Print-Ausgabe 17. Februar 2023
Topi Manner / Finnair (l.) und Michael Trestl / Austrian Airlines (r.) sehen sich mit erheblich gestiegenen Kosten konfrontiert
Für Passagiere bedeutet Russlands Krieg in der Ukraine erheblich längere Flugzeiten, für Airlines sorgt er für drastische Mehrkosten – Linderung ist nicht in Sicht
Die reine Flugzeit war zwar nicht rekordverdächtig (Singapore Airlines war auf ihren Nonstop-Linienflügen nach New York-Newark rund 18 Stunden unterwegs), aber immer noch extrem lang: 14 Std. 30 Min. Konkret ging es um die China Airlines Nonstop-Verbindung mit dem Airbus A350 Taipei – Wien, die vor kurzem den Abschluss des FAM-Trips von österreichischen Reisebüro-Agents nach Taiwan bildete (ausführlich ab Seite 10). In „Normalzeiten“ dauert der Flug um die 11 Std. 30 Min. Doch seit Russlands Angriff auf die Ukraine herrschen keine „Normalzeiten“, auch nicht auf den Flügen von Europa nach Asien und umgekehrt. Airlines sind gezwungen, auf ihren Nonstop-Verbindungen wegen der Sperre des russischen und ukrainischen Luftraums größere Umwege in Kauf zu nehmen. Ebenso notwendig ist in vielen Fällen eine Verdoppelung der Crew. Alles zusammen hat erhebliche Auswirkungen auf die Kosten, einschließlich der Treibstoffpreise und der Flugtickets.
Bei Austrian Airlines etwa schlagen die geänderten Rahmenbedingungen auf den Flügen zwischen Wien und Tokio laut CCO (Chief Commercial Officer) Michael Trestl mit durchschnittlich 2,5 Stunden mehr Reisezeit zu Buche. Ebenso erforderlich ist eine zweite Besatzung an Bord, was die Kosten um ein Vielfaches erhöht. 12 Std. 20 Min. nimmt derzeit ein Flug von Wien nach Tokio-Narita in Anspruch, retour sind es 14 Std. 15 Min. Nach Shanghai ist es zwar kürzer, aber mit 10 Std. 15 Min. hin und 12 Std. 50 Min. retour immer noch deutlich länger als früher.
Am stärksten betroffen vom Szenario ist Finnair. Sie hatte lange Zeit die geografische Lage von Helsinki in die Waagschale geworfen, weshalb sie in vielen Fällen die schnellsten Verbindungen zwischen Europa und Asien bot: Die Überquerung Russlands ermöglichte Flüge, die um Stunden kürzer waren als von jeder anderen europäischen Hauptstadt aus. Am Flughafen HelsinkiVantaa wurde deshalb knapp 1 Mrd. Euro in ein neues Terminal investiert und überall am Airport gab es Schilder auf Japanisch, Koreanisch und Chinesisch.
Bis zur Corona-Pandemie wurde die Hälfte der Einnahmen von Finnair laut CEO Topi Manner durch Reisende aus Asien erzielt und 60 % der Einnahmen entfielen auf Passagiere, die Helsinki als Drehkreuz zum Umsteigen auf andere Ziele nutzten.
In einer ersten Reaktion nach Ausbruch des russischen Überfalles strich Finnair zunächst die Flüge nach Japan, China und Südkorea. Zwischenzeitig wurden von ihr die Flüge nach Seoul, Tokio und Shanghai zwar wieder aufgenommen, doch auf Routen, die den russischen Luftraum umgehen. Die Flüge nach Osaka und Hongkong sind bis Ende März 2023 gestrichen. Von und nach Asien gab es im 2019er Sommer noch 198 Flüge, 2022 waren es nur noch 76, um nahezu zwei Drittel (62 %) weniger (was u.a. auch der damaligen „Null-Covid-Politik“ Chinas geschuldet war.
Was einst ein geografischer Vorteil war, mutierte über Nacht zum Nachteil. Dauerte vor dem Krieg der Flug von Helsinki nach Tokio (rund 7.900 km) direkt über russisches Territorium im Schnitt neun Stunden, sind es nun fast 13.000 km, über 13 Stunden sowie um bis zu 40 % bzw. 20 Tonnen mehr Treibstoff (ein Umstand, der durch die gestiegenen Kerosinpreise noch gehebelt wird). Hin führt die Route über den Nordpol, zurück wird über Korea, China, Kasachstan und Usbekistan nach Europa geflogen.
Auch andere Fluglinien ziehen die Konsequenzen. Die Sperrung des russischen Luftraums etwa veranlasste Japan Airlines und ANA, ihre Flüge nach Europa zu streichen. Virgin Atlantic entschied im Oktober, den Flugverkehr von und nach Hongkong einzustellen. Die Flugstrecke zwischen Kopenhagen und Singapur bzw. Shanghai wuchs mit einem Schlag um rund 1.500 km (was in einer um 1 Std. 30 Min. längeren Flugzeit mündete), während die Entfernung zwischen Helsinki und Seoul um zusätzliche 4.000 km stieg (um 3 Std. 30 Min. mehr Flugzeit). All diese Maßnahmen finden auch in der Sitzplatzkapazität Widerhall: So lag nach Angaben von CAPA (Centre for Aviation) und OAG (Official Airline Guide) Mitte Jänner dieses Jahres die Sitzplatzkapazität auf den Strecken zwischen Europa und dem asiatisch-pazifischen Raum bei nur 63,7 % der Kapazität von 2019 (innerhalb Europas wurden bereits über 80 % erreicht, ebenso in Asien).
Wie lange der Spuk andauert, steht in den Sternen. Nach Ansicht von Expert:innen ist heuer nicht mit einem Ende der kriegerischen Auseinandersetzung zu rechnen. Für die Flüge zwischen Europa und Asien bedeutet dies weiterhin längere Flugzeiten und höhere Kosten.
Erstellt am: 17. Februar 2023
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