Air France-KLM

Wunderheiler zeigt Wirkung! Ben Smith nimmt Kurs auf Turnaround

Print-Ausgabe 23. August 2019

Air France-KLM CEO Benjamin Smith plant für 2019 einen Kapa­zitätsausbau von 2 bis 3 Prozent

Die in den zurückliegenden Jahren gebeutelte Air France-KLM befindet sich unter Führung des neuen CEO im Steigflug – das Halbjahresergebnis überraschte

In ruhigere Flughöhen geführt hat der seit Mitte September vorigen Jahres amtierende Air France-KLM CEO Benjamin Smith den französisch-niederländischen Airlines-Konzern. Bis Ende des Jahres 2018 gelang es ihm erfolgreich, den lange wogenden und vor allem kostspieligen Arbeitskonflikt mit den Gewerkschaften zu beenden, dann machte er sich an die Durchforstung des Markenportfolios. Ende Juli gelang ihm schließlich noch eine Einigung mit der Pilotengewerkschaft SNPL (Syndicat National des Pilotes de Ligne), womit dem weiteren Ausbau des französischen Ablegers der Billigairline Transavia, der Transavia France, nichts mehr im Wege steht.

Die bisher gesetzten Maßnahmen zeigen schon Wirkung. Nach dem turbulenten Vorjahr und einem laut Benjamin Smith „herausfordernden“ Jahresauftakt 2019 schloss das zweite Quartal mit einem operativen Ergebnis in Höhe von plus 400 Mio. Euro, was eine Verbesserung um rund 54 Prozent gegenüber dem vom Pilotenstreik geprägten Vergleichszeitraum im Vorjahr bedeutet. Der Umsatz stieg um 6,4 Prozent auf sieben Milliarden Euro.

Die Anleger dankten all dies mit einem deutlichen Anstieg des Aktienkurses: Dieser kletterte binnen zwei Monaten um mehr als ein Drittel von 7,56 Euro auf 10,43 Euro. Zum Vergleich: Sowohl bei Lufthansa als auch bei der IAG (International Airlines Group) setzte sich der seit einem Jahr anhaltende Abwärtstrend weiter fort.

Jetzt will Benjamin Smith den angestrebten Turnaround weiter vorantreiben, mit Fokus auf den Big-Brands Air France und KLM sowie der weiteren Expansion der Low Cost-Tochter Transavia.

Der Marken-Straffung zum Opfer fiel bereits die erst vor eineinhalb Jahren gestartete Hybrid-Airline Joon (halb Low Cost, halb Netzwerk, Zielgruppe sind Millennials). All ihre Aktivitäten und MitarbeiterInnen wurden bis Jahresmitte in Air France integriert.

Neu aufgestellt wird auch die französische Regionalairline HOP!, deren Verlust sich laut Ben Smith durch die Konkurrenz des französischen Hochgeschwindigkeitszuges TGV und die alternde Flotte 2018 auf 189 Mio. Euro verdoppelte. Eine Integration in Air France ist allerdings nicht geplant, sie wird aber als Air France HOP! stärker als bisher an die Marke der Mutter herangeführt. Dasselbe trifft auf KLM Cityhopper zu.

Forciert wird zudem der Ausbau von Transavia. Deren niederländischer Ableger ist gut unterwegs (die Flotte besteht aus insgesamt 43 Boeing B737-700 und B737-800 Jets), doch bei Trans­avia France war die Wachstumsbremse gezogen: Sie durfte seit einem Streik 2014 nicht mehr als 40 Flugzeuge betreiben (derzeit sind es 37 Boeing B737-800 sowie ein Airbus A319). Durch die erwähnte Einigung mit der Pilotengewerkschaft SNPL Ende Juli steht einer Expansion von Transavia France nun nichts mehr im Wege. Ob es die vor 2014 geplanten 100 Jets werden, muss sich erst weisen.

Auch auf der Langstrecke tut sich einiges: So soll noch heuer das Transatlantik Joint Venture von Air France-KLM mit Delta und Virgin Atlantic in Kraft treten, mit einem prognostizierten Marktanteil von rund 25 Prozent. Air France-KLM hat im Vorfeld um umgerechnet rund 240 Mio. Euro 31 Prozent an Virgin Atlantic erworben, an der Delta seit 2013 mit 49 Prozent beteiligt ist. Virgin-Chef Richard Branson behält 20 Prozent und wird weiterhin als Chairman fungieren.

Weiter ausgebaut wird zudem das China-Joint Venture mit China Eastern, China Southern und Xiamen Airlines.

Beide Joint Ventures resultieren auch in Beteiligungen an Air France-KLM: Delta und China Eastern erhöhten jüngst ihre Anteile auf je 8,8 Prozent (zuvor je 7,5 Prozent), mit dem Ziel, künftig jeweils zehn Prozent zu halten. Die gesamte Trans­aktion wird auf rund 375 Mio. Euro beziffert. Gleichzeitig reduziert der französische Staat seinen Anteil an Air France-KLM von 22,7 Prozent Ende 2018 auf künftig 14 Prozent – dieselbe Größe, wie das heuer im Frühjahr erworbene Aktienpaket der Niederlande.

Für das Gesamtjahr 2019 gibt sich Benjamin Smith noch zurückhaltend. Das aktuelle geopolitische Umfeld und die Unsicherheit bei der Entwicklung der Treibstoffpreise (zuletzt rückläufig) lassen zu viele Fragezeichen offen. Smith sprach bei der Präsentation der Halbjahreszahlen Ende Juli aber von einem „anhaltend positiven Nachfragetrend“, die Auslastung sollte über dem Vorjahr zu liegen kommen, der Passagier-Umsatz im dritten Quartal „währungsbereinigt stabil.“ Für das Gesamtjahr 2019 plant Air France-KLM einen Kapazitätsausbau um 2 bis 3 Prozent, bei Transavia sind es 7 bis 9 Prozent. Die Aussichten, dass sich der Turnaround weiter fortsetzt, stehen damit gut. 

 

Kurzportrait Benjamin Smith

Der gebürtige Brite Benjamin Smith (er verfügt auch über die Staatsbürgerschaft in Kanada und Australien) feiert am 27. August 2019 seinen 48. Geburtstag. Er startete seine Karriere nach dem Wirtschaftsstudium an der University of Western Ontario als Vertriebs- und Kundendienstmitarbeiter bei Air Ontario (einer Air Canada Tochter), machte sich dann selbständig, um 2002 ins Management von Air Canada zu wechseln. Smith war federführend am beeindruckenden Turnaround der Airline beteiligt, ebenso federführend an der Entwicklung der Low-Cost-Schiene „Tango“ sowie der Low-Cost-Tochter Air Canada Rouge. Von 2014 bis September 2018 war Benjamin Smith President von Air Canada, Air Canada Rouge, Air Canada Express und Cargo sowie COO Air Canada Group.

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