Visit Hungary

„Echtzeit“-Zukunft in Ungarn für Österreichs Mr. „Data Space“

Print-Ausgabe 14. Juni 2024

„Ziel ist es, den Tourismus in Ungarn so zu gestalten, dass er einen ähnlichen Stellenwert hat wie in Österreich“, so Olivér Csendes (Foto: © ÖW)

Derzeit noch CDIO der Österreich Werbung, übernimmt Olivér Csendes in Juli die Führung von Visit Hungary – die Organisation wird von ihm neu aufgestellt

Für Olivér Csendes, dem Chief Digital- und Innovation Officer (CDIO) der Österreich Werbung (ÖW), beginnt mit Juli eine neue Ära: Er übernimmt als CEO Visit Hungary, eine Tochtergesellschaft der Ungarischen Tourismusagentur. Welche Gründe ihn zur Annahme der neuen Herausforderung bewogen und wie die Pläne von Olivér Csendes als Chef von Visit Hungary aussehen, darum ging es in folgendem Interview.

T.A.I.: Als gebürtiger Ungar, der in London, Ghana und der Slowakei aufgewachsen ist, seit langem in Österreich lebt, fließend Deutsch, Englisch, auf hohem Niveau Ungarisch und Slowakisch sowie Französisch spricht, kehren Sie jetzt nach Budapest zurück. Was sind die Beweggründe dafür?

Olivér Csendes: „Ich habe mich nicht für diese Position beworben und der Abgang von der ÖW war nicht geplant. Ich wurde vielmehr von einem Headhunter angesprochen. Visit Hungary wird neu aufgestellt. Da es sich um einen Neuaufbau handelt, suchte man als CEO eine internationale Persönlichkeit, die so wenig wie möglich Berührungspunkte mit dem touristischen und dem politischen System Ungarns hat, also einen Expat mit touristischer Erfahrung. Dadurch kam es zu den Gesprächen.“

T.A.I.: Was konkret wird bei Visit Hungary neu aufgebaut?

Olivér Csendes: „Die Tourismusbehörde Ungarns besteht aus zwei Bereichen: Dem Tourismusamt und Visit Hungary, das für Markenführung, Bearbeitung der stärksten Quellmärkte sowie der ungarischen Regionen verantwortlich ist, für Vertrieb und Daten etc. Das war bisher nicht klar getrennt. Deshalb wurde die Entscheidung getroffen, das schlagkräftig und leistungsorientiert neu aufzusetzen.“

T.A.I.: Wie sieht es mit den weiteren Führungskräften aus?

Olivér Csendes: „Alle Führungskräfte werden von mir neu gewählt. Einige habe ich bereits gefunden. Sie starten gleichzeitig mit mir. Ziel ist es, den gesamten Tourismus in Ungarn so zu gestalten, dass er einen ähnlichen Stellenwert hat wie in Österreich … aber natürlich auf einem niedrigeren Niveau. Ungarn hat mit zuletzt 42 Millionen fast nur ein Viertel der Nächtigungen von Österreich und auch eine große Budapest-Lastigkeit.“

T.A.I.: Welches Budget steht Ihnen bei Visit Hungary zur Verfügung?

Olivér Csendes: „Konkrete Zahlen werde ich dazu keine nennen, aber es ist deutlich höher als das von der ÖW, da Visit Hungary für Gesamtungarn zuständig ist. Es gibt hier keine LTOs (Landestourismus Organisationen), sondern im Sales-Team Mitarbeiter:innen, die für die Regionen und eine einheitliche Markenführung zuständig sind.“

Herzliche Verabschiedung im Rahmen des ÖTT (Österreichische Tourismustag): ÖW-Chefin Astrid Steharnig-Staudinger und Oliver Csendes (Foto: © ÖW / Jürg Christandl))

T.A.I.: Was sind die wichtigsten Herkunftsmärkte Ungarns?

Olivér Csendes: „Deutschland, Großbritannien, Tschechien, USA, Österreich. Polen und Rumänien sind ebenfalls wichtig.“

T.A.I.: Wie sieht es mit NTAK (Nemzeti Turisztikai Adatszolgáltató Központ bzw. dem National Tourism Data Centre NTAC) aus, das Sie ungarischen Medienberichten zufolge „in vielerlei Hinsicht für zukunftsweisend“ halten. Ist es das wirklich?

Olivér Csendes: „Ja, wobei bei weitem nicht alles veröffentlicht wird, was wir an Daten haben. Erfasst sind alle Unterkünfte, Buchungen, Check-Ins, die Angaben der Gastronomie und der Freizeitparks, die Mobilfunk- und Bezahldaten mit Kreditkarten … alles in Echtzeit. In Österreich warten wir sechs Wochen auf die Ankunfts- und Nächtigungszahlen, in Ungarn passiert alles in Echtzeit. Unterkünfte bekommen hier nur eine Genehmigung, wenn sie eine Datenschnittstelle haben und die Meldungen so hinbekommen, dass die Gästemeldung digital erfolgen kann. Der Vorteil besteht unter anderem darin, dass wir hier in Echtzeit Kampagnen auf ihre Wirkung hin untersuchen können.“

T.A.I.: Worin liegen Ihre Prioritäten beim Aufbau von Visit Hungary?

Olivér Csendes: „Zunächst im Aufbau einer neuen Führungsmannschaft, dem Ausbau von datenbasierten B2C-Kampagnen und B2B-Geschäftsanbahnung.Ich habe völlig Freiheit, das aufzubauen. Wir werden künftig die Ergebnisse regelmäßig überprüfen, denn wir sehen uns als eine lernende Organisation.“

T.A.I.: Wie sieht es mit den Auslandsbüros aus?

Olivér Csendes: „Visit Hungary hat keine Auslandsorganisation. Die Büros wurden alle 2016 geschlossen. Es wird sicherlich eine spannende Diskussion sein, wie die B2B-Märkte künftig am effektivsten bearbeitet werden können. Ich werde das aber erst nach 60 Tagen entscheiden. In den ersten 30 Tagen geht es um die Mitarbeiter:innen, – wir haben derzeit 94, Ziel ist es, auf 140 zu wachsen –, in den zweiten 30 Tagen um die Definition von Zielen und dann um das Budget 2025.“

T.A.I.: Wie sehen Sie Ihre künftige Aufgabe und wie die Zusammenarbeit mit Österreich?

Olivér Csendes: „Es ist etwas Einzigartiges in Europa, eine Organisation wie Visit Hungary aufzubauen. Es ist großartig. Da kommt mir die 2,5-jährige ÖW-Erfahrung sicher zugute. Im zweiten Halbjahr 2024 hat Ungarn übrigens die EU-Ratspräsidentschaft. Wir werden dann ausloten, ob es Partnerschaften mit Österreichs Tourismus geben wird und die Zusammenarbeit intensiviert werden kann, zum Beispiel im Bereich der Donau oder mit dem Neusiedlersee.“

T.A.I.: Werden Sie ganz nach Ungarn übersiedeln?

Olivér Csendes: „Der Lebensmittelpunkt meiner Familie bleibt in Österreich.“

Interessant ist ergänzend dazu folgender weiterführender Bericht:

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