führt – auch wenn geopolitisch derzeit ein anderer Wind wehen mag – nichts vorbei.

Interessant ist ergänzend dazu folgender weiterführender Bericht:
„dna lab Lebensraum“

Lebensraum-Perspektive „keine Option, sondern eine Notwendigkeit!“

15. November 2024 | Österreich

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